Essen. Aggression gegen Ordnungskräfte nimmt zu. Körperkameras wirken deeskalierend und dokumentieren Einsätze. Die Polizei hat Erfahrungen gemacht.

Bedrohungen und Beleidigungen bis hin zu körperlichen Widerständen - die Umgangsformen im öffentlichen Raum lassen zunehmend zu wünschen übrig. Wer in Essen die öffentliche Ordnung und Sicherheit gegenüber manchen Zeitgenossen durchsetzen will, muss mittlerweile gut gerüstet sein, mental aber auch technisch: Zunehmende Aggressionen sind ein Grund für die Stadt, für mehr Sicherheit sorgen zu wollen. Die Ausstattung ihrer Einsatzkräfte soll weiter hochgefahren werden.

Nach Schutzwesten, Schlagstöcken und Tierabwehrsprays sollen künftig auch Bodycams zur Standardausrüstung des Kommunalen Ordnungsdienstes und der Außendienstmitarbeiter der Zentralen Ausländerbehörde (ZAB) gehören, die zuletzt in Corona-Hochzeiten jede Menge Straßenerfahrung sammeln durften.

Wie Ordnungsdezernent Christian Kromberg auf Nachfrage berichtete, könne das Vorhaben frühestens im kommenden Jahr umgesetzt werden - vorausgesetzt, die Politik stimmt zu und überplanmäßige Haushaltsmittel in noch unbekannter Höhe werden für die Anschaffung der Körperkameras bereitgestellt.

Alle Ordnungsdienstler müssen die Körperkameras wollen

Bis es soweit ist, seien jedoch „eine Vielzahl von Fragestellungen“ abzuarbeiten: von der Anschaffung über die Auswertung der aufgezeichneten Daten bis hin zur Klärung rechtlicher Bedingungen, ob und wann die Körperkameras zum Beispiel nicht nur im öffentlichen Raum, sondern zudem in Wohnungen eingesetzt werden dürfen. Neben Schulungen müsse es nicht zuletzt aber auch eine grundsätzliche Akzeptanz unter den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern geben. „Entweder tragen alle die Bodycams oder keiner“, stellt Kromberg klar.

Eine Rolle im Rahmen eines städtischen Pilotprojektes sollen auch die Erfahrungen der Essener Polizei spielen, die die nicht einmal handtellergroßen Geräte für ihr Personal im Wach- und Wechseldienst vor über einem Jahr in Betrieb genommen hat.

Viel Nachteiliges wird Kromberg da wohl nicht zu hören bekommen. „Es gibt eigentlich keine negativen Rückmeldungen“, sagt Polizeisprecher Pascal Schwarz-Pettinato.

Sequenzen dienen zur Beweissicherung in Strafverfahren

Das Innenministerium ist inzwischen überzeugt, dass allein schon das Mitführen beziehungsweise Einschalten der Bodycams deeskalierend wirkt - allerdings gelte dies nur eingeschränkt bei Personen, die unter Alkohol oder Drogen intus oder psychische Probleme haben.

So werden die Kameras im Einsatz immer zunächst gefahrenabwehrend genutzt. Je nach Entwicklung einer Lage dienen die Aufnahmen zudem der Beweissicherung in Strafverfahren, auch wenn Zweifel an einem rechtlich und taktisch korrekten Einschreiten der Beamten im Raum stehen wie zum Beispiel bei einer Tumultlage in Steele im Mai des vergangenen Jahres.

Kurze Videosequenzen von einer Auseinandersetzung mehrerer Dutzend Randalierer und Polizisten in einem Hinterhof versuchten in sozialen Netzwerken den Eindruck von übertriebener Staatsgewalt zu erwecken. Die Aufzeichnungen der Beamten-Bodycams lieferten am Ende jedoch ein ganz anderes Bild, das das komplette Geschehen und nicht nur einen bewusst gewählten Ausschnitt zeigte.

Dem elfjährigen Sohn Kokain in die Unterhose gestopft?

Der mutmaßliche Rädelsführer, der kurz zuvor auch an den Straßenschlachten zwischen syrischen und libanesisch-palästinensischen Familien im Hörsterfeld beteiligt war, soll seinem elfjährigen Sohn am Grendplatz ein Tütchen mit 4,4 Gramm Kokain in die Unterhose gestopft haben, um die Drogen vor der Polizei zu verbergen. Weil er wohl eine Durchsuchung des Kindes befürchtete, rief er lautstark Familienmitglieder zu Hilfe, bevor er wild fuchtelnd auf die Beamten zulief und schrie: „Die Familie hält zusammen!“

Das alles und auch, wie ihn die Polizisten schließlich zu Boden brachten, war auf den Videos dokumentiert und floss erschwerend in ein Gerichtsurteil wegen des brutalen Machetenangriffs im Hörsterfeld ein. Die VII. Strafkammer des Essener Landgerichts verurteilte den 31-Jährigen am Ende zu drei Jahren und neun Monaten Gefängnis.