Essen-Altenessen. Nach dem Krieg begann alles mit einer Polsterei. Heute, 75 Jahre später, zieht das Essener Möbelhaus Hensel eine ganz bestimmte Zielgruppe an.

  • Möbel Hensel in Altenessen feiert an diesem Wochenende 75-jähriges Bestehen. Das Möbelhaus wird in dritter Generation an der Johanniskirchstraße geführt
  • Angefangen mit Polstermöbeln, waren eine Zeit lang schwere Eichenschränke im Trend, mittlerweile liegt der Schwerpunkt auf Küchen.
  • Während der Corona-Pandemie gab es eine Rückbesinnung auf die eigenen vier Wände, davon hat das Unternehmen profitiert.

Vor 75 Jahren eröffnete Möbel Hensel in Essen: Polstermöbel waren nach dem Krieg begehrt wie warme Semmeln. In Altenessen produzierte Hubert Hensel unter der Woche Stühle im Akkord. „Am Wochenende fuhr er oft mit dem Fahrrad durch den Stadtteil, um das Geld bei seinen Kunden einzusammeln“, erzählt seine Enkelin und heutige Geschäftsführerin, Nina Hamann-Hensel. An diesem Wochenende feiert das Möbel Hensel, das sie selbst als ihr erweitertes Wohnzimmer bezeichnet, 75.-jähriges Bestehen.

Möbel Hensel wird von Kunden aus Altenessen und außerhalb angesteuert

Übernommen hat die 47-jährige Juristin das Möbelhaus von ihrem Vater, der selbst eine Ausbildung zum Möbelverkäufer gemacht hatte und in den 60er-Jahren die schweren Wohnzimmerschränke aus Eiche mit ins Sortiment aufnahm. „Die kann heute niemand mehr gebrauchen“, weiß Hensel. Bücher, CDs, das Hochzeitsporzellan - die wenigsten wollen das noch haben, Stauraum sei nicht mehr angesagt. Ihre Mitarbeiter würden die Schränke bei den Kunden aus den Wohnzimmern holen: „Wenn die Kunden dafür noch einen Käufer finden ist das gut, wir schmeißen die weg“, erklärt Hensel. 90 Prozent lande im Container, manchmal würden sich noch Jugendzentren oder karitative Einrichtungen über die großen Schränke freuen.

Geschäftsführerin Nina Hamann-Hensel (47) bezeichnet ihr Möbelhaus an der Johanniskirchstraße in Essen als zweites Wohnzimmer.
Geschäftsführerin Nina Hamann-Hensel (47) bezeichnet ihr Möbelhaus an der Johanniskirchstraße in Essen als zweites Wohnzimmer. © FUNKE Foto Services | Arnulf Stoffel

Damals kamen die Kunden alle aus dem Stadtteil, fast jeder Stadtteil in Essen hatte sein eigenes Möbelgeschäft. Das hat sich mittlerweile radikal geändert, große Einrichtungshäuser haben sich breit gemacht und im Stadtteil selbst hat die Kaufkraft nachgelassen. Kunden aus anderen Stadtteilen werden demnach gebraucht. „Von unseren Kunden kommen rund 50 Prozent aus dem Stadtteil und 50 Prozent von außerhalb“, erklärt Hensel, die mit ihrer Familie jahrelang in dem Gebäude an der Johanniskirchstraße gewohnt hat. „Wir haben im Prinzip im Geschäft gewohnt, mit den Mitarbeitern habe ich verstecken gespielt, mit meinen Freunden Buden aus leeren Kartons gebaut.“

Möbel Hensel in Essen setzt auf Beratung und Teamgeist

Das Geschäft selbst ist mit den Jahren immer größer geworden, für ein Möbelhaus aber immer noch vergleichsweise klein. Während der Opa seine Polsterei auf 250 Quadratmetern mit acht Mitarbeitern betrieb, sind es mittlerweile knapp 3000 Quadratmeter und 24 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Einige davon sind schon seit über 50 Jahren bei Hensel beschäftigt und darin sieht die Geschäftsführerin auch den Schlüssel zum Erfolg: „Wir sind klein, familiär und beratungsintensiv.“

18 Vollzeitkräfte arbeiten bei Möbel Hensel in Essen. Manche sind schon seit 50 Jahren im Team dabei.
18 Vollzeitkräfte arbeiten bei Möbel Hensel in Essen. Manche sind schon seit 50 Jahren im Team dabei. © FUNKE Foto Services | Arnulf Stoffel

