Essen/Mülheim. Durch die Coronakrise hat die Ruhrbahn Kunden verloren – viele offenbar auf Dauer. Wie das Verkehrsunternehmen den Trend wieder umdrehen will.
Die Coronakrise ist noch nicht vorbei, das spürt auch die Ruhrbahn. Im Vergleich zum Vor-Corona-Jahr 2019 ist das Fahrgastaufkommen aktuell auf 82,5 Prozent gesunken, das heißt, es gibt derzeit immer noch fast ein Fünftel weniger Fahrgäste als damals. Den Tiefpunkt hatte das Nahverkehrsunternehmen bedingt durch den Lockdown im März 2020 erreicht; da waren es nur 28 Prozent. Seitdem ging es zwar tendenziell bergauf.
Überwunden aber ist die Krise aber noch lange nicht, wie Vorstand Michael Feller einräumt. Die Ruhrbahn will nun verlorenes Vertrauen zurückgewinnen und mit flexiblen Ticket-Angeboten auch neue Kunden für sich begeistern.
Die Zahl der Ruhrbahn-Abonnenten ist auf 85.600 zurückgegangen
„2019 waren wir klar auf Expansionskurs“, so Feller im Rückblick. Rund 101.000 Abonnenten bedeuteten einen neuen Rekord. Auch diese Zahl ist eingebrochen. Aktuell zählt die Ruhrbahn 85.600 Abonnenten. Immerhin: Seit August steigt auch diese Zahl wieder.
Als ein Hindernis hat die Ruhrbahn die Maskenpflicht identifiziert. In Bussen und Bahnen und auch an den Haltestellen müssen Kunden nach wie einen Mund-Nasen-Schutz tragen – anders als beispielsweise in einem Restaurant. Feller spricht von einer Ungleichbehandlung, will aber einem Ende der Maskenpflicht nicht das Wort reden: „Das wäre verfrüht. Niemand weiß, was im Herbst auf uns zukommt.“ Und: In einer Umfrage des Verkehrsverbundes Rhein-Ruhr (VRR) von August gaben immerhin 87 Prozent der Befragten an, dass sie Angst haben, sich im öffentlichen Personen-Nahverkehr mit dem Coronavirus zu infizieren.
Eine Umfrage unter Bürgern in Essen und Mülheim stimmt die Ruhrbahn optimistisch
Optimistisch stimmt die Ruhrbahn aber die Ergebnisse einer Umfrage unter 900 Bürgern in Essen und Mülheim. 89 Prozent erklärten, für sie sei der ÖPNV unverzichtbar. 60 Prozent gaben an, dass sie durch die Coronakrise keine Auswirkungen auf ihr persönliches Verhalten erwarten, also Bus und Bahn weiter nutzen wollen. Der Umkehrschluss, dass nämlich 40 Prozent dies sehr wohl erwägen oder sogar entschlossen dazu sind, ist allerdings kein kleiner Anteil. 19 Prozent wären bereit ein Abonnement abzuschließen.
Die Befragten formulierten aber auch klare Erwartungen: Aktuelle Hygienestandards müssten auch nach Corona beibehalten werden, was Feller zusagt. Die Bürger wünschen sich außerdem mehr Platz in den Fahrzeugen und an den Haltestellen sowie ein verbesserte Angebot bei Linien und Taktzeiten.
Mehr Fahrgäste verspricht sich die Ruhrbahn von der Inbetriebnahme der City-Bahn 2025
Viel verspricht sich die Ruhrbahn von neuen, flexibleren Tarifmodellen. So wird der VRR ab Dezember ein Entfernungstarif anbieten. Abgerechnet werden die zurückgelegten Kilometer. Anfang kommenden Jahres kommt das VRR-Flexticket auf den Markt. Vergleichbar mit einer Bahncard gewährt es dem Nutzer Rabatte.
Zusätzliche Kunden erwartet die Ruhrbahn vor allem durch die City-Bahn. Die neue Straßenbahnlinie soll von Huttrop am Hauptbahnhof vorbei durch den Krupp-Gürtel bis nach Bergeborbeck führen und 2025 ans Netz gehen. Der Anteil der Fahrten, die in Essen mit den ÖPNV zurückgelegt werden soll dadurch auf 22 Prozent steigen, 19 Prozent waren es 2018. Die coronabedingte „Delle“ wäre dann Geschichte.
20 Millionen Euro Verlust
Dank der finanziellen Unterstützung von Bund und Land ist die Ruhrbahn laut Vorstand Michael Feller finanziell unbeschadet durch die Coronakrise gekommen. Ein Verlust von rund 20 Millionen Euro wurde durch öffentliche Hand ausgeglichen. Noch 2019 hatte die Ruhrbahn Einnahmen in Höhe von 109 Millionen Euro erzielt. Für 2021 erwartet das Nahverkehrsunternehmen rund 89 Millionen Euro. Sicher ist laut Feller, dass es ab 2022 keinen finanziellen Ausgleich für coronabedingte Verluste mehr geben wird.
Erklärtes politisches Ziel ist ein ÖPNV-Anteil von 25 Prozent. Michael Feller hält dies für realistisch, wenn das Liniennetz weiter ausgebaut wird zum Beispiel bis zum Stadion Essen und von dort weiter über Vogelheim bis nach Bottrop.
Der Ausbau des Netzes kostet Geld. Will der Bund seine Klimaschutzziele erreichen, müssten bundesweit 50 Milliarden Euro zusätzlich in den öffentlichen Nahverkehr investiert werden, so der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen. Der Zuschussbedarf pro Fahrgast stiege rechnerisch von heute 120 Euro auf rund 300 Euro. „Weder wir als Verkehrsunternehmen, noch die Kommune werden das leisten können“, so Feller. Gefordert seien das Land und der Bund, ganz gleich auf welche Koalition sich die Parteien in Berlin verständigen.