Essen. Nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine ist die Bestürzung auch in Essen groß. Unsere Redaktion hat sich umgehört und Reaktionen gesammelt.

Der russische Angriff auf die Ukraine sorgt die Menschen in Essen. Oberbürgermeister Thomas Kufen zeigte sich am Mittag erschüttert von den Geschehnissen. „Dass es in Europa noch einmal zu einem Krieg kommt, passt einfach nicht in mein Weltbild“, teilte er mit. „Die Diplomatie ist einmal mehr gefragt als Überbringer des dringenden Wunsches der Menschen nach Frieden“, hieß es in einer Mitteilung. „Heute ist ein schwarzer Tag für Europa.“

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Angesichts des Krieges hatte die Evangelische Kirche am Donnerstagmittag zu einem Friedensgebet in die Marktkirche in die Innenstadt geladen. Unter den rund 20 Anwesenden war unter anderem Silke Scholtys. Sie sagte nach der Andacht: „Die Situation in der Ukraine macht einen hilflos, es ist beängstigend.“ Auch Klaus Künhaupt, Pfarrer in der Erlöserkirchengemeinde Holsterhausen, war in die Marktkirche gekommen und sagte nach dem Friedensgebet über Putins Angriff auf die Ukraine:Das ist so absichtlich und nicht zu glauben! Man fängt doch im Jahr 2022 keinen Angriffskrieg an.“

In der Marktkirche fand am Dienstag eine Andacht statt zum Ukraine-Krieg statt.
In der Marktkirche fand am Dienstag eine Andacht statt zum Ukraine-Krieg statt. © Kirchenkreis Essen

Tief besorgt hat sich Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck geäußert. „Der Angriff auf die Ukraine ist aufs Schärfste zu verurteilen. Meine Gedanken sind bei den Menschen in der Ukraine, die gerade schreckliche Ängste ausstehen und oft um ihr Leben fürchten müssen. Ihr Schicksal darf uns nicht unberührt lassen“, erklärte Overbeck. „Beten wir gemeinsam für Sie und für alle, die in diesen Stunden alles Menschenmögliche versuchen, um eine weitere Eskalation zu verhindern.“

Das Vertrauen in die Partnerstadt Nischi Nowgorod bestehe weiterhin

Was bedeutet die Eskalation in der Ukraine für das Verhältnis von Essen mit seiner russischen Partnerstadt Nischni Nowgorod? Stadtsprecherin Silke Lenz betont auf Anfrage, dass die aktuelle Entwicklung keine Auswirkung auf die Städtepartnerschaft habe, Freundschaft und Vertrauen in den russischen Partner bestehen weiter – auch weil die Partnerschaft seit 1991 bestehe, um die Zivilgesellschaften zu verbinden und Vorurteile abzubauen. „Das ist an Tagen wie heute wichtiger denn je“, sagte Lenz am Donnerstag.

Die Stadt Essen will aber ein Zeichen setzen. Wie in Köln, Düsseldorf und Bonn soll die Flagge des Netzwerks „Mayors for Peace“ im Rathaus aufgehängt werden; um sich symbolisch für Demokratie und Frieden und Frieden starkzumachen.

Der Wunsch nach Gesprächen mit Donezk

Die Geschäftsführerin des Rhein-Ruhr-Russland Vereins, Dr. Ljubov Jakovleva-Schneider, bedauert die Eskalation in der Ukraine sehr. Seit 20 Jahren arbeite der Verein mit dem Ziel, die Beziehungen Deutschlands zum post-sowjetischen Raum zu stärken, weshalb der Konflikt den Verein „mitten ins Herz“ treffe. Jakovleva-Schneider selbst ist in Dnipro in der Ukraine geboren und mit Russisch und Ukrainisch zweisprachig aufgewachsen, erzählt sie. In der Zivilbevölkerung verstehe man sich: „Für uns gibt es kein Problem. Die Politiker müssen das klären und aufhören, die Menschen einem unnötigen Risiko auszusetzen.“

Die Hoffnung auf diplomatische Lösungen dürfe jetzt nicht aufgegeben werden. Die Stärkung zwischenmenschlicher Beziehungen sei das, was jetzt zähle. Sie wünsche sich deswegen zum Beispiel ein Treffen zwischen Essen und der russischen Partnerstadt Nischni Nowgorod sowie Bochum und deren ukrainischen Partnerstadt Donezk – im Rahmen der deutsch-russischen Städtepartnerkonferenz, die 2023 in Essen stattfindet.

Gesellschaft für deutsch-russische Begegnungen sieht beide Seiten in der Verantwortung

Barbara Lachhain, Vorsitzende der Gesellschaft für deutsch-russische Begegnungen Essen e.V., hofft auf ein Treffen aller Essener Partnerstädte im Mai. Dort wolle man auch den Ukraine-Krieg thematisieren. Barbara Lachhain betrachte die Situation in der Ukraine mit Sorge. „Ich wünsche mir keine Spaltung der Gemeinden“, sagt sie über Russen und Ukrainer. Ob die Gefahr einer Spaltung bevorstehe, könne sie aber nicht beantworten. Ein freundschaftliches Verhältnis müsse aber aufrechterhalten werden.

„Leute mit gesundem Menschenverstand wollen keinen Krieg.“

Viele Menschen aus der Ukraine sind Mitglieder in der jüdischen Kultusgemeinde Essen. Deren Vorstandsvorsitzender Schalwa Chemsuraschwili erzählt, dass viele seiner ukrainischen Kollegen am Donnerstag bestürzt zur Arbeit gekommen seien – viele hätten Familie in der Ukraine und seien ratlos. Niemand in der Gemeinde habe erwartet, dass es so weit komme. „Es ist eine Tragödie. Ich hoffe, dass möglichst wenig Leute sterben, auch wenn diese Hoffnung nicht besonders groß ist“, sagt Chemsuraschwili.

In der Gemeinde gebe es viele Menschen ukrainischer und russischer Abstammung – zwischen diesen sei ihre Herkunft kein Thema. „Leute mit gesundem Menschenverstand wollen keinen Krieg“, so Chemsuraschwili.

Er denke und hoffe, dass es zwischen Ukrainern und Russen in Essen nicht zu einer größeren Spaltung kommt. „Die Menschen, die hier leben und aufwachsen, glauben an westliche Werte wie Demokratie und Meinungsfreiheit.“ Dennoch müsse man achten, dass die Wunde zwischen beiden Völkern nicht in Deutschland aufklaffe.