Essen. Kaum Platz, kein Personal: Wie die vielen Kinder und Jugendlichen aus der Ukraine an Essens Schulen unterkommen sollen, ist derzeit unklar.
Knapp vier Wochen nach Ausbruch des Krieges gegen die Ukraine zeichnet sich ab, dass es schwierig werden wird, die geflüchteten Kinder und Jugendlichen in den Essener Schulen unterzubringen. Es fehlen Platz und Personal in erheblichem Umfang. „Das ist eine sehr große Herausforderung“, sagen sowohl Pädagogen als auch Experten aus der Essener Schulverwaltung.
Am Ende der vergangenen Woche waren bislang 700 Kinder und Jugendliche im schulpflichtigen Alter (6 bis 17 Jahre) in Essen angekommen, außerdem 251 Kinder im Kindergartenalter. 700 junge Flüchtlinge im schulpflichtigen Alter: Das sind mehr als 23 Klassen.
Geflüchtete Kinder und Jugendliche aus der Ukraine: 700 sind schon da, das wären 23 Klassen
Dafür gibt es an den bestehenden rund 160 Schulen im Stadtgebiet derzeit kaum Kapazitäten. Aus der Schulverwaltung heißt es, man prüfe derzeit, ob man andere Gebäude und Räume nutzen könnte, um dort bald Kinder und Jugendliche aus der Ukraine zu unterrichten. Zu den Gebäuden zählen offenbar auch alte Schulen, die derzeit nicht benutzt werden.
Die Schulaufsicht ist derzeit außerdem damit beschäftigt, an den Essener Schulen zu fragen, wie viele Plätze in den einzelnen Klassen noch frei sind. Ergebnisse werden in den kommenden Tagen erwartet.
Die Kinder und Jugendlichen aus der Ukraine sollen dann Unterricht erhalten, wenn geklärt ist, in welcher Stadt sie bleiben. Das „Kommunale Integrationszentrum“ soll die neuen Schülerinnen und Schüler an die passenden Schulen verteilen.
Die erlaubten Höchstgrenzen ausnutzen – und womöglich darüber hinaus
„Man muss in jeder Klasse die absolute Höchstgrenze an erlaubten Schülerzahlen ausnutzen“, prognostiziert der Sprecher der Essener Gesamtschulen, Berthold Kuhl. Das werde nicht leicht, denn schon jetzt sind – nicht nur an Gesamtschulen – die Klassen voll. Wie viele jeweils erlaubt sind, steht in den Schulgesetzen und füllt sechs eng bedruckte Seiten; als Faustregel kann gelten: Grundschulen haben maximal 29 Kinder pro Klasse, Hauptschulen 30, Realschulen und die Jahrgänge fünf bis zehn an den Gymnasien 29 Schüler. In Ausnahmen sind maximal fünf Schüler mehr pro Klasse erlaubt.
„Natürlich wird es Engpässe geben, es fehlt ja schon jetzt kompetentes Personal“, sagt der Leiter einer Grundschule im Essener Norden. Gefragt seien jetzt und künftig Pädagogen, die geschult sind in der Vermittlung von Deutsch als Fremdsprache. Einzeln ausgewertet werden muss, ob es unter den Geflüchteten Kindern und Jugendlichen jene gibt, die direkt am normalen Unterricht teilnehmen können, weil sie Deutsch schon beherrschen. Klar ist, dass die meisten Schulen – wie bei den Geflüchteten aus Syrien ab 2015 – so genannte „Willkommens-“ oder „Internationale Klassen“ bilden müssen, in denen zuvorderst der Deutsch-Unterricht auf dem Programm steht. „Die Plätze sind ja schon jetzt begrenzt“, heißt es aus einer Essener Hauptschule, „wir können ja nicht beliebig viele neue Klassen aufmachen, auch wenn es nötig wäre.“
Wann die ersten Kinder und Jugendlichen tatsächlich Unterricht erhalten, ist unklar
Wann die ersten Kinder und Jugendlichen aus der Ukraine tatsächlich Unterricht an Essener Schulen erhalten, ist derzeit noch offen. Trotz der Notwendigkeit einer „zügigen Beschulung“, so heißt es in einem Schreiben des Schulministeriums, „sollen die besonderen Fluchtumstände berücksichtigt werden.“ So habe besonders in den ersten Tagen der Schulbesuch für viele Familien „aus nachvollziehbaren Gründen nicht immer oberste Priorität“.
Wie auch immer die Rahmenbedingungen sind: „Wir müssen und werden helfen, so gut es geht“, heißt es aus allen Schulen im Moment. „Allein aus humanitären Gründen sind wir dazu verpflichtet“, und am Ende, so formuliert es eine Grundschulleiterin aus dem Essener Norden, „geht es ja immer irgendwie.“