Essen. Das Inventar des Essener Restaurants Drago ist am Wochenende verkauft worden. Dabei wurden Erinnerungen an so manchen Kunden wach.
Ganze Generationen haben im Essener Restaurant Drago an der Zornigen Ameise ihre Familienfeste gefeiert. Auch Promis kamen: Die Backstreet Boys, Atze Schröder, Udo Jürgens. Jetzt schließt das Restaurant. Zum Ausverkauf des Inventars standen die Kunden und Kundinnen am Wochenende Schlange.
Acht Monate Corona-Zwangspause, dann kam die Flut ins Essener Drago
Susanne Begič kramt in einem Karton. Die älteste Tochter von Gründer Drago ist seit der Restauranteröffnung 1984 dabei: „Unfassbar. Eine Ausgabe der Kölnischen Illustrierten von 1934, dem Geburtsjahr meines Vaters. Und hier, ein uraltes Foto meiner Oma als junge Frau. Das können wir doch nicht aus den Händen geben.“ Schnell wächst der Stapel mit den Dingen, von denen sich die 59-Jährige nicht trennen kann. Dabei hat sie schon etliche Dinge in das Mülheimer Restaurant der Familie Begič gerettet.
In Essen wird es nicht weitergehen. Acht Monate Corona-Zwangspause, dann kam die Flut: Das Restaurant konnte das nicht verkraften und bleibt jetzt für immer geschlossen. Zum Abschied wurde am Wochenende die gesamte Einrichtung bis auf die Küche verkauft. Christian Wegmann, Betreiber des Vintage-Möbelladens Platzhirsch an der Alfredstraße half dem Drago-Team: „Erst einmal haben wir drei Tage lang klar Schiff gemacht. Was da alles lagerte auf dem Dachboden, Wahnsinn.“
Drago-Restaurant in Mülheim bleibt geöffnet
Das ahnten wohl auch die Kunden und Kundinnen. Sabina Begič war geradezu perplex ob des Ansturms: „Um zehn Uhr wollten wir am Samstag loslegen, um neun Uhr hatte sich schon eine lange Schlange gebildet.“ Die Menschen stürmten das Restaurant und ergatterten Erinnerungsstücke. Schwester Susanne lächelt: „Der Samstag war echt heftig. Als Erstes haben wir einen riesigen Kristallleuchter verkauft.“
Der Renner sind alte Ansichten des Hauses, an Heimatkunde Interessierte reißen sich darum. Auf der Kegelbahn wurde eine Bildergalerie eingerichtet, die Gastronomin weist auf Nonne und Mönch, jeweils als Bild und als Figur: „Was ganz Besonderes. Das haben meine Eltern damals in Paris auf dem Flohmarkt gekauft.“
Das Restaurant leerte sich am Wochenende Stunde um Stunde, am Sonntagmittag fanden sich dort aber noch immer Leuchter, Geschirr, eine kleine Spielzeugeisenbahn, künstliche Blumen, Tierfiguren, Teddys, Puppen. Die beiden Schwestern haben gut zutun, müssen organisieren. Ständig haben die Helfer Nachfragen. In den Pausen kommen dann aber doch die Emotionen hoch. Viele treue Kunden hätten gesagt: „Das könnt ihr uns doch nicht antun.“
Sabina Begič ist immer noch gerührt: „Hier haben mehrere Generationen ihre Familienfeste gefeiert. Taufe, Kommunion, Hochzeiten. Ganz viele Stammkunden sind vorbeigekommen und haben ihre Erinnerungen mit uns geteilt. Darüber müsste man eigentlich ein Buch schreiben. Wir hatten zum Beispiel einen Gast, der war immer an sechs Tagen die Woche zum Mittagessen hier. Außer samstags, denn da war er beim Bruder eingeladen.“
Backstreet-Boys, Atze Schröder und Udo Jürgens zu Gast im Essener Drago
Drago-Kräuterbutter jetzt in Mülheim
Das letzte verbliebene Restaurant der Familie Begič befindet sich in Mülheim-Saarn am Uhlenhorstweg 2.
Dort gibt es auch die legendäre Drago-Kräuterbutter. Die Schwestern wurden am Wochenende gelöchert, ob denn auch die legendäre Drago-Kräuterbutter zu Verkauf stehe oder ob man zumindest das Rezept haben könne. Das sei geheim, sagt Susanne Begič: „Aber ich habe sofort in Mülheim angerufen und unsere Köche angewiesen, sich an die Produktion zu machen.“
Berühmte Gäste wurden auch begrüßt im Laufe der 37 Jahre. Die Backstreet Boys waren da, Atze Schröder, Udo Jürgens. Doch eines habe der Vater ihnen eingetrichtert, nämlich nie das Stammpublikum zu vernachlässigen: „Wirklich wichtig sind die Müllers, Meiers, Schmitts. Die müsst ihr mindestens genauso gut behandeln.“
Was wird nun mit all dem Zeug, das nicht verkauft wurde? Susanne Begič hebt die Schultern: „Das wissen wir noch nicht.“ Ihrer Schwester stockt fast die Stimme: „Wir möchten uns vor allem bedanken für die Treue unserer Gäste. Es war uns eine Ehre und Freude, hier für sie da zu sein.“ Sabine Begič kann das Aus noch nicht recht fassen: „Wir haben gedacht, dass wir ewig so weitermachen. Dass man uns hier tot raustragen wird.“ Unvermittelt dreht sich die sonst so fröhliche 52-Jährige um und wischt sich über die feuchten Augen.