Essen. Diskotheken sollen in NRW wieder schließen. Viele Essener Club-Betreiber sind sauer. Sie wehren sich gegen den Vorwurf, Pandemietreiber zu sein.

Die Getränkelieferung fürs Wochenende hat Roman Weiler, Chef des Delta Musikparks, vorsichtshalber schon mal abbestellt. Nachdem Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) vorzeitig angekündigt hat, Clubs und Diskotheken in NRW wieder zu schließen, in der Bund-Länder-Runde am Donnerstag aber noch ein Schwellenwert von 350 zur Debatte stand, herrscht bei den Essener Betreibern wieder einmal Unsicherheit bis zuletzt. Am Donnerstagmittag nicht zu wissen, ob man am Wochenende noch Gäste empfangen kann – für die Clubbetreiber im Land ist der Zwang zum kurzfristigen Reagieren in Zeiten der Pandemie fast schon zum Normalfall geworden.

Nicht nur Weiler ist deshalb mittlerweile ziemlich sauer auf die Politik, die seine Branche „als Pandemietreiber an den Pranger stellt“. Zu Unrecht, wie Weiler findet. Obwohl man in den vergangenen Wochen doch wieder viele „schöne Abende“ mit bis zu 75 Prozent Auslastung gehabt habe, sei bislang kein einziger Anruf vom Gesundheitsamt mit Hinweis auf Ansteckungen mit dem Coronavirus gekommen.

Schaut mit Sorge in den kommenden Wochen: Roman Weiler, Betreiber des Delta Musikparks in Essen.
Schaut mit Sorge in den kommenden Wochen: Roman Weiler, Betreiber des Delta Musikparks in Essen. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

Auch den Verweis der Landesregierung auf die Luca-App, die auf ein erhöhtes Infektionsgeschehen in Bars und Clubs hinweise, kann Weiler nicht nachvollziehen. Die App sei in Diskotheken bislang schließlich gar nicht Auflage gewesen und käme in den meisten Betrieben wie im Delta auch gar nicht zum Einsatz. „Wo kommen die validen Aussagen her, wenn man die Zahlen gar nicht hat“, klagt Weiler und fürchtet jetzt schon wieder einen monatelange Auszeit. Denn wenn man während der mittlerweile fast zweijährigen Pandemie etwas gelernt hätte, dann das: „Wir sind die ersten, die schließen, und die letzten, die wieder aufmachen dürfen.“

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Dabei habe sich der Betrieb mit der 3G-Regelung (geimpft, genesen oder getestet) in den vergangenen Wochen gut eingespielt, bestätigt auch „Turock“-Betreiber Peter Siewert. Von Coronafällen ist auch im Metal-Tempel am Viehofer Platz bislang nichts bekannt. Die strengen Kontrollen von Personal- und Impfnachweis „haben was gebracht“, glaubt Siewert. „Die mit einem Test kamen, waren ohnehin an einer Hand abzuzählen.“

Delta-Betreiber: 50 Prozent weniger Gäste durch 2G plus

Viele Delta-Gäste hätten sogar betont, dass sie sich extra hätten impfen lassen, um an den Wochenenden endlich wieder feiern gehen zu können, ergänzt Weiler. „Die Politik hat uns als Anreiz nutzen können“, sagt der Club-Betreiber. Die Einführung der 2G plus-Regelung aber habe zuletzt bereits für einen 50-prozentigen Besucherrückgang gesorgt. Bei den Gästen herrsche Verunsicherung.

Für Turock-Betreiber Peter Siewert spricht deshalb einiges dafür, in puncto Schließung „nun doch wieder Nägel mit Köpfen zu machen“. Denn: „Dann hat man zumindest eine Planungs-Perspektive.“ Clubbetrieb und verschärfte Kontaktbeschränkungen seien eben schwerlich zusammenzubringen. „Wir leben ja von Kontakten“, sagt Siewert. Obwohl die vergangenen Wochen gut gelaufen seien, glaube er nicht, „dass die Läden in den kommenden Wochen voll werden“. Zur Not müsse man weitere Überbrückungshilfen beantragen.

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Auch das Probleme des Personalmangels habe man sukzessive wieder in den Griff bekommen. „Im nächsten Frühjahr fangen wir jetzt wieder von vorne an“, fürchtet Roman Weiler. Das betont auch Eileen Kromberg, Betreiberin des „Lucy“ in Rüttenscheid: „Mich hat es unglaublich viel gekostet, diesen Club wieder ins Rennen zu bringen.“

„Lucy“ in Rüttenscheid hatte erst vier Tage wieder geöffnet

Kromberg hatte ihre Pforten gerade erst wieder geöffnet. Den Lockdown nutzte sie für Umbauten im Club, investierte über 150.000 Euro, um den VIP-Bereich zu vergrößern, einen neuen Boden und eine neue Lichtanlage einbauen zu lassen und die Hygienemaßnahmen umzusetzen. An nur vier Tagen war das „Lucy“ nach dem Lockdown geöffnet, nun droht die erneute Schließung.

Von der Politik fühlt sich Kromberg deshalb ausgebremst. Die 2G plus-Regel gelte erst so kurz, dass man unmöglich sagen könne, ob sie etwas bringe oder nicht. Außerdem kritisiert die Clubbesitzerin: „Die jungen Leute werden sich unkontrolliert privat treffen, wenn sie nicht in Clubs können.“ Zum Beispiel an Silvester – einem Termin, an dem das „Lucy“ schon ausgebucht sei.

Bastian Herzogenrath, Betreiber des „19 Down“ hat mit dem „Purple“ vor kurzem erst einen zweiten Club in Rüttenscheid eröffnet. „Mich würde eine Schließung ganz hart treffen“, sagt er. Besonders ungerecht finde er, dass man nun Clubs als Infektionstreiber ausmache, obwohl die Besucherinnen und Besucher an keinem anderen Ort so sorgsam überprüft würden: „Jeder muss durch die Einlasskontrolle.“ Darüber hinaus habe er rund 30.000 Euro in Belüftungsanlagen investiert, die verhindern sollen, dass das Virus sich im Club verbreitet. Ob er einen erneuten Lockdown überleben könne, hänge maßgeblich von den in diesem Fall zur Verfügung gestellten Überbrückungshilfen ab, sagt Herzogenrath. Fest stehe aber: „Der Frust sitzt tief.“