Essen. Rund 5500 Viertklässler in Essen werden nun an den weiterführenden Schulen angemeldet. Nicht alle haben immer genügend Plätze. Lohnt eine Klage?
Rund 5500 Viertklässler werden jetzt an den weiterführenden Schulen in Essen angemeldet. Die sieben Gesamtschulen in Essen haben die Anmeldungen bereits entgegen genommen. Haupt- und Realschulen sowie Gymnasien starten ihre mehrtägige Anmeldephase am Donnerstag, 17. Februar 2022. Alle Eltern wurden schriftlich informiert. Doch was passiert, wenn man nach der Anmeldung keinen Platz an der Wunsch-Schule bekommt? Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Thema.
Wie viele Viertklässler werden jährlich abgewiesen?
Die Zahlen schwanken. Fest steht, dass es gegenwärtig unterm Strich – noch – genügend Plätze stadtweit an Gymnasien, Real- und Hauptschulen gibt, auch wenn bald Neubauten erforderlich sind. Doch schon jetzt ist die Nachfrage sehr unterschiedlich. So mussten im vergangenen Jahr unter anderem die städtischen Gymnasien Werden, Maria Wächtler (Rüttenscheid), Grashof (Bredeney) und Carl Humann (Steele) einige Kandidaten abweisen. Die Zahl der abgewiesenen Kinder an den Schulen ist mal ein- und mal niedrig zweistellig. Bei den Gesamtschulen fehlen schon jetzt etwa 100 Plätze. Wer von einer Gesamtschule abgelehnt wird, kann eine andere besuchen oder sich am Gymnasium, einer Real- oder Hauptschule anmelden.
Anmeldungen starten Donnerstag
Anmeldungen an den weiterführenden Schulen in Essen. Start: Donnerstag, 17. Januar. Hauptschulen nehmen bis einschließlich Freitag, 18. Januar, Anmeldungen entgegen. Realschulen und Gymnasien bis einschließlich Samstag, 19. Januar.
Achtung: Wegen Corona ist häufig eine verbindliche Terminvergabe vorab notwendig. Bitte rufen Sie dazu vorher die Schule an, an der Sie Ihr Kind anmelden möchten.
Die kirchlichen Schulen führen eigene Anmeldeverfahren; dort ist in der Regel ohnehin vorab eine telefonische Terminvereinbarung notwendig.
Nach welchen Kriterien wählen Schulen die Viertklässler aus?
Es gibt vorgeschriebene Kriterien, nach denen die Schulen die Kandidaten bestimmen müssen. Dazu zählt als wichtigstes Kriterium die Frage, ob schon ein Geschwisterkind die Schule besucht. Tatsächlich spielt auch das Geschlecht des Kindes eine Rolle, weil ein ausgewogenes Verhältnis von Jungen und Mädchen grundsätzlich angestrebt wird. Die weiteren Faktoren: Wohnortnähe, die Muttersprache des Elternhauses (auch hier geht es um ein ausgewogenes Verhältnis), und bei Gesamtschulen kommt der Faktor hinzu, dass die Schülerinnen und Schüler ein möglichst unterschiedliches Leistungs-Spektrum abdecken sollen. In der Regel entscheiden die Schulen, die mehr Anmeldungen als freie Plätze haben, mit einem Losverfahren.
Das Losverfahren als gängiges Auswahlverfahren – das heißt, es kommt nur aufs Glück an?
Nein. Kinder mit Geschwistern an der Schule zum Beispiel kommen nicht mit in den Lostopf. In der Regel wird nur unter jenen Kandidaten ausgelost, die wichtigen Aufnahmekriterien zunächst nicht entsprechen. Die Gesamtschulen mit zu vielen Anmeldungen verfahren zum Beispiel so: Aus den Bewerbungen wird der Durchschnitts-Notenschnitt gebildet. Dann wird die Menge in zwei Gruppen eingeteilt – die leistungsstarken und die -schwachen. In beiden Gruppen wird nochmals unterschieden zwischen Jungen und Mädchen. Dann werden die Lose gezogen. So wird bei Gesamtschulen sichergestellt, dass die Kriterien „Leistungs-Heterogenität“ und „Geschlecht“ ausgleichend berücksichtigt werden. Achtung: Der Faktor Leistungs-Heterogität spielt bei Gymnasien, Real- und Hauptschulen keine Rolle!
Wenn am Ende auch das Los entscheidet – ist das nicht unfair?
Es kann zu sehr unglücklichen Konstellationen kommen. Beispiel: Eine Familie wohnt 50 Meter vom Gymnasium entfernt. Trotzdem kann es sein, dass das Los gegen die Familie entscheidet, wenn die Schule bei zu vielen Anmeldungen losen muss – und dass währenddessen Kinder aus Nachbarstädten, die sich auch angemeldet haben, den Zuschlag erhalten.
Zieht die Stadt nicht die Schulkinder der eigenen Kommune jenen Kindern aus Nachbarstädten vor?
Nein. Denn für die Schulen in Randlage oder für jene Schulen mit besonderem Profil sind Anmeldungen aus Nachbarstädten grundsätzlich überlebenswichtig – vor allem in geburtenschwachen Jahren.
Warum bevorzugen die Schulen mit zu vielen Anmeldungen das willkürlich erscheinende Losverfahren?
Weil nur dieses Auswahlverfahren als rechtssicher gilt.
Was heißt das?
Im vergangenen Jahr haben nach Auskunft der Bezirksregierung Düsseldorf zwölf Familien aus Essen gegen die Ablehnungen der Schulen geklagt, sind den juristischen Weg eingeschlagen. Drei davon seien erfolgreich gewesen.
Wann führt eine Klage zum Erfolg?
„Das hängt vom Einzelfall ab und kann ganz schlecht prognostiziert werden“, sagt Rechtsanwalt Frank Gentile von der Kanzlei Delgmann und Partner (Kennedyplatz). Gentile ist Fachmann für Schulrecht und berichtet, dass sich im vergangenen Jahr etwa 20 bis 25 Familien von ihm haben beraten lassen – nicht alle haben sich danach auf eine Klage eingelassen. „Das Risiko ist hoch, dass man ohne Erfolg auf den Kosten sitzen bleibt“, räumt Gentile ein. Eine Klage ist dann erfolgreich, wenn der Schule nachgewiesen werden kann, dass sie bei der Auswahl der Kinder Fehler gemacht hat. Eine weitere, große Rolle spielen so genannte Härtefallentscheidungen – sie sehen ein Wohlwollen vor, zum Beispiel bei Alleinerziehenden oder Kindern mit chronischen Krankheiten. „Wer sein Kind auf einer beliebten Schule anmeldet“, rät der Fachmann, „sollte auf jeden Fall auch einen Plan B oder sogar C haben.“
Was macht die Stadt, wenn die Schule mein Kind ablehnt?
Die Stadt schlägt eine Alternativ-Schule vor. Dabei gilt eine Fahrstrecke (Bus und Bahn) von 90 Minuten pro Weg als zumutbar für ein Kind ab Klasse fünf. Das bedeutet: Wer in Burgaltendorf wohnt und in Überruhr keinen Platz am Gymnasium bekommt, kann durchaus einen Schulplatz in Borbeck vorgeschlagen bekommen.