Essen. Die Wandervielfalt der Stadt Essen unter Einbezug der Grenzregionen der Nachbarstädte ist Thema eines neuen Buches. Heimatkunde ist immer dabei.

Wandern konnte man in Essen immer schon recht gut, nur waren dafür Ortskenntnis und etwas Findigkeit erforderlich. Dank der beiden gut markierten und oft beschriebenen Rundwanderwege Baldeneysteig und Kettwiger Panoramasteig hat sich vieles vereinfacht, aber damit sind die Möglichkeiten längst nicht erschöpft. Ralph Kindel und Jochen Tack, die im letzten Jahr ein Buch über die Steige verfassten, haben nun acht weitere Touren in Buchform gepackt: „Grüne Routen – urbanes Wandern rund um Essen“.

Essen ist stadtauswärts gesegnet mit grünen Grenzgebieten

Anders als bei den beiden Steigen, verlassen die Autoren hier häufiger die eigene Stadt und beziehen neben den Essener Wegen auch die Nachbarstädte mit in die Touren ein, was absolut naheliegt. Spätestens seit den 1920er Jahren war es erklärtes Ziel der regionalen Flächenpolitik, die jeweiligen Grenzgebiete zwischen den Ruhrgebietsstädten möglichst nur behutsam zu bebauen und hier die angestammte agrarische Nutzung oder sogar dem Naturschutz Vorrang zu lassen.

Durchatmen möglich: Rohmbachtal und Rossenbecktal mit ihren Höhenzügen am Flughafen Essen-Mülheim gehören zu den frei gelassenen Landschaften, die in den Grenzgebieten zwischen Essen und den Nachbarstädten so viele Wander-Möglichkeiten eröffnen.
Durchatmen möglich: Rohmbachtal und Rossenbecktal mit ihren Höhenzügen am Flughafen Essen-Mülheim gehören zu den frei gelassenen Landschaften, die in den Grenzgebieten zwischen Essen und den Nachbarstädten so viele Wander-Möglichkeiten eröffnen. © Jochen Tack | Jochen Tack

Von dieser grundlegenden Weichenstellung profitiert die geografisch im Ruhrgebiet ohnehin bevorzugte Stadt Essen bis heute enorm. In praktisch jeder Richtung stadtauswärts gibt es neben den überraschend zahlreichen innerstädtischen Naturflächen auch große Grünzüge. Diese definieren nicht nur einen klaren Stadtrand, sondern eröffnen in großräumig freier Landschaft auch zahlreiche Gelegenheiten für kleine und große Wanderungen. Mit den acht ausgewählten Touren findet der Wanderfreund auf jeden Fall einen guten Grundstock, der nach eigenem Gusto schier endlos variiert werden kann.

Ausgewählt haben die Autoren folgende Regionen (hier im Uhrzeigersinn sortiert): die Siepentäler im Raum Borbeck, die Haldenlandschaften der Emscherzone, die Felder und Uferwege rund um Steele, das Deilbachtal und die Höhen um Kupferdreh, die Wälder um Stadtwald und Heisingen, die Ruhrhöhen am Baldeneysee bis Werden, die Kettwiger und Mintarder Landschaften mit der Ruhrtalbrücke als Fixpunkt und schließlich die Bachtäler, Grünzüge und uralten Agrarflächen rund um den Flughafen Essen-Mülheim. Fast alle Touren sind als tagesfüllende Aktivitäten gedacht, also mit Spaziergängen nicht zu verwechseln.

Das Buch ist als „Liebeserklärung an unsere Heimatstadt“ gedacht

Immer geht es dabei auch um Heimatkunde am Wegesrand, um Gebäude, Friedhöfe, Brücken, Industrie- oder Naturdenkmäler. Es gilt der alte Grundsatz: Man sieht nur, was man kennt – oder was einem eben nahegebracht wird in Landschaftsführern wie diesem, der bewusst als „Liebeserklärung an unsere Heimatstadt“ gedacht ist, wie es im Vorwort heißt. Auch die Stadtwerber von Essen Marketing dürften an den Texten und Bildern ihre Freude haben. Kritikwürdiges, das es natürlich auch gibt und das die Wanderfreude hie und da trübt, wird ausgespart.

Auch am höchsten Punkt der Stadt in Heidhausen mit gut 202 Metern über Normal kommt man bei einer der Wanderungen vorbei.
Auch am höchsten Punkt der Stadt in Heidhausen mit gut 202 Metern über Normal kommt man bei einer der Wanderungen vorbei. © Jochen Tack | Jochen Tack

In die Hände spielte den Autoren die Corona-Zeit. Als es um die Frage ging, wo trotz der Reise-Beschränkungen noch Outdoor-Aktivitäten möglich sind, entdeckten viele Essener ihren persönlichen Nahbereich wieder – manche sogar zum ersten Mal. Kindel und Tack hatten natürlich Vorkenntnisse, aber im Prinzip ging es ihnen nicht viel anders. Einige der beschriebenen Touren entstanden auch ein wenig aus der Not heraus, was ihrer Qualität keinen Abbruch tut.

Markierungen gibt es so gut wie keine, alle Touren sind frei konzipiert

Hinweise zu einigen Einkehren und besonderen Ausblicken runden den Service ab, obligatorisch sind Angaben zur Anreise sowie zu Höhenmetern, Gehzeiten und Wegbeschaffenheit. Wissen muss man allerdings auch, dass die ausgewählten Touren frei konzipiert wurden, so wie die Landschaft und die vorhandenen Wege es eben hergaben. Markierungen gibt es so gut wie keine, erst recht keine durchgehenden.

Wer die Touren exakt nachgehen will, muss also entweder mit den sehr brauchbaren, im Buch enthaltenen Kartenbildern umgehen können oder lädt sich die jeweilige Tour als GPS-Datei aufs Handy, was beim Wandern deutlich komfortabler ist. Der notwendige QR-Code ist im Buch ebenfalls abgedruckt.

Die Autoren und ihr Buch

Ralph Kindel, Jahrgang 1969 und Kind des Essener Südens, sucht und findet Wanderrouten vor der eigenen Haustür und sieht dies auch als Ausgleich zu seiner anderen großen Leidenschaft: der Kulinarik.

Jochen Tack, Jahrgang 1962, fotografiert seit seiner Jugend, arbeitete für die WAZ und machte sich später als Fotojournalist selbstständig. Zu seinen Lieblingsmotiven im Ruhrgebiet gehört der Wandel des Reviers vom Industrie-Grau zum lebendigen Grün.

Das Buch „Grüne Routen – urbanes Wandern rund um Essen“ ist im Klartext-Verlag erschienen und kostet 16,95 Euro. Das Buch hat 144 Seiten, viele Abbildungen und Karten.