Essen. Das Buch „Die Afghanistan Papers“ ist jetzt in deutscher Sprache auf dem Markt. Welchen Anteil zwei Essener an dem politischen Band haben.
- Das Buch handelt von der Rolle der Amerikaner in Afghanistan.
- Bei der Übersetzung ist äußerste Präzision erforderlich.
- Für die Arbeit an dem Buch blieb nur sehr wenig Zeit.
Die Bilder vom Flughafen der afghanischen Hauptstadt Kabul, als Tausende versuchten, vor den Taliban zu fliehen, haben sich in das Gedächtnis vieler Menschen eingebrannt. Jetzt liegt ein Buch vor, das anhand einer Vielzahl an Dokumenten und Interviews die US-Politik scharf kritisiert. Den Band hat der preisgekrönte amerikanische Journalist Craig Whitlock verfasst, aber auch ein Essener Ehepaar spielt bei der Veröffentlichung eine wichtige Rolle.
Für den Auftrag blieben den Essenern nur drei Wochen Zeit
„Die Afghanistan Papers“, so der Titel, sind vor wenigen Tagen in Deutschland erschienen. Vor wenigen Wochen, als die Taliban längst an der Macht waren, meldete sich bei Ines Bergfort und Ralf Vogel der Econ-Verlag, der das Buch jetzt auf den Markt gebracht hat. Ob sie bereit wären, einen Teil vom Amerikanischen ins Deutsche zu übersetzen, lautete die Frage.
Seit über 25 Jahren sind die zwei als Übersetzer tätig, Dutzende von Büchern stehen auf ihrer Liste, zumeist allerdings aus den Ressorts Wirtschaft, Finanzen, Wissenschaft. Diese Anfrage war aber nicht nur eine Überraschung, weil es sich um ein politisches Buch handelt. Während sonst meist Monate bleiben, um einen Auftrag zu erfüllen, je nach Umfang des Buches auch schon mal ein halbes Jahr, standen dieses Mal gerade drei Wochen zur Verfügung. Der Verlag wollte den Band möglichst schnell nach dem Abzug der Amerikaner aus Afghanistan und dem Umsturz veröffentlichen. Der knappe Zeitkorridor konnte das routinierte Paar aber nicht schrecken.
Von Whitlocks jahrelanger Recherche hatte das Ehepaar zwar schon gehört, doch wie er genau vorgegangen ist und auf welchen Informationen seine Veröffentlichung beruht, das wollten und mussten die Übersetzer genauer wissen. Denn um den Text vom Amerikanischen ins Deutsche zu übertragen, seien Hintergründe und Zusammenhänge unerlässlich, betont Ines Bergfort und führt ein Beispiel an. Der Autor hat Interviews ausgewertet, die Wissenschaftler mit Soldaten, Diplomaten, Regierungsbeamten und Vertretern von Hilfsorganisationen geführt haben, die aus Afghanistan zurückgekehrt waren.
Schwierige Suche nach den passenden Begriffen
Aus dem Amerikanischen und Englischen
Ines Bergfort und Ralf Vogel haben Kommunikationswissenschaft studiert, sind seit 1992 verheiratet, haben drei Kinder und leben in Stoppenberg.Zumeist übersetzen sie Texte aus dem Amerikanischen oder Englischen ins Deutsche. Beide betonen, dass es nicht nur entscheidend sei, die Fremdsprache zu beherrschen, sondern auch die deutsche Sprache, um die Feinheiten herauszuarbeiten. Das Deutsche biete eine große Bandbreite, um möglichst genau und präzise arbeiten zu können.Eigentlich war eine Lesung im Rüttenscheider Geschäft „Buchkontext“ von Bernd Köster vorgesehen, wurde allerdings wegen Corona abgesagt. Mit dem Buchhandel im Girardethaus pflegt das Übersetzerpaar seit Jahren einen engem Kontakt. Das Geschäft bietet neben Romanen, Krimis und Kinderbüchern auch aktuelle Fachbüchern zu den Themen Arbeit, Politik und Wirtschaft an. Infos zum Buch: Craig Whitlock: Die Afghanistan Papers, 400 Seiten, Econ-Verlag, Übersetzung: Ines Bergfort, Ralf Vogel, Stephan Gebauer und Christiane Frohmann, 24,99 Euro, E-Book: 20,99 Euro.
Mal abgesehen davon, dass das Übersetzerduo „nicht geahnt hatte, welche Planlosigkeit des Einsatzes sich in dem Buch offenbart“, stand es vor einem ganz praktischen Problem, das sich bei Übersetzungen häufiger auftut: Belässt man feststehende Begriffe in der Originalsprache oder wählt man eine deutsche Entsprechung? Autor Whitlock bezieht sich beispielsweise oft auf sogenannte Lessons-Learned-Befragungen. Um herauszufinden, ob der Begriff bleiben kann oder nicht, recherchierten Ines Bergfort und Ralf Vogel und fanden heraus, dass es solche Befragungen auch in Deutschland gibt. Sie sind bei der Bundeswehr für Rückkehrer verpflichtend.
Ein ganz wesentlicher Unterschied besteht allerdings: Während sie hierzulande nur armeeintern ausgewertet werden, sind es in den USA ganz verschiedene Institute mit unterschiedlichen Zielen, die die Gespräche analysieren. Da das Verfahren also einen entsprechenden Status hat, verwenden Bergfort und Vogel wie auch die anderen zwei Übersetzer die amerikanische Bezeichnung.
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Das Buch habe sicherlich zur Folge, die Entwicklung am Hindukusch genauer zu verfolgen. Das sei auch gerade jetzt wichtig, da das Geschehen in Afghanistan eher wieder aus den Schlagzeilen verschwinde.
Auf der Referenzliste stehen namhafte Autoren
Dass die Namen von Übersetzern, wie in diesem Fall von Ines Bergfort und Ralf Vogel, in einem Buch erscheinen, ist verpflichtend. Zur Form gibt es keine Vorschriften. Deshalb wird immer wieder diskutiert, wie prominent die Namen der Übersetzer auftauchen, auf den Webseiten zum Buch, in Verlagsvorschauen oder bei Buchbesprechungen.
Wenn das Essener Paar über seine Arbeit spricht, wird deutlich, welchen Herausforderungen sich die beiden immer wieder stellen müssen. Stets habe man es mit sprachlichen Details und Feinheiten zu tun. Insbesondere bei wissenschaftlichen Texten sei Präzision gefordert. Das galt auch schon, als die Essener Mitte der 1990er Jahre mit Übersetzungen begannen und es sofort mit führenden Wirtschaftsautoren zu tun hatten, die – und da schließt sich der Kreis – auch durchaus politisch dachten.