Essen. . Frauen sind häufiger abhängig von Medikamenten als Männer. Die Suchtberaterinnen von „Bella Donna“ in Essen haben die Hintergründe erforscht.
Zunächst verschaffen die Beruhigungsmittel eine Erleichterung. Nach schlaflosen Nächten und stressreichen Tagen finden die Frauen endlich etwas Entspannung. Doch manchmal wird aus der Gelegenheits-Pille eine Gewohnheit. Die Patientinnen kommen nicht mehr ohne klar, sondern benötigen immer mehr. Experten gehen davon aus, dass weit mehr Frauen als Männer abhängig von Medikamenten sind.
„Bislang wusste man wenig über die Hintergründe“, sagt Gabriele Klärs, Projektleiterin bei der Essener Beratungsstelle Bella Donna. Das soll sich ändern: Bella Donna hat im Auftrag des NRW-Gesundheitsministeriums das Forschungsprojekt „Medikamentenabhängigkeit von Frauen“ ins Leben gerufen.
Meist bleibt es nicht bei einem Medikament
Nach einem Jahr Projektarbeit hat das Bella-Donna-Team nun am Donnerstag Sucht- und Gesundheitsexperten aus ganz Nordrhein-Westfalen zu einem Austausch nach Essen eingeladen. Ihr Fazit: Meist nehmen die betroffenen Frauen nicht nur ein Medikament ein, sondern gleich mehrere. Häufig handele es sich um Schlaf- und Beruhigungsmittel, Antidepressiva oder Schmerzmittel. Frauen litten zudem eher unter Nebenwirkungen als Männer, und sie würden in ihrer Abhängigkeit allein gelassen.
„Oft sind die Frauen schlecht aufgeklärt über die Wirkung von Medikamente, über Therapien und Diagnosen“, sagt Gabriele Klärs. Bella-Donna-Geschäftsführerin Martina Tödte ergänzt: „Die Betroffenen bekommen wenig Hilfe. Selbst Ärzten bleiben die Nöte manches Mal verborgen, Gespräche kommen im Praxisalltag zu kurz.“ Hinzu komme, dass die Frau in einer Krisensituation nicht unbedingt auf die Hilfe des Partners bauen könne: „Wenn es um Abhängigkeiten geht, werden Frauen eher verlassen, während Männer eher umsorgt werden.“
20 betroffene Frauen haben über ihre Probleme mit Medikamenten gesprochen
Die Erkenntnisse der Beraterinnen beruhen auf intensiven Gesprächen. Einem Aufruf von Bella Donna, anonym und vertraulich über ihre Abhängigkeit zu sprechen, waren 20 Frauen im Alter zwischen 23 und 65 Jahren gefolgt, darunter auch zwei aus Essen. Schätzungen zufolge sind bis zu 2,6 Millionen Menschen in Deutschland abhängig von Medikamenten. 60 bis 70 Prozent davon sind demnach Frauen. „Im Gegensatz zur Einnahme von Drogen wird die Einnahme von Medikamenten schnell als legal verstanden, weil die Mittel ärztlich verschrieben werden“, sagt Klärs.
Bella Donna will die Ergebnisse der Studie nun direkt an das Gesundheitsministerium des Landes weiterreichen. „Wir hoffen sehr, dass sich die Situation für Frauen verbessert“, sagt Martina Tödte.
>> ES FEHLT EINE BERATUNGSEINRICHTUNG
- Während der Studie haben sich die Expertinnen von Bella Donna bestätigt gefühlt in ihrer These, dass es keine explizite Anlaufstelle für medikamentenabhängige Frauen gibt.
- Caritas und Diakonie fokussierten sich auf die psychosoziale Beratung, die „Suchthilfe direkt“ und Bella Donna eher auf Drogenmissbrauch. Bella Donna ist im Netz auf www.belladonna-essen.de zu finden.