Essen. Nicht aller Tage wird eine Kirche zu einem Wohnhaus umgebaut. In der St.-Marien-Kirche in Essen-Steele passiert das zurzeit. Ein Besuch vor Ort.

Es ist schon fast 14 Jahre her, dass in der katholischen Marienkirche in Steele die letzte Messe gelesen wurde. Doch der Gemeinde ist es gelungen, ihr einstiges Gotteshaus in der Buschstraße vor dem schleichenden Verfall und dem drohenden Abriss zu bewahren. Die 2008 entweihte Kirche – eine Landmarke im Stadtteil – wird zurzeit in ein Wohnhaus mit zwölf Eigentumswohnungen umgebaut und könnte beispielgebend auch für andere Kirchen im Stadtgebiet sein, die nicht mehr genutzt werden.

Nico Wilhelmi, Makler bei der Sparkasse, die die Wohnungen verkauft hat, erinnert sich nicht, dass es in Essen schon ein solches Projekt gegeben hat. Zumindest im Eigentumsbereich. Als die Sparkasse vor ein paar Jahren Bauträgern den Kirchenumbau angetragen hatte, winkten die meisten ab. Die Schlun-Gruppe aus Gangelt war das einzige Bauunternehmen, das sich das zutraute.

Schlun-Geschäftsführer Reinhard Kalker, Nico Wilhelmi von der Sparkasse und Dino Pillitteri, Geschäftsstellenleiter der Schlun-Gruppe (von links) stehen im ehemaligen Altarraum der St.-Marien-Kirche. Gut zu erkennen ist noch das Gewölbe über ihnen. In dem Raum, wird ein Schlafzimmer und ein Bad entstehen.
Schlun-Geschäftsführer Reinhard Kalker, Nico Wilhelmi von der Sparkasse und Dino Pillitteri, Geschäftsstellenleiter der Schlun-Gruppe (von links) stehen im ehemaligen Altarraum der St.-Marien-Kirche. Gut zu erkennen ist noch das Gewölbe über ihnen. In dem Raum, wird ein Schlafzimmer und ein Bad entstehen. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

„Wir fanden es spannend, aber haben uns natürlich auch erstmal gefragt, ob das mit Eigentumswohnungen geht“, sagt der Geschäftsführer der Schlun Projektentwicklung, Reinhard Kalker. Nun, fast zwei Jahre nach Beginn des Umbaus, weiß er: Es hat funktioniert. Alle zwölf Wohnungen sind schon vor der Fertigstellung verkauft worden. Die Bauarbeiten gehen auf die Zielgerade. Im Mai sollen die ersten Bewohner und Bewohnerinnen einziehen können. Wo zum Beispiel früher der Chorraum war, wird dann gekocht, gegessen und gemütlich auf der Couch ferngesehen.

Außenhülle der Kirche ist denkmalgeschützt

Die Marienkirche wurde vor ihrem Umbau als Kleiderkirche genutzt. 
Die Marienkirche wurde vor ihrem Umbau als Kleiderkirche genutzt.  © Schlun

Die Balance zwischen dem Erhalt des denkmalgeschützten ehemaligen Sakralbaus außen und moderner Wohnungen im Inneren war eine besondere Herausforderung. Ein Holzständerwerk und unzählige Trockenbauwände schneiden das ehemalige Kirchenschiff in kleinteilige Räume. Zahllose Kabel schlängeln sich über den noch offenen Boden im langgestreckten Hausflur. Nach rechts und links gehen die künftigen Wohnungstüren ab. Beim Betreten des einstigen Gotteshauses erinnert zunächst nichts an die vormalige Nutzung.

Einige Relikte sind in den Wohnungen jedoch erhalten geblieben. So sind Teile der farbigen Säulen und Kapitelle nicht einfach hinter Putz verschwunden. Auch einige Bleiglasfenster sind aus Denkmalschutzgründen erhalten geblieben und geben den Räumen etwas Besonderes. Wie zum Beispiel das Glasfenster, das einen Priester offenbar bei einer Taufszene zeigt, und die Wand über der künftigen Badewanne schmückt. Gesichert hat die Schlun-Gruppe auch eine der Kirchenglocken sowie das Taufbecken. Sie sollen später einen Platz im Garten erhalten.

Ein Teil einer Säule erinnert in dem künftigen Wohnzimmer an die frühere Nutzung als Kirche.
Ein Teil einer Säule erinnert in dem künftigen Wohnzimmer an die frühere Nutzung als Kirche. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Die Bauten im Inneren sind so ausgeführt, dass man das Gebäude theoretisch wieder zu einer Kirche zurückbauen könnte, auch wenn das eher unwahrscheinlich ist. Der Gemeinde, die beim Bau durchaus mitreden durfte, sei das wichtig gewesen, sagt Reinhard Kalker.

Die denkmalgeschützte Außenhülle durfte ohnehin kaum verändert werden, nur die Fensteröffnungen wurden vergrößert, um mehr Licht ins Innere zu lassen. Auch Balkone werden seitlich angesetzt – jedoch ohne in die Fassade einzugreifen. Die Dämmung der Wände liegt innen, um die äußeren Proportionen des Kirchenbaus nicht zu verändern.

Umbau der Kirche allein nicht wirtschaftlich

Entstanden sind so Wohnungen, die zwischen 50 bis 155 Quadratmeter groß sind und in der Regel über zwei Etagen gehen. Dass sie damit nicht barrierefrei sind, hat Käufer offensichtlich nicht abgeschreckt.

Trockenbauwände und Holzdecken unterteile das einstige Kirchenschiff. Hier zu sehen: der künftige Hausflur.
Trockenbauwände und Holzdecken unterteile das einstige Kirchenschiff. Hier zu sehen: der künftige Hausflur. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Der aufwändige Umbau hat seinen Preis: Im Schnitt kosteten die Wohnungen zwischen 3800 und 3900 Euro pro Quadratmeter. Die meisten Interessenten hätten sie als Anlageobjekte erworben und werden sie weiter vermieten, berichtet Nico Wilhelmi von der Sparkasse. Erste Mietverträge gebe es bereits.

Der Umbau der Kirche sei für die Schlun-Gruppe dennoch ein Nullsummenspiel, berichtet Reinhard Kalker. Die Verkaufserlöse deckten gerade die Investitionen, die Schlun vor zwei Jahren mit rund zehn Millionen Euro beziffert hatte. „Der Kirchenumbau allein rechnet sich wirtschaftlich nicht“, betont er. Allerdings kaufte die Schlun-Gruppe auch das benachbarte Gelände des ehemaligen Pfarrhauses und der Kita mit. Dort entstehen weitere 21 Wohnungen und fünf Einfamilienhäuser. Das macht das Projekt unterm Strich für das Unternehmen durchaus rentabel.

Der Kirchenumbau hat sich offensichtlich in Essen herumgesprochen und findet Beachtung. Reinhard Kalker berichtet davon, dass er bereits mit zwei weiteren Gemeinden im Essener Norden Gespräche führt. Noch ist nichts unterschriftsreif, daher hält er sich auch bedeckt, um welche Kirchen es sich dabei handelt.