Essen. Wohnen wird auch in Essen teurer. Politik und Investoren halten sich beim sozialen Wohnungsbau zurück. Warum es ein Unternehmen anders macht.

Während in München, Frankfurt oder Berlin die Mieten durch die Decke gehen, ist der Wohnungsmarkt in Essen vergleichsweise entspannt. Doch auch zwischen Karnap und Kettwig sind die Mieten in den vergangenen Jahren gestiegen, seit 2016 im Durchschnitt immerhin um zehn Prozent. Der Ruf nach bezahlbarem Wohnraum wird folglich auch in Essen lauter.

Wie reagiert die Politik? Sie überlässt die Entwicklung den Kräften des Marktes und lehnt mehrheitlich eine stärkere Regulierung ab. So scheiterte die Linke im Rat der Stadt jüngst mit ihrer Forderung nach Einführung nach einer Sozialquote für den Wohnungsbau. Bei Neubauvorhaben sollten mindestens 30 Prozent der Wohnungen mit öffentlicher Förderung gebaut werden, sodass die Mieten begrenzt werden. Es war nicht der erste Anlauf in diese Richtung, der ins Leere lief.

Der Bestand an öffentlich geförderten Wohnungen sinkt in Essen auf 18.484

Fakt ist: Die Zahl der öffentlich geförderten Wohnungen geht in Essen weiter zurück, da gesetzliche Bindungsfristen ablaufen. Weitere 843 „Sozialwohnungen“ fallen deshalb aus dem Bestand. Dem gegenüber stehen nur 166 neue Wohnungen, die mit öffentlicher Förderung errichtet wurden. Der Gesamtbestand an öffentlich geförderten Wohnungen sinkt damit auf 18.484. Das sind gerade einmal knapp sechs Prozent aller Mietwohnungen in Essen.

Daniel Kerekes, Fraktionsvorsitzender der Linken, sprach im Rat der Stadt von einem Negativtrend. Vom Land bereitgestellte Fördermittel werden in Essen seit Jahren nicht vollständig abgerufen, da es von Investorenseite nicht genug Interesse gibt. Angesichts niedriger niedriger Zinsen scheint es nach wie vor attraktiver zu sein, Wohnungen frei zu finanzieren.

CDU und Grüne haben keine Quote für den sozialen Wohnungsbau in Essen festgelegt

Kerekes’ Forderung nach einer Sozialquote mochten sich im Rat nur die SPD und Die Partei anschließen. Die Mehrheit stimmte dagegen. Auch die Grünen, die sich in der Vergangenheit stets für eine verbindliche Quote ausgesprochen hatten. In der gemeinsamen Kooperationsvereinbarung für die laufende Ratsperiode wollten sich Grüne und CDU nicht auf eine Sozialquote festlegen. Ein Antrag der SPD, wonach im Eltingviertel die Hälfte der dort geplanten Wohnungen öffentlich gefördert werden sollten, fand folglich im städtischen Planungsausschuss keine Mehrheit. In dem nördlich der Innenstadt gelegenen Quartier sollen in den kommenden Jahren mehr als 200 neue Wohnungen entstehen.

Die Stadt Essen setzt weiterhin auf freiwillige Vereinbarungen mit Investoren und hat damit gute Erfahrungen gemacht, so Stephan Schwarz vom Amt für Bodenmanagement und Stadterneuerung. Die Linken haben einmal nachgezählt und kommen bei den jüngsten Bauvorhaben in Rüttenscheid nur auf einen Anteil von 20 Prozent.

Essen ist die einzige der zehn größten deutschen Städte ohne feste Sozialquote

Essen sei die einzige der zehn größten Städte in Deutschland, die auf eine feste Quote beim sozialen Wohnungsbau verzichtet, beklagt die Linke. Dem hielt die CDU entgegen, dass im Ruhrgebiet nur vier Kommunen dieses Instrument nutzten.

Der öffentlich geförderte Wohnungsbau tauge nur bedingt, um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, so Sven-Martin Köhler im Rat der Stadt. Der CDU-Ratsherr führte den Allbau an, dessen Bestand zu einem Viertel aus öffentlich geförderten Wohnungen besteht. Die durchschnittliche Nettokaltmiete liege beim Allbau bei 6,11 Euro. Für die CDU ein Beleg dafür, dass der Wohnungsmarkt alles andere als überhitzt ist.

Die CDU sieht laut Köhler im Wohngeld ein geeignetes Instrument, damit Wohnen auch für Haushalte mit geringem Einkommen bezahlbar bleibt. Sinnvoll sei es auch mit Investoren langfristige Bindungsfristen bei den Mieten zu vereinbaren.

Der Allbau setzt in Essen auf öffentlich geförderten Wohnungsbau

Gerade der Allbau setzt auf den öffentlich geförderten Wohnungsbau. „Die Einkommensgrenzen und unterschiedliche Förderstufen lassen ausgewogene und nachhaltige Bewohnerstrukturen entstehen, die insbesondere auch soziale Stabilität in Quartieren gestalten lassen“, teilt das kommunale Wohnungsunternehmen mit. So will der Allbau am Weberplatz 50 Prozent der neuen Wohnungen mit öffentlicher Förderung bauen. Dort wird das ehemalige Haus der Begegnung und die rückwärtige Bebauung abgerissen, bis 2025 soll eine neue Adresse entstehen.

Nord-Süd-Gefälle

Laut dem Wohnungsmarktbericht der Stadt Essen von 2020 gibt es die größten Bestände an öffentlich geförderten Wohnungen im Großraum Borbeck (Stadtbezirk IV), in den nördlichen Stadtteilen Altenessen, Karnap und Vogelheim (Stadtbezirk V) sowie im Essener Osten (Stadtbezirk VII) mit einem Anteil von jeweils elf Prozent.

Die geringsten Anteile finden sich in Bergerhausen, Rellinghausen, Rüttenscheid und Stadtwald (Stadtbezirk II) mit 1,4 Prozent sowie in Bredeney, Schuir, Werden, Fischlaken, Kettwig und Heidhausen (Stadtbezirk IX) mit einem Anteil von gerade einmal 0,8 Prozent.

Eine feste Quote hält man beim Allbau allerdings für umgänglich. Je nach Größe und Lage des Wohnungsbauprojektes sollte ein Anteil von 30 Prozent aber das Ziel sein, heißt es aus der Unternehmenszentrale an der Kastanienallee. Das Wohnungsunternehmen differenziert zwischen Neubau im Bestand und der Erschließung neuer Baugrundstücke. Sachgerecht sei eine feste Quote dann, wenn die Stadt neues Baurecht schafft oder städtische Grundstücke an Investoren verkauft.

Unverständnis zeigt man beim Allbau dafür, dass sich nicht mehr Investoren offen zeigen für den öffentlich geförderten Wohnungsbau, da dieser auch wirtschaftlich attraktiv sei. Und das Stigma, welches „Sozialwohnungen“ offensichtlich noch immer anhaftet, sei längst überholt, hieß es dazu im Planungsausschuss. Gemessen am Einkommen, betont die Linke, haben 58 Prozent der Essener Haushalte Anspruch auf eine öffentlich geförderte Wohnung.