Essen. Rossinis „Stabat Mater“ beim Sinfoniekonzert der Essener Philharmoniker: Geistliches Werk als Herausforderung für Orchester, Chöre und Solisten.

Musikalisches Großaufgebot beim 8. Sinfoniekonzert der Essener Philharmoniker: Nachdem Andreas Ottensamer den Abend mit der f-Moll-Klarinettensonate von Johannes Brahms – von Luciano Berio für Orchester bearbeitet – sanft sinnlich eingeleitet hatte, stand eines der großen geistlichen Werke von Gioachino Rossini auf dem Programm: das „Stabat Mater“.

Wenn sich der Sopran von Jessica Muirhead strahlend über die geballte Kraft des Orchesters erhebt, wähnt man sich beinahe schon im Himmel. Aber Christoph Seidls streng fokussierter Bass holt den Schwärmer zurück auf die Erde. Dahin, wo des Leidens Jesu gedacht wird und der Schmerz, den seine Mutter Maria unter dem Kreuz erleidet, beim Betrachter mitfühlende Teilnahme auslösen soll.

Rossinis schwungvolle Melodik ist intensiver Ausdruck seelischer Bewegung

Gioachino Rossini hat in seiner opulenten Vertonung der frommen mittelalterlichen Dichtung alle Register seiner gestalterischen Kunst gezogen: Der unbegleitete Chor im alten Stil eines Palestrina trifft auf damals moderne Ausdrucksmusik, die Giuseppe Verdi dann in seiner „Messa da Requiem“ zu Vollendung geführt hat. Und dazwischen singt der Tenor ein Arioso im schönsten Belcanto-Stil. Diese Stelle, die Carlos Cardoso technisch bewältigt, aber mit gespannter Höhe und kühl-schmelzlosem Timbre singt, wurde in Deutschland als frivol empfunden: „Opernhafte Oberflächlichkeit“ ätzte Wagner. Ein Missverständnis: Rossinis schwungvolle Melodik ist intensiver Ausdruck seelischer Bewegung.

Auch die anderen Solisten schont Rossini nicht: Trotz ihres kurzfristigen Einspringens singt Lamia Beuque aus Strasbourg mit ihrem geschmeidigen Mezzosopran im Duett mit Jessica Muirhead Verzierungen präzis und in der Lautstärke sensibel angepasst. Christoph Seidl gibt in der Höhe zu viel Druck.

Der Philharmonische Chor Essen und der Opernchor des Aalto-Theaters beginnen das „Stabat mater“ ruhevoll gelöst, sind der verhaltenen Transparenz des „Eia Mater“ gewachsen, lassen aber in der abschließenden Doppelfuge die Konturen verschwimmen. In diesem fulminanten Finale zügelt auch Dirigent Elias Grandy die Orchesterwucht zu nachgiebig. Bei gemessenen, zu Beginn arg langsamen Tempi arbeiten die Essener Philharmoniker die Details sorgfältig aus.