Essen-Altenessen. An der Emscherschule in Altenessen fehlen mehr als die Hälfte der Lehrerinnen. Eltern machen sich massive Sorgen um ihre Kinder.

Die Emscherschule in Essen ist eine einzügige Grundschule, es gibt jedoch zwei zweite Klassen. Drei von fünf Klassenlehrerinnen stehen derzeit jedoch nicht zur Verfügung, das Sekretariat ist nur einmal in der Woche besetzt, die Schulsozialarbeiterin in Elternzeit. Elternvertreter haben ihrer blanken Verzweiflung am Dienstag (16.11.) in der zuständigen Bezirksvertretung (BV) gegenüber Politik und Verwaltung Luft gemacht.

Eltern haben Hausaufgabenbetreuung an Essener Grundschule übernommen

„Die Missstände spitzen sich zu“, erklärte Elternpflegschaftsvorsitzende Judith Heckenbücker am Montagabend bei der Sitzung der BV. Die Kinder würden weinen und hätten teilweise Panikattacken, weil sie verunsichert und „nicht geerdet“ seien. Die Zweitklässler hätten im vergangenen Schuljahr aufgrund von Corona kaum Unterricht gehabt und seien verunsichert. Die Eltern fühlten sich ganz ähnlich: „Wir haben Angst, dass die Kinder chronische Folgeerkrankungen aufgrund der Situation bekommen“, so die Mutter eines Zweitklässlers.

Eigentlich sollten die Kinder an dieser Schule gar keine Hausaufgaben haben, diese Idee sei mittlerweile weit in den Hintergrund gerückt. Im Offenen Ganztag hätten die Eltern die Hausaufgabenbetreuung übernommen und auch am Nachmittag würden viele Mütter und Väter mit ihren Kindern über den Schulbüchern sitzen. „Die Zweitklässler haben derzeit zwei Stunden am Tag Unterricht“, erklärt Heckenbücker, die berufstätig ist und ihre Kräfte schwinden sieht.

Lehrerin an Essener Grundschule in der Probezeit wegen Fehlverhaltens entlassen

Man könne in dieser Situation nicht von Chancengleichheit sprechen, die Schule sei nicht führbar. Heckenbücker: „Was passiert, wenn jetzt noch ein Lehrer krank wird? Wir sind alle ausgelaugt.“ Damit meint sie nicht nur die Eltern und Kinder, sondern auch das verbleibende Personal, inklusive der Direktorin, die Lücken stopft, wo sie nur kann. „Wir können keinen qualifizierten Unterricht mehr geben“, hatte Direktorin Heike Tytko bereits in der vergangenen Woche erklärt.

Heike Tytko, Schulleiterin der Emscherschule in Essen: „Wir können keinen qualifizierten Unterricht mehr geben.“
Heike Tytko, Schulleiterin der Emscherschule in Essen: „Wir können keinen qualifizierten Unterricht mehr geben.“ © FUNKE Foto Services | André Hirtz

Ralf Groh, Abteilungsleiter des Schulamtes, erklärte in der Sitzung, dass in diesem Fall einige Faktoren ungünstig zusammengekommen seien. Bei einer einzügigen Schule könne man Vakanzen schlecht ausgleichen. Eine Lehrerin hätte man kürzlich in ihrer Probezeit „wegen Fehlverhaltens“ entlassen müssen, außerdem sei eine andere krank geworden. Mittlerweile seien zwei Lehrerinnen von einem anderen Standort – unter anderem der Altenessener Karlschule – für einige Stunden an die Emscherschule abgeordnet worden.

Zu viele freie Stellen an Schulen und zu wenige Bewerber

Unterm Strich gebe es aber viel zu viele freie Stellen und zu wenige Bewerber, erklärte Groh und bezieht das auf die ganze Stadt Essen. „Uns sind die Hände gebunden, wir können die Stellen nicht so besetzen, wie wir uns das wünschen.“ Angehende Lehrer und Lehrerinnen könnten sich nach dem Studium aussuchen, in welcher Stadt sie arbeiten. Es zeige sich, dass Essen auf der Liste oft nicht ganz oben auftaucht. Die Klassen seien in der Regel groß und die Gebäude nicht in bestem Zustand. Das sei beispielsweise in Wesel oder Soest ganz anders.

Studierende würden auch während ihres Studiums oft an Schulen aushelfen – so auch aktuell an der Emscherschule. Ihnen eine Vollzeitstelle anzubieten sei aber nicht sinnvoll, da sie dann ihr Studium womöglich nicht beenden würden.

Bei den Erziehern sei die Lage ähnlich: „Wir kämpfen um die wenigen, die sich anbieten“, so Groh. Die Situation sei misslich, die Stadtverwaltung könne aber nichts daran ändern.

Essener Politiker sind entsetzt über Situation an Grundschule

Ralf Groh hofft, dass die freie Stelle neu besetzt wird, die kranken Kolleginnen zurückkommen und sich die Lage dann entspannt.

Die Bezirksvertreter waren aufgrund der Situation und den Ausführungen relativ entsetzt: Karl-Heinz Kirchner (SPD) sprach von „Skandal“, Markus Spitzer-Pachel (Grüne) verdeutlichte: „Die Stadt sollte sich mit allen finanziellen und kreativen Mitteln für eine Lösung einsetzen. Wir bauen hier ein Problem auf, was sich in den nächsten Jahren, wenn die Kinder auf weiterführende Schulen sollen, fortsetzt.“