Essen. Die enorm gestiegenen Spritpreise bringen die Unternehmen zunehmend in Bedrängnis. Warum das keine gute Nachricht auch für Verbraucher ist.

Der Blick auf die Zapfsäulen dürfte für viele Autofahrer mittlerweile zum Alptraum werden. Wie der ADAC meldete, erreichte Diesel am Sonntag im bundesweiten Durchschnitt mit 1,559 Euro ein neues Allzeithoch. Am Montag ging es dann an den Essener Tankstellen nochmals nach oben: Am Vormittag mussten Autofahrer im Stadtgebiet für Diesel zwischen 1,559 und 1,669 zahlen, Super kostete laut ADAC-Preisvergleich zwischen 1,739 und 1,869 Euro. „Im bin fast in Ohnmacht gefallen, als ich diese Preise am Montagmorgen gesehen habe. Wahnsinn!“, sagte der Essener Spediteur Markus Sander.

Denn nicht nur Privatleute ächzen derzeit unter den hohen Preisen an den Tankstellen, auch die Wirtschaft bringen sie zunehmend in Bedrängnis. Die meisten Unternehmen können die gestiegenen Kosten nicht auffangen und versuchen sie deshalb, auf ihre Kunden umzulegen. Für Verbraucher könnten Dienstleistungen und Produkte deshalb noch teurer werden.

Wie stark die hohen Benzinpreise die Essener Wirtschaft belasten, zeigt unsere Umfrage quer durch mehrere Branchen.

Taxiunternehmer Rolf Prosch wird deutlich: „Der Spritpreis ist im Moment eine Katastrophe und man kann nur hoffen, dass er nicht noch weiter durch die Decke geht.“ Prosch fährt bereits einen sparsamen Hybrid als Taxe. „Dennoch schlägt es natürlich ins Kontor.“ Eigentlich müssten nach Proschs Auffassung die Taxipreise weiter steigen, auch wenn „das nicht populär wäre“. Zwar sind sie erst vergangenes Jahr leicht erhöht worden, decken die Kosten aber nicht ab, sagt er. So einfach aber können die Taxiunternehmen nicht weiter an der Preisschraube drehen. Eine Erhöhung müsste beantragt, geprüft und politisch beschlossen werden. Eine kurzfristige Lösung ist es deshalb nicht. „Ich kann deshalb momentan nur eines tun: so spritsparend wie möglich zu fahren.“

Handwerk gibt hohe Benzinpreise an Kunden weiter

Wie Taxiunternehmer Prosch leidet auch das Handwerk unter den Höchstpreisen an der Tankstelle. Vor allem die Kunden dürften das spüren, denn die meisten Betriebe werden wohl versuchen, das ihren Kunden in Rechnung zu stellen. Für die sind Handwerksleistungen aufgrund der Materialknappheit ohnehin schon teurer geworden und nun kommt auch noch das Benzin hinzu.

Christian-David Bartsch von der Essener Tischlerei Gebr. Otto und Heinrich Müller Holzbearbeitung GmbH sagt klar: „Wir verlangen eine höhere Pauschale, die der Kunde zahlen muss, das können wir nicht auffangen.“ Wie stark die hohen Spritpreise das Unternehmen belasten, lässt sich aus diesen Fakten erahnen: Der mittelständische Handwerksbetrieb ist mit zwei Lkw in ganz Deutschland und in Österreich unterwegs, hinzu kommen drei Transporter und sechs Fahrzeuge für Monteure und Planer. Zusätzlich arbeitet die Tischlerei mit Speditionen zusammen. „Da kommen im Jahr mit Sicherheit um die Million Kilometer zusammen“, sagt Bartsch.

Als Verkehrsunternehmen ist die Ruhrbahn besonders betroffen. Erschwerend kommt hinzu, dass sie auch noch mit Passagierrückgängen wegen der Coronakrise kämpft. Pro Jahr braucht die Ruhrbahn rund acht Millionen Liter Diesel für ihre 280 Busse. „Aktuell liegt das Preisniveau für Diesel um 20 Prozent über dem aus 2019“, teilt eine Sprecherin mit. In diesem Jahr heißt das wohl Zusatzkosten von 400.000 Euro, die das Unternehmen schultern muss. Nächstes Jahr könnte es noch stärker ins Kontor schlagen: „Sollte sich diese Entwicklung verfestigen, gehen wir für das Jahr 2022 von einem Mehraufwand von rund 1,6 Millionen Euro gegenüber dem Jahr 2019 aus“, heißt es.

