Essen. Letztes Jahr fiel Karneval komplett ins Wasser, jetzt feiern Essener Jecken wenigstens auf Sparflamme. In einigen Kneipen wird geschunkelt.

Die Höhepunkte der närrischen Session stehen vor der Tür: zuerst Weiberfastnacht und dann Rosenmontag. Doch die Pandemie macht den Essener Jecken auch diesmal wieder einen dicken Strich durch die Rechnung. Um das Finale der vermurksten Session wenigstens halbwegs zu retten, erklären Karnevalshochburgen wie Köln weite Teile des Stadtgebiets zwischen Weiberfastnacht und Aschermittwoch zu sogenannten „Brauchtumszonen“ fürs kontrollierte Feiern. Doch in Abstimmung mit dem Festkomitee Essener Karneval (FEK) und dem Hotel- und Gaststättenverband Nordrhein (DEHOGA) hat die Stadtverwaltung beschlossen: Essen verzichtet auf solche Brauchtumszonen.

Festkomitee hat fünfte Jahreszeit abgehakt und schaut auf die Session 2022/23

Das Land gibt den Kommunen in der Coronaschutzverordnung die Möglichkeit, räumlich getrennte Bereiche einzuführen, die das Zusammenkommen von Karnevalisten unter bestimmten Voraussetzungen regelt. Für diese Zonen gelten im Außenbereich die 2Gplus- und im Innenbereich die 2G-plus-Regelungen sowie zusätzlich ein negativer Schnelltest.

„Schweren Herzens haben die Essener Vereine bereits zu Beginn des Jahres das Zusammenkommen von Karnevalistinnen und Karnevalisten im Rahmen gemeinsamer Feierlichkeiten abgesagt“, so FEK-Vorsitzender Volker Saßen. „Wir konzentrieren uns nun mit unseren Mitgliedern und unseren ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern auf die Session 2022/2023.“

Für die Gastronomie in Essen gelten die bereits bestehenden Coronamaßnahmen. „Die Essener Kneipen und Gaststätten werden auch an den Karnevalstagen auf die Einhaltung der Coronaregelungen achten“, so der Essener Dehoga-Vorsitzende Moritz Mintrop. Die Wirte seien gut vorbereitet.

Das Ordnungsamt der Stadt Essen wird rund um das Karnevalswochenende unterwegs sein und entsprechende Kontrollen durchführen. „Deshalb appelliere ich an alle Essenerinnen und Essener, auch rund um die anstehenden Karnevalstage die Gesundheit aller in den Vordergrund zu stellen und zum jetzigen Zeitpunkt noch auf ausgelassene Feierlichkeiten zu verzichten“, so OB Thomas Kufen.

Geschlossene Gesellschaft in der „Eule“: Karnevalisten bleiben Rosenmontag unter sich

Somit bleibt es jedem einzelnen Gastronomen zwischen Karnap, Kupferdreh und Kettwig überlassen, ob in seinem Lokal an den tollen Tagen die Hände zum Himmel gehen oder eher nicht.

Janine und Simon Heidenreich, Inhaber des Rüttenscheider Lokals „Eule“, haben Rosenmontag zwar Karnevalisten im Hause. „Aber die Türen bleiben zu, es ist eine geschlossene Gesellschaft“, betonen die Wirtsleute. Mitglieder von vier Essener Karnevalsgesellschaften wollen unter sich bleiben: die Frauen des Essener Damen Elferrats (die „EDE-Girls“), die Ritter des Frohsinns, der Essener Karnevalsverein (EKV) und das Festkomitee. Anmeldung ist Pflicht – und wer die 2-G-plus-Auflage erfüllt, erhält ein Bändchen.

Auch Weiberfastnacht kann in der „Eule“ gefeiert werden – und das sogar ohne Anmeldung und ohne Eintritt. Aber statt 250 wie in Zeiten vor Corona werden jetzt höchstens 120 Menschen zusammen schunkeln. „Wir sind froh, dass wir wenigstens ein bisschen feiern können“, sagt der Eule-Wirt. 2G plus heißt auch an Weiberfastnacht: zweimal geimpft plus geboostert bzw. aktueller negativer Schnelltest.

Löwe am Kopstadtplatz veranstaltet „Corona-konforme Karnevalsparty“ am Samstag

Zu den Top-Adressen des Rüttenscheider Karnevals gehört normalerweise das Gasthaus zum Brenner in der Hedwigstraße. Rosenmontag werden dann eigens die großen Tische raus- und Stehbiertische reingestellt, damit mehr närrisches Volk reinpasst. „Aber das lassen wir dieses Jahr wegen Corona bleiben“, sagt Mitinhaber Daniel Bischoff. Für die Extra-Theke bestehe folglich auch kein Bedarf.

Der Löwe am Kopstadtplatz lädt am Karnevalssamstag zur „Corona-konformen Karnevalsparty“ (acht Euro Mindestverzehr) ein. Einlass gibt’s nur für die, die einen Tisch reserviert haben und „2-G-plus-plus“ sind. Soll heißen: Auch Geboosterte müssen einen negativen Schnelltest vorweisen. „Der Schnelltest ist an Ort und Stelle möglich“, sagt Gastwirt Lars Becker. Er ist langjähriges Mitglied der ältesten Kölner Karnevalsgesellschaft, der „Grosse von 1823“, und berichtet: „Ich war letzten Samstag auf einer Karnevalsveranstaltung in Köln mit 750 Leuten unter 2G plus.“

Kupferdreher Gesellschaft tadelt Kneipen-Karneval und vermisst „Solidarität“

Wenig Verständnis für Karnevalsfeiern in Gaststätten bringt der langjährige Vorsitzende der Kupferdreher Gesellschaft KG Rot-Grün 1963 e. V.“ auf. „Auf der einen Seite kann ich die Gastwirte ja verstehen, sie wollen Geld verdienen“, sagt Manfred Geldmacher, „aber unterm Strich fehlt mir die Solidarität im Essener Karneval“. Durch die Absage der „Lila-Sitzung“ Ende Januar in der Weststadthalle sei dem Verein ein schmerzhafter Schaden von 15.000 Euro entstanden. Geldmacher empfindet es als ungerecht, dass mit zweierlei Maß gemessen werde. „Wir sagen unsere Sitzung ab, aber andere in Essen veranstalten eine Herrensitzung.“

Früher war mehr Konfetti und Kamelle: Für das seit drei Jahren amtierende Stadtprinzenpaar steht fest, dass der kommende Rosenmontag ein ziemlich ruhiger Tag sein wird. Doch an einem schönen Ritual dürfen Andreas I. und Heike I. auch dieses Mal festhalten. Die Nacht auf Rosenmontag werden sie standesgemäß im reservierten Zimmer im Hotel Fabritz verbringen.