Essen. Die Firma Anke will wachsen und zieht 2016 von Bergerhausen an den Stadthafen. Ein Lehrstück, wie schwer es für Produktionsfirmen ist, in Essen geeignete Flächen zu finden.
Die Baupläne für das neue Firmengebäude nehmen eine ganze Wand im Büro von Mario Wehner ein. Auf einer Computeranimation kann der Geschäftsführer der Anke GmbH & Co.KG bereits sehen, wie die neue Produktionshalle im Stadthafen aussehen wird – ein schicker Flachbau, der mit den jetzigen, teils über 100 Jahre alten, verschachtelten Produktionshallen auf dem ehemaligen Zechengelände an der Rellinghauser Straße nichts gemein hat. „Ja, auch die Mitarbeiter freuen sich auf den Umzug“, sagt Wehner.
Wenn alles wie geplant läuft, wird der Oberflächenveredler im kommenden Jahr von Bergerhausen nach Bergeborbeck umziehen und dann zwölf Millionen Euro am neuen Standort investiert haben.
Ein Quentchen Glück
Lange Zeit stand allerdings ein dickes Fragezeichen hinter der Frage, ob der alteingesessene Industriebetrieb überhaupt in Essen bleiben würde. Fast acht Jahre dauerte die Suche nach einem geeigneten Grundstück. „Und wir haben uns im gesamten Ruhrgebiet umgesehen“, unterstreicht Wehner. Zwischenzeitlich war auch Oberhausen im Gespräch.
Dass es Essen geblieben ist, sei zum einen der Hartnäckigkeit der Wirtschaftsförderung zu verdanken, sagt Wehner, die die Firma in der Stadt halten wollte. Zum anderen war ein Quentchen Glück dabei. Denn ursprünglich hatte der Energiekonzern RWE, dem das Grundstück gehörte, die Fläche als Eigenbedarf behalten wollen, schließlich aber doch verkauft.
Arbeit im Drei-Schicht-Betrieb
Anke ist ein typisches Beispiel dafür, wie schwer es Industriebetriebe in Essen haben, geeignete größere Flächen zu finden, wenn sie wachsen wollen. Auf der anderen Seite bietet Anke 62 Beschäftigten Arbeitsplätze überwiegend in der Produktion, wie es sie in der Stadt immer seltener gibt. Das Unternehmen verchromt bzw. vernickelt Oberflächen von Maschinenbauteilen, die u.a. in Windkrafträdern, Großbaggern oder in der Lebensmittelindustrie eingesetzt werden.
Weil bei der Galvanisierung u.a. umweltgefährdende Stoffe verwendet werden, muss die Firma hohe Auflagen erfüllen. Außerdem arbeitet sie im Drei-Schicht-Betrieb, erzeugt Lärm durch An- und Ablieferung. Daher braucht sie einen Standort, der als Industriefläche (GI) ausgewiesen ist. Doch davon hat Essen besonders wenige im Angebot. Am Stadthafen wird Anke die letzte aktuell verfügbare GI-Fläche über 20.000 Quadratmeter belegen, bestätigt die Wirtschaftsförderung.
„Die Old Economy zu halten, ist im Ruhrgebiet schwierig.“
Das Unternehmen produziert in der Rellinghauser Straße seit 1954 auf dem Gelände der ehemaligen Zeche Ludwig und hat dort Bestandsschutz. „Doch wir müssen hier weg. Wir gehören nicht hierher“, sagt Wehner. Die Wohnbebauung ist mit den Jahren an die Firma herangewachsen und bietet auch wegen der vorgeschriebenen Abstandsflächen keine Möglichkeit mehr, zu erweitern. Auch energetisch seien die Gebäude eine „Katastrophe“, sagt Wehner. Anke gehört ohnehin zu den besonders energieintensiven Unternehmen in der Stadt. Im Neubau werde man Energie schon deshalb sparen, weil die Abwärme aus der Produktion wieder zurückgewonnen und zum Heizen genutzt wird.
Wehner nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn er nach seinen Erfahrungen bei der Flächensuche gefragt wird: „Die Old Economy zu halten, ist im Ruhrgebiet schwierig.“ Er spüre die Angst und die Vorbehalte vor allem, „wovon Gerüche, Geräusche oder eine Gefährdung“ ausgehen könnten. Er habe nichts gegen die Ansiedlung von Dienstleistern, doch seine Firma biete Hochqualifizierten genauso Jobs wie weniger Qualifizierten.
Und er gibt auch an die Adresse der Politik zu bedenken: Wenn es in Europa keine Galvanikbetriebe wie Anke mehr geben würde, dann würde in Asien oder anderswo auf der Welt produziert, dann aber mit großer Wahrscheinlichkeit unter katastrophalen Bedingungen. „Und wenn wir weg sind, dann sind auch unsere Kunden hier weg“, meint er.