Essen. Die deutsch-amerikanischen Zwillinge Luke & Levi (1) bekommen trotz doppelter Staatsbürgerschaft keinen deutschen Pass. Schuld ist ihr Nachname.
- Ein gebürtiger Essener gründet in den USA eine Familie und bekommt nun für seine Söhne keinen deutschen Pass
- Dabei haben die einjährigen Zwillinge sowohl die deutsche als auch die amerikanische Staatsbürgerschaft
- Die deutschen Behörden akzeptieren den Nachnamen Teh-Brauer nicht, der in den USA eingetragen wurde: ein Doppelname aus den Namen von Mutter und Vater
- Andere ausländische Namen werden durchaus übernommen – in diesem Fall gibt es eine besondere Tücke
- Die Familie würde gern die Großeltern besuchen, doch für die Reise nach Deutschland brauchen die Zwillinge deutsche Pässe. Sonst drohe ein Ordnungsgeld von jeweils 5000 Euro, sagt ihr Anwalt.
- Nun hat er für die Familie eine Klage eingereicht
- Bei Vater Lars Brauer haben sich inzwischen nicht nur alte Freunde gemeldet, sondern auch ein weiterer ehemaliger Essener, der heute in den USA lebt – und mit seiner Tochter dasselbe Namensproblem hat
Die Zwillinge Luke und Levi sind ein Jahr alt und schon im Zentrum binationaler Verwicklungen: Ihr Vater Lars Brauer ist gebürtiger Essener, hat seine deutsche Heimat vor zwei Jahrzehnten verlassen, sich in den USA angesiedelt und dort eine Familie gegründet. Seine Söhne haben von Geburt an amerikanische wie deutsche Staatsbürgerschaft. Deutsche Reisepässe bekommen sie nicht. Die Familie könne nicht zu den Großeltern der Babys nach Essen reisen, ärgert sich Brauer.
„Der deutsche Pass wird ihnen mit der Begründung verweigert, dass ihr Nachname nicht mit deutschem Recht vereinbar sei“, sagt der 43-Jährige, der in Los Angeles lebt, als Unternehmensanwalt bei Google arbeitet und selbst zwei Staatsbürgerschaften hat. Seine Partnerin Lourdes Teh ist Amerikanerin und Wirtschaftsprüferin bei Disney. Aus beruflichen Gründen haben beide ihre Nachnamen beibehalten.
Um die Familienzusammengehörigkeit zu dokumentieren, gaben sie den Zwillingen beide Nachnamen: Teh-Brauer. In den USA war das kein Problem, nach deutschem Recht ist ein Doppelname für Kinder jedoch nicht zulässig. Allerdings ermöglicht der Gesetzgeber, Familien, in denen ein Elternteil eine ausländische Staatsbürgerschaft hat, die Namensführung seines Heimatlandes zu wählen. Darauf hatten die Brauers gesetzt, doch das Standesamt Essen lehnte ab. „Die nach amerikanischem Recht beurkundete Namensführung kann nicht ins deutsche Recht übertragen werden“, sagt Stadtsprecherin Silke Lenz.
Das US-Recht lasse auch Fantasienamen zu, kritisieren deutsche Stellen
Schuld daran ist eine Besonderheit des US-Rechts, das die Wahl von „Fantasienamen ohne erkennbaren familiären Bezug“ zulässt und daher aktuell nicht in Deutschland angewendet wird. Für Lars Brauer ist die Erklärung schwer verständlich: Es sei ja offenkundig, dass Teh-Brauer eben nicht der Fantasie entsprungen sei, sondern die familiäre Herkunft dokumentiere. Doch das spielt rechtlich keine Rolle. „Es ist unerheblich, ob im individuellen Fall tatsächlich ein Fantasiename bestimmt worden ist“, heißt es auf der Homepage der deutschen Vertretungen in den USA.
Eltern bangten nach der Geburt monatelang um ihre Söhne
Die Zwillinge Luke und Levi wurden im September 2020 nach nur 30 Schwangerschaftswochen geboren. Luke wurde im Mutterleib und unmittelbar nach der Geburt wegen einer seltenen Lungenkrankheit operiert. Ein Dreivierteljahr bangten die Eltern um den Jungen, der erst auf der neonatalen Intensivstation lag und auch später auf Sauerstoffzufuhr angewiesen war. „Wir lebten in der ständigen Angst einer für die Kleinen vielleicht fatalen Covid-Infektion“, erinnert sich Lars Brauer.
„Da wir also dringend Hilfe bei der Versorgung der beiden brauchten, haben die USA für meine Eltern aus humanitären Gründen eine Ausnahme von den ansonsten sehr strengen Covid-Reisebeschränkungen gemacht.“ Mit einer Sondergenehmigung konnten die Großeltern in die USA kommen und ihre Enkel kennenlernen. Das sei ein großes Glück gewesen, sagt Brauer. Dagegen fühle sich die Familie von den deutschen Behörden nun „vergleichsweise schlecht behandelt“, weil sie einen Gegenbesuch in Essen zum Weihnachtsfest 2021 unmöglich gemacht hätten. Seine Eltern hätten wegen eines Klinikaufenthaltes auch nicht in die USA kommen können, um zu erleben, welche großen Entwicklungssprünge Luke und Levi zuletzt gemacht hätten.
