Essen. Zeugenhinweise und Videoaufnahmen führten die Polizei auf die Spur des mutmaßlichen Böllerwerfers. Identifiziert wurde er durch ein Tattoo.

Fünf Tage nach dem Böllerwurf am vergangenen Sonntag beim Spitzenspiel der Regionalliga-West zwischen Rot-Weiss Essen und Preußen Münster im Stadion an der Hafenstraße gehen Polizei und Staatsanwaltschaft davon aus, den Täter ermittelt zu haben. Als dringend Tatverdächtig gilt ein 29-jähriger Familienvater aus Marl.

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Der Mann wurde am Donnerstag in seiner Wohnung festgenommen. Er befindet sich gegen Auflagen aber wieder auf freiem Fuß. Das Gericht ordnete ein bundesweites Stadionverbot an, zudem muss sich der Verdächtige täglich bei der Polizei melden, sagte Oberstaatsanwältin Anette Milk vor der Presse.

Dem Verdächtigen RWE-Fan droht eine Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr

Die Staatsanwaltschaft wirft dem 29-jährigen gefährliche Körperverletzung sowie die Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion vor. Laut Milk handelt es sich um einen „eher seltene“ Straftat, die mit einer Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr geahndet wird. Durch die Detonation des Feuerwerkskörpers – laut Polizeipräsident Frank Richter handelte sich um einen verbotenen „Polenböller“ – waren zwei Ersatzspieler von Preußen Münster verletzt worden, als sie sich während des Spiels vor der Westtribüne warm machten. Der Schiedsrichter brach das Spiel daraufhin in der 72. Minute ab.

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Der Verdächtige ist laut Polizei Fan von Rot-Weiss Essen, besitzt aber keine Dauerkarte. Nach bisherigen Erkenntnissen der Ermittler gehört er auch keiner Fangruppierung des Vereins an. Die Ermittlungen seien bezüglich dieser Frage aber nicht abgeschlossen, betonte Ralf Wagener, Leitender Direktor Kriminalität der Essener Polizei. Unklar sei bislang auch, aus welchem Motiv der Verdächtige handelte. Der Verdächtige schweigt bislang zu den Vorwürfen. „Wer gefährliche Pyrotechnik mit ins Stadion nimmt, der will diese auch zünden“, sagte Polizeipräsident Frank Richter.

29-Jähriger ist Polizei durch Delikte bekannt, aber nicht in Verbindung mit Fußball

Die Ermittler gehen demnach von Vorsatz aus. Der Tatverdächtige ist polizeilich bereits durch diverse Delikte in Erscheinung getreten – darunter wegen Eigentumsdelikten, Brandstiftung und Körperverletzung, bislang allerdings nicht im Zusammenhang mit Fußball, so Oberstaatsanwältin Milk.

Die Polizei war dem Verdächtigen durch Aussagen von Zuschauern sowie durch Bild- und Videoaufzeichnungen auf die Spur gekommen. Identifiziert werden konnte der 29-Jährige letztlich durch eine Tätowierung über dem linken Ohr. Zeugen hatten die Ermittler darauf aufmerksam gemacht. Die Polizei glich Aufnahmen aus dem Stadion mit Bildern des Verdächtigen ab, die dieser offenbar von sich in sozialen Netzwerken veröffentlicht hatte.

Laut Polizeipräsident Frank Richter waren die Ermittler zahlreichen Hinweisen auf den möglichen Täter nachgegangen, offenbar auch aus der Fanszene von RWE. „Da hatten viele den Kaffee auf. So habe ich das noch nicht erlebt“, sagte Polizeidirektor Ralf Wagener. Bei Rot-Weiss Essen war laut Vorstand Marcus Uhlig eine höhere zweistellige Zahl an Hinweisen eingegangen, welche der Verein an die Polizei weitergab. Polizeipräsident Frank Richter hob ausdrücklich die konstruktive Zusammenarbeit mit den Verantwortlichen von RWE hervor.

Rot-Weiss Essen kündigt neue Kameratechnik im Stadion an der Hafenstraße an

Als wenig hilfreich erwiesen sich dagegen Aufzeichnungen der im Stadion festinstallierten Videotechnik. Diese sei nicht mehr auf dem aktuellen Stand der Technik, lieferten die Kameras doch Bilder ausschließlich im „Webcam-Format“, das Heranzoomen auf einzelne Personen sei nicht möglich. Laut RWE-Vorstand Marcus Uhlig ist eine neue Kameratechnik bereits bestellt, sie soll in Kürze im Stadion an der Hafenstraße installiert werden.

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Uhlig zeigte sich im Gespräch mit der Redaktion erleichtert über den „schnellen Fahndungserfolg“. Sollte sich dieser bestätigen, will auch Rot-Weiss Essen den 29-Jährigen mit einem Stadionverbot belegen. „Der wird das Stadion an der Hafenstraße sicher nicht mehr von innen sehen“, betonte Marcus Uhlig. Mögliche Schadensansprüche behalte sich der Verein vor. „Wir werden sämtliche Register ziehen“, kündigte der RWE-Vorstandsvorsitzende an. Laut Staatsanwalt macht der Verdächtige derzeit eine Umschulung. Sollte er der Täter sein, bleibt abzuwarten, in wieweit der Verein mögliche finanzielle Ansprüche wird durchsetzen können.

Für Hinweise, die zur Ermittlung des Böllerwerfers führen, hatte Rot-Weiss Essen eine Belohnung in Höhe von 5000 Euro ausgesetzt. Die Belohnung zahle der Verein gerne, allerdings werde diese wohl aufgeteilt werden müssen angesichts der zahlreichen Hinweise, die die Polizei auf die Spur des Verdächtigen führten.

Die Ermittlungen gehen weiter. Auch die Debatte über problematische, weil gewaltbereite Teile der RWE-Szene ist durch den Fahndungserfolg der Ermittler nicht beendet. Marcus Uhlig hatte angekündigt, der Verein werde sich dieser Problematik annehmen – und zwar ungeachtet der Vorkommnisse beim Spiel gegen Preußen Münster.