Düsseldorf. Ein Ende mit überraschendem Schrecken, zuvor mächtige Längen. Michael Schulz’ Regie-Einstand mit Mozart an der Rheinoper hat merkliche Schwächen.
So oft uns Regiearbeiten bekümmern, die den großen Geschichten nicht mehr über den Weg trauen, bei Mozarts „Titus“ ist Skepsis angebracht. Ein Mann an der Spitze einer Weltmacht, umgarnt von Intrigen, Ziel eines Attentates, dazu schändlichst betrogen von seinen besten Leuten – und doch bis zum Schluss sanft wie eine Taube?
So sättigt Michael Schulz (Intendant des Musiktheaters Gelsenkirchen) im Regie-Debüt an der Rheinoper das milde Ende mit einer grausigen Fortsetzung, die nicht im Buche steht. Noch einmal erklingt die Ouvertüre, und der Titelheld von Mozarts letzter Oper „La clemenza di Tito“ schleicht sich aus der Tür, während seine Militärs die Erschießung jener Widersacher erledigen, denen er selbst eben noch den Schein der Gnade geschenkt hat.
Der Intendant des MiR Gelsenkirchen gab sein Debüt als Regisseur an der Rheinoper
Die Schüsse am Ende sind ein satter Knalleffekt, die Inszenierung stellt ihm viel Konvention voran. Um es höflich zu sagen: Das Premierenpublikum folgte dem Geschehen weitgehend sediert. Dass dieser Abend szenisch kein Ereignis ist, wird man indes nicht nur einem erfahrenen Regisseur wie Michael Schulz anlasten können. Dass diese Oper im 19. Jahrhundert kaum gespielt wurde, begründet auch ihre schwachbrüstigen Anlage: In „Titus“ (Auftragswerk und Vorschusslorbeer zur Krönung Leopolds II, in Prag) wird allzu oft gesprochen: was geschah, geschieht, geschehen sollte. Und allzu durchsichtig steht das Personal für reine Funktionen.
Schulz ist guten Willens, das Alte Rom samt Kapitol-Zündelei als Gleichnis über Personenkult und Inszenierung der Macht zu adeln, auch über das Bild, das vom anderen zu machen, wir nicht müde werden. Aber das ersehnte, erstrebte „psychologische Kammerspiel“ (Schulz über Mozart) lösen diese Zweidreiviertelstunden selten ein.
Michael Schulz inszeniert Mozarts „La clemena di Tito“: Geistesblitz und lange Weilchen
Nicht, dass charmante Momente der Erkenntnis fehlten: Einen Augenblick lässt Schulz Publio den Lorbeer des Kaisers tragen – ein Schock für den Hauptmann: Wie anders die Welt aussieht unter dem Goldlaub der Allmacht! Aber solchen Geistesblitzen stehen lange Weilchen gegenüber. Optische Variationen fehlen: Der mausgraue Einheitsraum (Dirk Becker) mit frisch eingetrudelten Herrscher-Büsten samt Galerie ist als Machtzentrale nicht ohne Beliebigkeit. Renée Listerdals Kostüme warten mit hübschhässlichen Farben auf.
So halte sich, wer kann, an die Musik eines Werkes, in dem Mozart sich 1791 kurz vor seinem Tod nicht selten selbst zitiert. Ziehen wir nicht wenige Abstimmungsmakel zwischen Orchestergraben und Bühne ab, dirigiert Marie Jacquot mit Düsseldorfs Symphonikern bei nicht sehr schlüssigen Tempi einen soliden, keineswegs aber hochgespannt elektrisierenden Mozart.
Den Abend in Düsseldorf retten vor allem starke Sängerinnen
Nobel schwebt der Opernchor über dem Drama. Jussi Myllys in der Titelrolle fehlt Glanz in der Stimme, aber sein Tenor vereint mit Nachdruck Poesie und Autorität. Der Lorbeer (!) den Damen: Maria Kataeva erfühlt die Bombenrolle des Sesto bravourös, ihr Mezzosopran hat Glut, im Kern schimmert herrliches Edelmetall. Anna Harvey ist im gleichen Fach ein Gegenüber betörend wohlklingender Melancholie. Und Sarah Ferede stürzt sich mit Lust in die Furien-Arien der Vitellia.
Am Ende freundlicher Beifall für die Musici. Für die Regie eine Handvoll Buhs – selbst sie klangen matt.
Termine: www.operamrhein.de