Das Team sei mit dem Unternehmen verwachsen, erklärt Hensel. Jeder versuche den Kunden wertzuschätzen, ihm eine gute Zeit zu schenken und ihn individuell zu beraten. Im Umkehrschluss könne sie sich durch die persönliche Ebene kaum leisten, dass ein Kunde unzufrieden ist. Das mache den Unterschied zu den großen Möbelhäusern, habe aber im wahrsten Sinne des Wortes auch seinen Preis. Hensel: „Unsere Zielgruppe sind eher die Zweit- und Dritteinrichter.“ Also jene, die nicht mehr ganz jung sind und ihre Wohnung oder ihr Haus umgestalten wollen. Ikea sei daher auch keine echte Konkurrenz.

Mit der Corona-Pandemie kam die Rückbesinnung auf die eigenen vier Wände

Ausmisten, renovieren, umgestalten: Diese Idee hatten viele während der Corona-Pandemie. „Die Küche wird mit einem großen Tisch und bequemen Stühlen immer mehr zum Lebensmittelpunkt und die Couch wird eher als Rückzugsort genutzt“, erklärt die Zweifachmutter den aktuellen Trend. Außerdem nehme die technische Ausstattung mehr und mehr zu - dazu gehören Beleuchtungssysteme und intelligente Steuerung von Küchengeräten. Grundsätzlich wollen die Kunden immer weniger Möbel haben - der Trend zum Minimalismus ist auch in ihrer Branche angekommen.

Vor 75 Jahren eröffnete zunächst eine Polsterei in Essen und dann der Möbelhof. Heute führt Nina Hamann-Hensel das Möbelgeschäft in dritter Generation.
Vor 75 Jahren eröffnete zunächst eine Polsterei in Essen und dann der Möbelhof. Heute führt Nina Hamann-Hensel das Möbelgeschäft in dritter Generation. © FUNKE Foto Services | Arnulf Stoffel

Mit der Corona-Pandemie kam auch die Rückbesinnung auf die Familie und die eigenen vier Wände - gut für die Möbelbranche. Hensel: „Wir hatten zwar eine Schließungszeit, aber dann wurde wirklich viel gekauft. Corona hat uns beflügelt.“ Besonders bei Küchen sei die Nachfrage hoch gewesen - per Videokonferenz setzten sich Mitarbeiter mit den Kunden zusammen, mitunter wurden auch Einzelteile auf den Hof in Altenessen geschleppt, um von den Käufern begutachtet zu werden.

Jubiläum wird am Wochenende gefeiert

Das Jubiläum feiert Möbel Hensel am Freitag und Samstag (1. und 2. Oktober) von 10 bis 18 Uhr an der Johanniskirchstraße. Besucher sind willkommen.

Nina Hamann-Hensel hat ihr Abitur am Altenessener Leibniz-Gymnasium gemacht und dann Jura studiert. Nachdem sie zwei Jahre als Anwältin gearbeitet hatte, entschied sie sich, ins Familienunternehmen mit einzusteigen. Sie absolvierte eine Ausbildung als Einrichtungsfachberaterin und übernahm 2002 das Unternehmen: „Ich habe das noch nie bereut und mache das total gerne, aber es ist auch sehr viel Verantwortung.“

Nina Hamann-Hensel hofft, dass die Rückbesinnung auf die eigenen vier Wände noch eine Weile anhält und die Menschen auch die Ressourcen und die Qualität der Einrichtungsgegenstände wieder mehr schätzen. Sie weiß, man muss mit dem Zeitgeist gehen, online und in den sozialen Medien aktiv sein und die richtigen Möbelstücke auf der begrenzten Fläche präsentieren.

Früher wurden vor allem Polstermöbel mit Wagen dieser Art ausgeliefert. Heute liegen vor allem Küchen im Trend bei den Kunden von Möbel Hensel.
Früher wurden vor allem Polstermöbel mit Wagen dieser Art ausgeliefert. Heute liegen vor allem Küchen im Trend bei den Kunden von Möbel Hensel. © FUNKE Foto Services | Arnulf Stoffel

Hensel: „Man muss immer hinterfragen, wie man das Unternehmen weiterführt.“ Und zwar in Altenessen: „Dieser Stadtteil hat etwas ehrliches. Ich würde nie erwägen, mit unserem Möbelhaus umzuziehen.“ Ob ihre Kinder ebenfalls ins Familienunternehmen einsteigen sei jedoch noch unklar, die haben mit elf und 14 Jahren noch eine Weile Zeit, um sich zu entscheiden.