Essen. Der Hospizdienst des Krupp-Krankenhauses hat Essens erste reine Männer-Trauergruppe begründet. Das ist das geplante Aktivprogramm.

„Männer trauern anders“ – davon ist der ambulante Hospizdienst des Alfried-Krupp-Krankenhauses überzeugt und hat deswegen Ende September Essens erste reine Männer-Trauergruppe ins Leben gerufen. Nach der Auftaktveranstaltung haben sich bereits 22 betroffene Männer angemeldet. Weitere Interessenten sind willkommen, das abwechslungsreiche Programm wahrzunehmen, das der Hospizdienst auf die Beine gestellt hat.

Männer wollen Gefühlen oft keinen Raum geben

Walter E., 55, hat vor einem Jahr seine Frau an Krebs verloren. Es ging damals so schnell, dass er und die beiden Söhne kaum Gelegenheit hatten, sich mit ihrem Sterben auseinanderzusetzen, es zu begreifen und liebevoll, aber auch offen und ehrlich, Abschied zu nehmen. Auch nach dem Tod der geliebten Frau und Mutter ist das Thema tabu, wird in der Familie nicht über den unermesslichen Verlust geredet. Stattdessen hat Walter E. sich innerhalb kürzester Zeit in eine neue Beziehung gestürzt und das gemeinsame Zuhause komplett umgestaltet, so dass die beiden Söhne schnell das Weite gesucht haben und ausgezogen sind.

Der Essener Koch Patrick Jabs ist Schirmherr der neuen Männer-Trauergruppe und wird mit den Teilnehmern einen Kochabend veranstalten.
Der Essener Koch Patrick Jabs ist Schirmherr der neuen Männer-Trauergruppe und wird mit den Teilnehmern einen Kochabend veranstalten. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Freunde und Verwandte reagieren oft fassungs- und verständnislos, doch ist dieses Verhalten ein Beispiel von vielen, wie Männer mit Trauer umgehen. „Sie agieren oft kopflos, rennen weg, wollen Gefühlen wie Schmerz und Trauer oder Wut keinen Raum geben. Ihnen ist nur wichtig, das erste Jahr irgendwie zu überleben; doch darüber sprechen wollen sie nicht“, sagt Harald Genge.

Thomas Achenbach ist Trauerbegleiter und hat mit seinem Buch „Männer trauern anders“ den Anstoß im Essener Hospizdienst gegeben, eine eigene Trauergruppe für Männer zu begründen. Zum Auftakt hielt Achenbach einen Vortrag im Krupp-Krankenhaus.
Thomas Achenbach ist Trauerbegleiter und hat mit seinem Buch „Männer trauern anders“ den Anstoß im Essener Hospizdienst gegeben, eine eigene Trauergruppe für Männer zu begründen. Zum Auftakt hielt Achenbach einen Vortrag im Krupp-Krankenhaus. © FUNKE Foto Services | Christof Köpsel

Deswegen ist der ehrenamtliche Trauerbegleiter in den herkömmlichen Gesprächskreisen meist allein unter Frauen. Warum das so ist, weiß der engagierte Christ auch: „Frauen sind einfach offener, können ihre Gefühle präziser ausdrücken und sind dadurch viel besser in der Lage, mit Trauer umzugehen.“ Das habe ihn dazu bewogen, sich gemeinsam mit Michaela Friedrich-Sikorski, Leiterin des ambulanten Hospizdienstes am Alfried-Krupp-Krankenhaus, Gedanken darüber zu machen, wie man Männer mit Verlusterfahrungen dazu bringen könnte, sich ihrer Trauer zu stellen und offen über ihre Emotionen zu reden.

Gemeinsames Radeln, Golfen, Wandern und Kochen

„In meiner Recherche stieß ich auf den Autor und Trauerbegleiter Thomas Achenbach, der einen Ratgeber speziell zu dem Thema geschrieben hat“, erzählt Harald Genge. Die Quintessenz des Buches habe ihn überzeugt: Statt nur zu reden, ergebe es für Männer mehr Sinn, in einer geschützten rein männlichen Gruppe gemeinsam aktiv zu sein, etwas Neues zu erleben, sich auszuprobieren. In diesen Zusammenhängen komme man dann auch eher ins Gespräch, so die Erfahrung von Achenbach.

Unterstützung in einem geschützten Umfeld

Die Gruppe ist offen für alle Männer mit Verlusterfahrungen, dazu gehören auch verwaiste Väter oder Sternenkinderväter.Die Trauerbegleiter unterstützen jeden Teilnehmer, seinen Weg so zu gehen, wie es für ihn sinnvoll erscheint, und das in einem geschützten Umfeld, in dem sich alle Teilnehmer zur Verschwiegenheit verpflichten.Die Männer-Trauergruppe wird durch Spendengelder u.a. der Kurt und Käthe Pressel-Stiftung und des Rotary Club Essen-Hellweg finanziert und ist für die Teilnehmer kostenfrei.Für das Treffen am Dienstag, 26. Oktober, 19 Uhr, im Alfried-Krupp-Krankenhaus (Alfried-Krupp-Straße 21) sind noch Plätze frei. Um 18 Uhr findet auch eine Zoom-Veranstaltung statt für alle, die keinen Platz mehr bekommen. Kontakt und Anmeldung: 0201 434-2513, hospizdienst@krupp-krankenhaus.de.

Also haben Harald Genge und seine Mitstreiter Günter Korb, Wolfgang Schmist und Dietrich von Wissell sich ein Aktions-Konzept für die neue Männer-Trauergruppe ausgedacht – und bieten den Betroffenen ein abwechslungsreiches Programm: So wird gemeinsam gewandert oder geradelt, gibt es einen Golfschnuppernachmittag, ein Anti-Aggressionstraining mit der Personaltrainerin Silke Kayadelen, einen Kochabend für Anfänger mit Fernsehkoch Patrick Jabs oder eine Weinprobe. Alles übrigens kostenlos für die Gruppe. „Egal, wen wir für die Aktionen angesprochen haben, alle haben sofort und spontan zugesagt“, freut sich Michaela Friedrich-Sikorski.

Essener Koch Patrick Jabs ist Schirmherr der Trauergruppe

Darüber hinaus konnte Patrick Jabs als Schirmherr der neuen Männer-Trauergruppe gewonnen werden: „Ich habe selbst einen guten Freund verloren und weiß, was Trauer ist“, sagt er und hofft, „dass trauernde Männer den Mut finden, zu uns zu kommen. Seine Trauer zu akzeptieren, ist ja schon ein erster wichtiger Schritt in Richtung Verarbeitung.“

Sein Wunsch hat sich erfüllt: Bereits bei der Auftaktveranstaltung mit Autor Thomas Achenbach war der Saal im Alfried-Krupp-Krankenhaus bis zum letzten Platz besetzt. Nun gibt es noch ein zweites Treffen am Dienstag, 26. Oktober, 19 Uhr. Und eine erste Aktion ist bereits datiert. „Willkommen sind alle Männer, die einen Verlust erlitten haben“, sagt Harald Genge und formuliert das Ziel der Gruppe: „Die Trauer ist nicht das Problem, Trauern ist die Lösung des Problems.“