Essen. Die Weiße Flotte Baldeney will auf Elektro-Antrieb umrüsten. Die „Stadt Essen“ könnte 2021 das erste Schiff sein – wenn Brüssel mitspielt.

Die Weiße Flotte gehört zur Stadt Essen wie der Baldeneysee. Und was gibt es Schöneres als eine Rundfahrt bei Sonnenschein auf dem Oberdeck? Läge da nicht der Duft von Schweröl in der Luft. Nein, umweltfreundlich sind sie nicht, die alten Dieselmotoren. Um ehrlich zu sein: Die „Stadt Essen“ und ihre Schwesterschiffe sind die reinsten Dreckschleudern.

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Boris Orlowski, seit Juni dieses Jahres Geschäftsführer der Weißen Flotte Baldeney , nennt das nicht mehr zeitgemäß. „Ich habe den Ehrgeiz, dass die Weiße Flotte als erste große Reederei immissionsfrei auf dem Baldeneysee fährt“, sagt er und will seine Schiffe umrüsten – auf Elektro-Betrieb. Schon im kommenden Jahr soll die „Stadt Essen“ zu Saisonbeginn mit Strom betankt über den See schippern. Die „Baldeney“ und die „Heisingen“ wären die nächsten, die ihren Diesel- gegen einen Elektro-Motor tauschen. Ob es so kommt? Dahinter steht noch ein Fragezeichen.

Toiletten, Fenster, Stühle, Klimatechnik – modernisiert wird nicht nur im Maschinenraum

Oberbürgermeister Thomas Kufen konnte Orlowski bereits von seinen Plänen überzeugen. Am Mittwoch wird Kufen den Rat der Stadt darum bitten, rund eine Millionen für das Projekt freizugeben. Einen entsprechenden Beschluss soll anschließend die Gesellschafterversammlung der städtischen Holding EVV fassen. Unter dem Vorbehalt, dass das Land NRW das Vorhaben fördert.

Das „Stadt Essen“, Baujahr 1979, soll als erstes Schiff auf Elektroantrieb umgerüstet werden.
Das „Stadt Essen“, Baujahr 1979, soll als erstes Schiff auf Elektroantrieb umgerüstet werden. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Rund eine Million Euro reichen für den Umbau nicht aus. Am Beispiel der „Stadt Essen“ macht die Weiße Flotte folgende Rechnung auf: 565.000 Euro würde ein Elektromotor kosten. 207.000 Euro kämen für die Modernisierung an Bord zusammen, für neue Toiletten, Fenster, Stühle, Klimatechnik und einen behindertenfreundlichen Zugang in den Salon. 425.000 Euro müsste das Land NRW zuschießen. Der Zuschuss für alle drei Schiffe beliefe sich damit auf 1.275 Millionen Euro.

Der Energiebedarf pro Schiff würde steigen, die Umweltbelastung trotzdem sinken

Die Weiße Flotte Baldeney erfülle die Voraussetzungen für die derzeit bekannten Förderrichtlinien, heißt es im Beschlussvorschlag für den Rat. Orlowski will die Gunst der Stunde nutzen, denn aus eigener Kraft könnte die Stadt das Projekt nicht finanzieren, der Haushalt gäbe es nicht. Als Geschäftsführer hatte er darauf gesetzt, die europaweite Ausschreibung den Umbau der „Stadt Essen“ in diesem Monat auf den Weg zu bringen. Noch ist jedoch offen, wann Geld fließen kann. Denn das Förderprogramm bedürfe der Zustimmung aus Brüssel. Noch hat die EU-Kommission die Förderrichtlinie nicht notifiziert. Eine entsprechende Mitteilung habe die Weiße Flotte vor wenigen Tagen vom Bundesverkehrsministerium erhalten. Der Zeitplan, er wackelt.

Die Umrüstung auf E-Betrieb wäre ein Imagegewinn für die „Weiße Flotte“. Ihrem Namen würde sie alle Ehre machen. Davon ist Orlowski überzeugt. Zwar erhöhen sich die Kosten für den Energiebedarf pro Schiff um 330 Euro pro Jahr, weil Diesel günstig ist und die Weiße Flotte steuerfrei tanken darf. Dafür sinkt der Ausstoß an umweltschädlichem CO2 um 51 Tonnen.

„Getankt“ würde übrigens ausschließlich Öko-Strom. Dafür will die Weiße Flotte an ihrem Hafen am Hardenbergufer eine Trafostation für 120.000 Euro aufstellen. 80 Prozent davon sollen ebenfalls aus Fördermitteln finanziert werden. „Vollgetankt“ könnte eine Schiff zwölf Stunden lang fahren, es wieder an den Stecker muss. Für Seerundfahrten auf dem Sonnendeck reicht das allemal.