Essen. Die „Stadt Essen“, das Flaggschiff der Weißen Flotte Baldeney, wird umgerüstet auf Elektro-Antrieb. Und das soll nur der Anfang sein.
Als Boris Orlowski im Sommer 2020 das Steuerruder der Weißen Flotte Baldeney übernahm, formulierte er als neuer Geschäftsführer gleich ambitionierte Ziele: Er habe den Ehrgeiz, dass die Weiße Flotte immissionsfrei auf dem Baldeneysee fährt. Die alten Fahrgastschiffe umrüsten vom stinkenden Diesel auf umweltfreundlicheren Elektroantrieb? Das klang nach dicker Hose. Eineinhalb Jahre danach zeigt sich: Das Kleidungsstück sitzt wie angegossen, schon im kommenden Jahr fährt die „Stadt Essen“ voll elektrisch.
Die Lux-Werft am Rhein rüstet die „Stadt Essen“ um auf Elektrobetrieb
Am vergangenen Freitag konnte Orlowski grünes Licht geben. Nach europaweiter Ausschreibung war die gesetzliche Einspruchsfrist abgelaufen, ohne dass jemand davon Gebrauch gemacht hätte. Die Lux-Werft in Niederkassel am schönen Rhein hat den Auftrag bekommen. Sie wird das Flaggschiff der Weißen Flotte umbauen.
Die „Stadt Essen“ ist bereits vor Ort, das Schiff, Baujahr 1986, erhält ein neues Innenleben. „Man wird es nicht wiedererkennen“, sagt Orlowski. Nun kommt ein Elektroantrieb dazu. Ab Mai soll das Fahrgastschiff wieder seine Runden auf dem Baldeneysee drehen, leise und geruchsfrei. Für die in die Jahre gekommene Weiße Flotte ist das ein Quantensprung.
Der Bund fördert die Umrüstung von zwei Schiffen mit 1,3 Millionen Euro
Möglich wird dies durch eine finanzielle Förderung des Bundes. 581.400 Euro schießt die Wasser- und Schifffahrtsbehörde zu, wodurch der finanzielle Eigenanteil der Weißen Flotte auf 140.000 Euro sinkt. Damit nicht genug. Auch für die Umrüstung der „Baldeney“ gibt es einen satten Zuschuss aus Berlin, sogar 617.400 Euro. Das Schiff soll nach Ende der kommenden Saison in die Werft, wo es ebenfalls mit einem Elektromotor ausgestattet wird.
Für zwei von drei Schiffen, konnte Orlowski damit Geld aus dem mit 25 Millionen Euro gefüllten Fördertopf loseisen. Nur für die „Heisingen“ gab es nichts. Dennoch zeigt sich der Chef der Weißen Flotte mehr als zufrieden. „Im nächsten Jahr versuchen wir es wieder.“ Sollte der neue Anlauf erfolgreich sein, bliebe nur noch die „Kettwig“ als einziges Schiff der Flotte übrig, das von einem konventionellen Dieselmotor angetrieben wird. Doch auch dafür hat Orlowski bereits Pläne. 2025 will er die „Kettwig“ verkaufen und dafür ein neues Schiff anschaffen. Eines, das bereits elektrisch fährt.
Die Weiße Flotte Baldeney steuert in Richtung Moderne
Die Weiße Flotte steuert damit vorneweg in Richtung Moderne. Orlowski verspricht sich davon einen gewaltigen Imagegewinn für die kleine städtische Tochtergesellschaft. Profitieren sollen aber allen voran Fahrgäste, Seebesucher und natürlich die Umwelt.
Seit 2017 mit Strom unterwegs
Seit 2017 unterhält die Weiße Flotte Baldeney bereits ein Schiff mit Elektroantrieb. Im Jahr der Grünen Hauptstadt wurde es unter dem Namen „Innogy“ in Betrieb genommen. Zuvor fuhr das 2006 vom Stapel gelaufene Schiff es als „MS Ratzeburg“ auf dem Ratzeburger See bei Lübeck – noch mit Dieselantrieb. Als „Leuchtturmprojekt“ des Grünen-Hauptstadt-Jahres wurde das Schiff auf E-Betrieb umgerüstet. Brennstoffzellen an Bord wandelten Methanol in Strom um. In geringen Mengen wurde der Treibstoff zu Anschauungszwecken in einem eigens dafür errichteten Mini-Kraftwerk am Baldeneysee hergestellt. Letztendlich bereiteten die Brennstoffzellen an Bord immer wieder Probleme. Strom tankt das Schiff, das inzwischen als „Westenergie“ unterwegs ist, seitdem aus der Steckdose.
Für den nötigen Strom wird bis zum Frühjahr gesorgt. Im Hafen der Weißen Flotte am Hardenbergufer wird der Versorger Westenergie eine 10-KV-Transformatorenstation installieren. Acht Stunden dauert es, bis ein elektrobetriebenes Fahrgastschiff wieder vollgetankt unter Strom steht. Die „Schnellladestation“ kostet übrigens 120.000 Euro, von denen das Land NRW 96.000 Euro übernimmt. Läuft.