Essen. Klarer Anschlag und kluges Konzept beim Auftritt in Essen: Warum Víkingur Ólafsson ein Künstler ist, von dem man sicher noch viel hören wird.

Mozart, das Genie, die anderen die Kleinmeister. Solche Vorurteile verschwinden, hört man den vergötterten Wolfgang Amadeus im Kontext seiner Zeitgenossen. Der Pianist Víkingur Ólafsson hat dafür bei seinem Debüt-Konzert in der Philharmonie Essen ein verblüffendes Beispiel parat: Zur Eröffnung spielt er ein „Andante spiritoso“ aus einer unbekannten f-Moll-Sonate des venezianischen Opernkomponisten Baldassare Galuppi. Danach, ohne Pause, das F-Dur-Rondo KV 494 Mozarts. Und siehe da: Galuppis elegisches melodisches Fortspinnen und Eintrüben klingt, als wäre Mozart am Werk. Mozart und Galuppi sprechen auf Augenhöhe miteinander.

Das Programm ist sorgsam aufgebaut im Wechsel von Tonarten und Stimmungen

Den ganzen ersten Teil seines bejubelten Abends spielt Ólafsson an einem Stück, sorgsam aufgebaut im Wechsel von Tonarten und Stimmung und verknüpft durch innere Beziehungen. Eine Auftaktfigur in Carl Philipp Emanuel Bachs d-Moll-Rondo etwa kommt im Menuett von Joseph Haydns h-Moll-Sonate ähnlich wieder. Und Mozarts „kleine Gigue“ KV 574 ist ein bewusster Gruß an Vater und Sohn Bach, von denen der wissbegierige junge Mann viel gelernt hat.

Dazwischen schiebt Ólafsson zwei Sonaten des ebenfalls vor allem als Opernschöpfer bekannten Domenico Cimarosa: dunkel verhaltenes Moll, vom Pianisten selbst mit Akkorden zwischen Bass und Melodielinie aufgefüllt und im Tempo verbreitert. Aus der unbeschwerten Tastenspielen Cimarosas werden nachsinnende Momente des Innehaltens.

Víkingur Ólafsson in Essen: Die Töne schneiden zuweilen wie Scherben

Ólafsson pflegt einen spitzen, klaren Anschlag: Die Töne schneiden zuweilen wie Scherben, aber neben das blitzende Kristall setzt der Isländer schimmerndes Opal- und weiches Milchglas. Mozarts spätes h-Moll-Adagio KV 540 kleidet er in zart schimmernde Melancholie; Franz Liszts Bearbeitung von „Ave verum corpus“ entführt mit seiner innerlichen Langsamkeit in transzendente Welten. Da flutet die Romantik Mozarts Welt.

Das begeisterte Publikum erklatschte sich drei Zugaben von Bach, Philip Glass und dem genialen Harmoniker Jean-Philippe Rameau. Nachzuhören ist das Programm – und einiges mehr – auf der neuen, viel gelobten CD Víkingur Ólafssons. Ein Künstler, von dem man sicher noch hören wird.