Weiter erklären die Diplomaten da: „Die Bearbeitung von Anträgen mit Wahl des US-amerikanischen Namensrechts wird von den Standesämtern solange ausgesetzt, bis eine weitere gerichtliche Entscheidung zu der vorgenannten Frage vorliegt.“ Bis dahin sei die Stadtverwaltung an einen Beschluss des Bundesgerichtshofs gebunden, bedauert Silke Lenz. Der lasse keinen Ermessensspielraum. „Eine Entscheidung im Sinne der Eltern wäre schlichtweg rechtswidrig.“
Im deutschen Pass soll ein anderer Nachname stehen als im amerikanischen
Ohne das Okay des Standesamtes steckt Brauer in einer Sackgasse. Er ist hier aufgewachsen, hat in Kettwig und Stadtwald gewohnt und an der Goetheschule Abitur gemacht. Essen ist seine Heimatstadt – und sein letzter deutscher Wohnsitz, deshalb ist das hiesige Standesamt für die Anerkennung des Nachnamens zuständig. Die Pässe würde dann das deutsche Konsulat in Los Angeles ausstellen. Aktuell kann Silke Lenz nur einen Weg weisen: „Die Eltern müssten sich entscheiden, ob die Kinder dann Teh oder Brauer heißen sollen.“
Genau das wollen Lars Brauer und seine Partnerin auf keinen Fall: „Der Name, der auf all ihren bisherigen Dokumenten wie Geburtsurkunden und US-Pässen erscheint, ist Teh-Brauer.“ Ihren Kindern deutsche Papiere mit einem anderen Nachnamen ausstellen zu lassen, würde nur zu Verwirrung, Komplikationen bei der Ein- und Ausreise oder später gar zu möglichen Betrugsvorwürfen im beruflichen Bereich führen. „Wir fürchten, dass unsere Kinder ein Leben lang, Nachteile hätten“, sagt Lars Brauer.
Im Moment verhindere die vertrackte Rechtslage, dass er mit seiner Partnerin und den Kindern die Großeltern Marianne und Klaus Brauer (71, 74) in Essen-Stadtwald besuchen könne: Hätten Luke und Levi nur die amerikanische Staatsbürgerschaft, könnten sie mit dem US-Pass einreisen – und brauchten bei Aufenthalten bis zu 90 Tagen nicht mal ein Visum.
„Als Deutsche brauchen sie aber deutsche Pässe, der US-Pass reicht nicht“, so Brauer. Grundsätzlich stimme das, bestätigt Stadtsprecherin Lenz. Die Einreise sei aber auch so möglich, „wenn die deutsche Staatsangehörigkeit glaubhaft gemacht wird“. Lenz folgert: „Damit ist gewährleistet, dass die Kinder die Großeltern besuchen können.“
5000 Ordnungsgeld drohen, wenn die Jungen mit ihren US-Pässen einreisen
Rechtsanwalt Thomas Hermes, der die Familie vertritt, bestreitet diese Lesart: „Als Deutscher oder Deutsch-Amerikaner bin ich grundsätzlich verpflichtet, mit deutschem Pass hier einzureisen.“ Kämen die Jungen nur mit amerikanischem Pass, könnte ein Ordnungsgeld von 5000 Euro pro Kind fällig werden. Ein teurer Familienbesuch.
Hermes hat daher Ende 2021 Klage beim Amtsgericht Essen eingereicht: Es solle die Stadt anweisen, doch noch kalifornisches Namensrecht auf Luke und Levi anzuwenden. Auch weil es niemandem zuzumuten sei, mit zwei verschiedenen Nachnamen durchs Leben zu gehen, „da das Zweifel an der Identität der Person wecken könnte“.
Endgültige Klärung kann Monate oder Jahre dauern
Der Anwalt weist darauf hin, dass ein Berliner Amtsgericht schon einmal den Beschluss des Bundesgerichtshofs als „nicht einschlägig“ angesehen und einen Doppelnamen für ein Kind zugelassen habe. Eine endgültige Klärung der Sache könne Monate oder Jahre dauern, schwant ihm. Er sei aber zuversichtlich, „dass die Kinder im Ergebnis den Doppelnamen führen können“. Und vielleicht feiern sie Weihnachten 2022 mit Oma und Opa in Essen.
In der Zwischenzeit weiß Lars Brauer, dass seine Familie kein Einzelfall ist: Auf die Berichterstattung hin hat sich ein anderer ehemaliger Essener bei ihm gemeldet, der heute ebenfalls in den USA lebt. Er nahm über ein berufliches Netzwerk mit Brauer Kontakt auf und berichtete, dass er wegen der Nachnamenswahl für seine Tochter dieselben Probleme mit den deutschen Stellen habe.