Auch Logistiker denken über Preiserhöhungen nach

Auch Jörg Mellis spricht von einer „außerordentlich angestrengten Lage“. Der Chef der Mellis-Gruppe, die stark in der Getränkelogistik vertreten ist und der außerdem der Mineralbrunnen „Schlossquelle“ gehört, hat 40 Lkw auf der Straße. 900.000 Liter Diesel verbrauchen diese im Jahr. Gerade in der Getränkelogistik bedeute der aktuelle Dieselpreis enorme Kostensteigerungen. „Die Rechnung können wir nicht für den Kunden bezahlen. Wir prüfen daher gerade, ob wir die Preise erhöhen müssen“, sagt Mellis.

Ähnlich ergeht es dem Spediteur Markus Sander. Auch er denkt über Preiserhöhungen nach, führt auch schon erste Gespräche mit Kunden, wie er sagt. Zu seinem Fuhrpark gehören 40 Fahrzeuge. Die Dieselkosten machen bei ihm etwa ein Fünftel der Gesamtkosten aus. „Wenn ich an den mit Kunden vereinbarten Preisen festhalten würde, dann geht das voll zu meinen Lasten“, beklagt er. Die Möglichkeiten, weiter Sprit zu sparen, sind ausgereizt. „Die Zitrone ist ausgepresst“, sagt Sander. Touren sind längst optimiert, die Fahrer auf spritsparendes Fahren trainiert. Bei den Personalkosten kann und will Sander auch nicht sparen. Die Personalnot ist ohnehin schon groß. „Dann hab ich vielleicht meinen Tank voll, aber keinen Fahrer mehr.“ Dass es bei dem enormen Wettbewerb nicht leicht sein dürfte, höhere Preise durchzubekommen, ahnt Sander. Er hofft jedoch auf die Einsicht seiner Kunden. Englische Verhältnisse wolle schließlich niemand.

Auch soziale Dienste bringen die hohen Spritpreise in Bedrängnis. Beim Deutschen Roten Kreuz ist es vor allem der medizinischer Transportdienst, der viele Kilometer im Jahr fährt, um beispielsweise Blutkonserven in die Krankenhäuser zu bringen. „Wir haben langfristige Verträge und können gar nicht kurzfristig gegensteuern. Das schlägt voll durch“, sagt der DRK-Vorstandsvorsitzende Frank Dohna. „Im Moment müssen wir die Aufträge zu den vereinbarten Konditionen abfahren. Das drückt uns schon sehr.“

>>> INFO: Tipps für Autofahrer:

Der ADAC rät, gerade jetzt die Spritpreise zu vergleichen. Allein im Stadtgebiet Essen gibt es Preisunterschiede von mehreren Cent. Am Montagmorgen beispielsweise betrug die Spanne sowohl bei Diesel auch auch bei Super-Benzin neun Cent. Einen Überblick liefert hier zum Beispiel der Benzinpreis-Vergleich des ADAC.

Außerdem hat der ADAC in einer Studie herausgefunden, wie sich die Preise in der Regel im Tagesverlauf ändern: „Morgens beginnt ab etwa 6 Uhr ein deutlicher Anstieg, der kurz nach 7 Uhr seinen Höhepunkt erreicht. Anschließend fällt der Preis, um nach 9 Uhr wieder spürbar anzuziehen. Im Tagesverlauf folgen weitere Preisspitzen gegen 10, 13, 16, vor 18 Uhr, vor 20 Uhr und schließlich ab 22 Uhr. Regelmäßig am niedrigsten liegen die durchschnittlichen Kraftstoffpreise zwischen 18 und 19 Uhr sowie zwischen 20 und 22 Uhr.“