Essen. In Essen-Bochold entsteht ein neues Wohngebiet mit insgesamt 132 Wohneinheiten. Nach Anwohner-Protesten äußert sich der Investor.

Das Bauschild steht und verheißt einen „Wohnpark an der Gärtnerei“. Der Auftrag für Kanalbau und Erschließung sei erteilt, sagt Mustafa Sabancioglu. Spätestens im Sommer will die M&S Baugesellschaft mit dem Hochbau beginnen, dann werden sich zwischen Bocholder Straße und Kesselstraße Betonmischer und Baukräne drehen. Eines der umstrittensten Wohnungsbauvorhaben der jüngeren Vergangenheit im Essener Nordwesten wird dann Stein um Stein Realität.

Zwölf Mehrfamilienhäuser und 13 Eigenheime, insgesamt 132 Wohneinheiten, wird das Essener Bauunternehmen auf dem 2,7 Hektar großen Gelände einer ehemaligen Gärtnerei errichten. Der Betrieb liegt seit 1998 still. Seit 2015 führt die Stadt Essen das Areal als „potenzielle Wohnbaufläche“. Die Nachfrage nach Wohnraum sei hoch, gerade im Großraum Borbeck.

Potenzielle Investoren scheuten die hohen Erschließungskosten und sprangen ab

So war es keine Überraschung, dass sich die Politik vor Ort aufgeschlossen zeigte, als Mustafa Sabanciolgu auf die Stadt zukam und sein Projekt dort vorstellte. Interesse aus der Wohnungswirtschaft an einer Bebauung der Brachfläche gab es in der Vergangenheit immer wieder mal. Nur scheuten die potenziellen Investoren die hohen Entwässerungskosten. Das Grundstück liegt in einer Senke. 1,5 Millionen Euro veranschlagt die M&S Baugesellschaft allein für den Kanalbau.

An der Einmündung Otto-Brenner-Straße wird das Baufeld für den „Wohnpark an der Gärtnerei“ erschlossen.
An der Einmündung Otto-Brenner-Straße wird das Baufeld für den „Wohnpark an der Gärtnerei“ erschlossen. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

In der Nachbarschaft stieß das Bauvorhaben indes auf wenig Gegenliebe. Die Natur hatte das Gelände längst zurückerobert. Anwohner setzten sich für deren Erhalt ein und fürchteten um den städtischen Grünzug, der sich an das Baugrundstück anschließt. Eine Anwohner-Initiative startete eine Petition und sammelte Unterschriften gegen das Projekt. Die Aufstellung eines Bebauungsplanes konnte der Protest nicht verhindern. Immerhin beschloss der Rat der Stadt, dass die städtische Grünfläche durch Wildblumen, Stauden und Obstbäume ökologisch aufgewertet werden soll.

Hinter vorgehaltener Hand wurden Bedenken gegen den Investor geäußert

Sind die Bedenken in der Nachbarschaft damit vom Tisch? Hinter vorgehaltener Hand wurden auch Vorbehalte gegen den Investor geäußert. Dessen Namen findet man im Handelsregister als Geschäftsführer mehrerer Baufirmen; die Einträge wurden allerdings bereits vor Jahren gelöscht. Auch als Investor eines Hähnchengrills an der Altendorfer Straße, taucht er dort auf. Mustafa Sabancioglu stand nicht selbst am Grill. Den Laden betrieb ein Bekannter, der nach fünf Monaten aus gesundheitlichen Gründen habe aufgeben müssen.

Wer ist der Mann, der ein millionenschweres Wohnungsbauvorhaben stemmen will?

