Essen. Nach dem Lieferstopp seines Versorgers muss der Galvanikbetrieb Anke nun horrende Strompreise bezahlen. Die Folgen werden auch Verbraucher spüren.
Die Turbulenzen am Gas- und Strommarkt treffen nicht nur private Haushalte sondern bringen aktuell auch viele mittelständische Unternehmen zur Verzweiflung. Mario Wehner, Geschäftsführer des Galvanikbetriebes Anke, kann darüber aus eigener Erfahrung berichten. „Was sich da gerade am Markt abspielt, hat es in unserer 125-jährigen Firmengeschichte so noch nicht gegeben. Es ist unglaublich“, sagt der Chef von 65 Mitarbeitern.
Zum Jahresende ist der Stromvertrag des Unternehmens ausgelaufen. Der auf Großkunden spezialisierte Händler Kehag aus Oldenburg hatte Mitte Dezember die Vertragskündigung verschickt und nur wenig später am 31. Dezember die Belieferung eingestellt. Wenige Tage zuvor ging die Kehag schließlich in Insolvenz. Wehners Hoffnung, mit einer einstweiligen Verfügung den Lieferstopp noch abzuwenden, platzte damit. So wie Anke geht es derzeit vielen deutschen Mittelständlern, deren Verträge unverschuldet gekündigt wurden.
Dem Firmenchef ist es seither nicht gelungen, einen halbwegs bezahlbaren Anschlussvertrag mit einem anderen Stromlieferanten abzuschließen. Normalerweise strebt Anke Verträge über zwei bis drei Jahre an, um Planungssicherheit zu haben. Aber viele Energieversorger haben zuletzt die Preise kräftig erhöht und sind zudem wegen der unsicheren Marktlage alles andere als erpicht darauf, neue Kunden zu gewinnen.
Ersatzversorgung sprunghaft teurer
So berichtet Wehner nicht ohne leisen Groll, dass er zwar in die Ersatzversorgung des Grundversorgers Eon gefallen wäre, allerdings zu einem für ihn völlig inakzeptablen Preis. Bislang zahlte das Unternehmen etwas über 5 Cent für die Kilowattstunde Strom. Eon habe in der Ersatzversorgung einen Arbeitspreis von 46 Cent aufgerufen, also fast das Zehnfache.
Sei Januar lässt Wehner deshalb den Strom über einen Broker an der Energiebörse kaufen. Dort können die Preise jedoch stark schwanken, Verlässlichkeit gibt es nicht. Der Unternehmer hat die Rechnung für seinen stromintensiven Betrieb bereits aufgemacht: Wenn die Strompreise wie zu Jahresbeginn blieben, dann würde die Stromrechnung des mittelständischen Unternehmens dieses Jahr um rund eine Million auf 1,7 Millionen Euro steigen.
Unternehmen muss höhere Preise an Kunden weitergeben
Diese Kosten kann Wehner im eigenen Unternehmen nicht kompensieren. Ihm bleibe daher nichts anderes übrig, als die hohen Energiepreise an seine Kunden weiterzugeben. Das sind unter anderem die Lebensmittel-, die Kunststoff- oder die Stahlindustrie. Um 13 Prozent musste er seine Produkte teurer machen. „Letztlich aber landen die höheren Preise beim Endverbraucher, denn meinen Kunden bleibt auch nichts anderes übrig, als sie weiterzugeben“, glaubt Wehner.
Wehner sieht in der aktuellen Entwicklung auch ein staatliches Versagen. Er kritisiert, dass Lieferanten wie in seinem Fall die Kehag einfach den Markt verlassen können ohne eine Insolvenzversicherung zu haben. In der Reisebranche ist im Übrigen dies längst vorgeschrieben. In der existenziell wichtigen Energieversorgung dagegen nicht.
Essener Unternehmer fordert verlässliche Energieversorgung
Wehner hadert derzeit mit der deutschen und europäischen Energiepolitik generell. Diese gefährde den Wirtschaftsstandort Deutschland massiv. „Die Energieversorgung muss gesichert sein. Wir brauchen Verlässlichkeit“, fordert er.
Für diesen Rahmen müsse der Staat sorgen, doch Deutschland und die EU täten mit ihrer Ukraine-Politik und den Debatten um die Gaspipeline Nord Stream 2 gerade das Gegenteil. Auch die Gefahr, dass Deutschland künftig „grüngewaschenen“ Atomstrom teuer aus dem Ausland zukaufen könnte, wenn die Versorgung mit den Erneuerbaren Energien nicht ausreicht, sieht er mit Sorge. „Ohne eine sichere Energieversorgung kann ich als Unternehmen nicht kalkulieren“, mahnt Wehner.