Mülheim. Zusammenwächst, was – auf den ersten Blick – nicht zusammengehört: In einem bemerkenswerten Auftritt von Víkungur Ólafsson.
Die musikalische Schnittmenge zwischen Jean-Philippe Rameau und Claude Debussy erscheint überschaubar: Was verbindet den französischen Barockmeister mit dem federführenden Impressionisten? Der isländische Pianist Víkungur Ólafsson ist bis in multimediale Projekte dem Reiz des Ungewöhnlichen auf der Spur und fand ihn jetzt in einem Programm, das beide Komponisten geradezu symbiotisch zusammenbrachte und das frisch gepresst auf CD vorliegt.
Mit „Debussy.Rameau“ bereicherte Ólafsson nun auch das Klavier-Festival Ruhr in der für Coronaverhältnisse ausverkauften Mülheimer Stadthalle. Seine Auswahl aus den Préludes und Estampes sowie den „Livres des pièces de clavecin“ setzte der Pianist nicht in zwei Blöcke hintereinander, sondern verschachtelte sie ohne Zäsuren (und Zwischenapplaus) im Epochen-Hopping zu einer kompakten Stunde Klaviermusik vom Feinsten – „aus tiefstem Herzen“, wie Intendant Franz Xaver Ohnesorg den Mittdreißiger ankündigte.
Beim Klavierfestival Ruhr bot Víkungur Ólafsson einen bemerkenswerten Abend
Tatsächlich trafen sich die Komponisten bei Ólafsson in Ausdruck und Klangmalerei. War das noch Rameau oder schon Debussy? So mochte sich mancher fragen, als die fein gesponnene „Unterredung der Musen“ in körperlose „Spuren im Schnee“ überging. Was den skurrilen Kontrast freilich nicht ausschloss: So beantwortete der Pianist die sublimen Arpeggio-Schleier in Debussys „Ondine“ mit den gackernden Tonrepetitionen von Rameaus „La Poule“ - hatte Saint-Saëns da später abgeguckt?
Ólafsson reihte eine Preziose an die andere. Er arbeitete die Bachische Linearität plastisch bis in die brillant gedrehten Triller heraus, formte mit sensibler Anschlagskultur und Wärme bezwingende Charakterminiaturen. Mucksmäuschenstill war’s im Saal, man hätte viel länger zuhören können. Zum Abschied noch ein melancholisches „Ave Maria“ als Gruß aus der isländischen Heimat.