Anwohner demonstrierten im Juni 2021 für den Erhalt des Grüns zwischen Kesselstraße und Bocholder Straße.
Anwohner demonstrierten im Juni 2021 für den Erhalt des Grüns zwischen Kesselstraße und Bocholder Straße. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Mustafa Sabancioglu ist in Borbeck geboren und aufgewachsen. Seinen Beruf hat der 48-Jährige sprichwörtlich von der Pike auf gelernt. Schon als junger Mann arbeitete er auf dem Bau. Sein Schlüsselerlebnis im Alter von 19 Jahren schildert er so: „Ich stand in einer Baugrube bis zu den Knöcheln tief im Wasser, als am Rand der Grube plötzlich zwei Gesichter auftauchten. Die Herren trugen Schlips und Kragen. Es waren zwei Ingenieure, vielleicht ein paar Jahre älter als ich.“ Da habe es in seinem Kopf klick gemacht. „Noch am selben Tag habe ich mich bei der Handwerkskammer in Düsseldorf für die Meisterschule angemeldet.“

1997 legt Mustafa Sabancioglu erfolgreich seine Prüfung zum Beton- und Stahlbetonbaumeister ab als jüngster Absolvent seines Jahrgangs. Der Meisterbrief hängt an der Wand seines Büros an der Hülsmannstraße in Borbeck, wo die 2017 in Oberhausen gegründete Firma mittlerweile ihren Sitz hat.

Investor Mustafa Sabancioglu hat sich aus einer Baugrube nach oben gearbeitet

Als Mustafa Sabancioglu seinen Gast dort zum Interview empfängt, trägt er weder Schlips noch Kragen wie damals die jungen Ingenieure, sondern ein kariertes Holzfällerhemd. Sabancioglu macht keinen Hehl daraus, dass er sich aus eine Baugrube nach oben gearbeitet hat. Warum auch? Die Öffentlichkeit sucht er nicht. Im Gegenteil. Ein Foto von ihm am Bauschild an der Bocholder Straße? „Muss nicht sein.“ Zu einem Gespräch über sein Bauvorhaben erklärt er sich aber bereit.

Zehn frei finanzierte Mehrfamilienhäuser mit jeweils sieben bis zehn Wohnungen, jede zwischen 65 und 120 Quadratmeter groß, wird er auf dem ehemaligen Gärtnerei-Grundstück errichten. Bei zehn bis zwölf Euro werde die Kaltmiete liegen. Hinzu kommen zwei öffentlich geförderte Mehrfamilienhäuser mit jeweils elf Wohnungen.

Die Bewohner werden ihre Autos in Tiefgaragen parken, die Dächer ihrer Häuser werden begrünt. Außerdem entstehen auf dem Areal 13 Einfamilienhäuser, aufgeteilt in fünf Doppel- und drei Reihenhäuser und bis zu 150 Quadratmeter groß.

Wärme, Strom und ein Spielplatz

Die Mehrfamilienhäuser werden nach Angaben des Investors mit Erdwärme versorgt, teilweise auch mit Fernwärme. Die Einfamilienhäuser werden mit Luftwärmepumpen ausgestattet. Einige Gebäude, laut Investor zwischen sechs und acht, werden mit Photovoltaikanlagen ausgerüstet.

Bestandteil des Bebauungsplanes und des städtebaulichen Vertrages, den die Stadt mit der M&S Baugesellschaft geschlossen hat, ist neben dem Bau eines unterirdischen Regenrückhaltebeckens auch der eines Spielplatzes.

Die Eigenheime seien bereits alle verkauft, berichtet Sabancioglu. Zwischen 580.000 und 630.000 Euro hätten die Erwerber bezahlt, um ihren Traum von den eigenen vier Wänden in Bocholt zu verwirklichen.

Die komplizierte Entwässerung löst der Investor, in dem Oberflächenwasser zunächst in ein unterirdisches Regenrückhaltebecken und dann weiter in den Borbecker Mühlenbach geleitet wird. Schmutzwasser wird über einen Anschluss an den öffentlichen Kanal im Schölerpad entsorgt. Das Bauprojekt werde über Kredite von Banken finanziert, ein befreundeter Unternehmer investiert in die Erschließungskosten, so Sabancioglu.

Die Stadt Essen lässt sich ihrerseits die ökologische Aufwertung des kommunalen Grünzugs zwischen Kesselstraße und Bocholder Straße 230.000 Euro kosten. Die Politik spricht von einem „Musterbeispiel für doppelte Innenentwicklung“. In zwei bis drei Jahren, sagt Sabancioglu, sollen die neuen Häuser stehen.