Essen. Mitarbeiter im öffentlichen Dienst in Essen erleben mehr Anfeindungen und Angriffe während ihrer Arbeit. Der DGB will das nicht länger hinnehmen.
„Ich schaffe Ordnung im Viertel, und Du hetzt deinen Hund auf mich?“. Die blonde Frau, die auf dem Ausstellungsplakat im Foyer des Rathauses zu sehen ist, arbeitet zwar nicht im Essener Ordnungsamt. Was sie anprangert – den fehlenden Respekt, der ihr auf der Straße entgegenschlägt – der gehört jedoch auch für Essener Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des städtischen Ordnungsdienstes zum Alltag.
Auf dem Plakat könnte genauso gut Andre Stryk (46) zu sehen sein. Er ist seit 15 Jahren im Streifendienst des Essener Ordnungsamtes unterwegs. „Ich bin schon bespuckt, beleidigt und als Nazi beschimpft worden“, erzählt er. Beleidigungen, dumme Sprüche gehörten mittlerweile zur Normalität, wenn er nach Recht und Ordnung schaut. Die Handschellen, die er früher selten brauchte, klicken heute regelmäßig. Den Schlagstock – die Ultima Ratio in Konfliktsituationen – musste er schon zwei Mal benutzen. Stryk trug in diesen Einsätzen Stauchungen und Prellungen davon.
Streifendienst erlebt im Corona-Jahr mehr Übergriffe
Als Andre Stryk 2006 seinen Dienst antrat, da war er nur mit Handschellen und Hundeabwehrspray unterwegs. Mehr gehörte nicht zu seiner Ausrüstung im Streifendienst. Heute trägt er schwarze Kleidung („die macht mehr her“), eine schuss- und stichsichere Weste, Schlagstock, große Handschellen und Reizgas. Und nicht nur bei der Ausstattung ist aufgerüstet worden, sondern auch personell. Waren es bei Stryks Berufseinstieg noch zwölf Mitarbeiter im Streifendienst, sind es heute über 40.
Angriff auf Essener Friedhof-Chef- Sechs Männer beschuldigt„Unsere Aufgaben haben sich aber auch verändert“, betont sein jüngerer Kollege Daniel Porepp Galiano. Das Ordnungsamt hat heute deutlich mehr damit zu tun, was früher die Polizei erledigte. Nur, das würden viele Bürger nicht wissen. Daraus ergäben sich Missverständnisse und auch Aggressivität nach dem Motto: Was wollt ihr? Ihr dürft das gar nicht! Im Corona-Jahr 2020 hätten die verbalen wie tätlichen Angriffe gefühlt noch einmal zugenommen, wenn die Streifenbediensteten auf die Einhaltung der Regeln pochten. „Das hat nicht jedem gefallen“, sagt Stryk.
Gewalt trifft Mitarbeiter vieler Ämter in Essen
Was der 46-Jährige schildert, so ergeht es vielen Beschäftigten im öffentlichen Dienst. In einer bundesweiten Umfrage des DGB gaben zwei Drittel an, dass sie in den vergangenen beiden Jahren während ihrer Arbeit beleidigt, bedroht oder angegriffen wurden. Ordnungsamtsmitarbeiter stehen dabei freilich allein wegen ihrer Aufgaben verstärkt im Fadenkreuz. Aber im Grunde zieht sich das durch alle Ämter“, betont Kai Uwe Gaida, der als Personalratsvorsitzender die Interessen der knapp 10.000 städtischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vertritt.
Jobcenter, Sozialamt, Bäderbetriebe, Bürgeramt, Zulassungsbehörde, Bauamt, selbst im Friedhofswesen seien die Mitarbeiter nicht mehr sicher vor Anfeindungen und Übergriffen, beklagt Gaida. Mittlerweile landet mindestens ein Fall pro Monat auf seinem Tisch, bei dem es zu Übergriffen in einem Amt gekommen ist. Wenn Gaida davon erfährt, dann ist es schon ein schwerwiegenderer Fall. Gezählt werden die Vorfälle in der Stadtverwaltung nicht. Aber aus seiner langen Erfahrung sagt Gaida: „Die Verrohung hat zugenommen. In manchen Bevölkerungskreisen hat man das Gefühl, es ist hip geworden.“
Plakatkampagne in der Essener Stadtverwaltung
Der DGB will die Gewalt gegen allen Berufsgruppen im öffentlichen Dienstleistungssektor - dazu zählen genauso Feuerwehrleute, Müllfahrer, Polizei und Busfahrer – nicht mehr einfach hinnehmen und prangert sie öffentlich an. In ihrer Wanderausstellung, die derzeit in Essen Station macht, fordert die Gewerkschaft Respekt ein. „Vergiss nie, hier arbeitet ein Mensch“, steht groß als Losung auf den ausgestellten Plakaten.
In der Stadtverwaltung gibt es bereits seit Anfang 2020 eine ähnliche Plakatkampagne. In allen Ämtern hängt seither in den Eingangsbereichen die klare Ansage: „Die Stadtverwaltung ist eine gewaltfreie Zone.“ Ob es etwas gebracht hat? „Fragen Sie mich in fünf Jahren“, sagt Gaida.
Mehr Informationen zur Ausstellung
Die Ausstellung „Vergiss nie, hier arbeitet ein Mensch“ ist im Foyer des Rathauses zu den Öffnungszeiten des Rathauses zu sehen. Sie macht noch bis zum 22. Oktober in Essen Station. Die dort ausgestellten Plakate sollen später in kleineren Formaten in den Ämtern aufgehängt werden.