Altenessen.

Hubert Hensel könnte stundenlang über Möbel sprechen. Darüber, was früher modern war, was heute gefragt wird, wie sich die Geschmäcker und das Kaufverhalten im Laufe der letzten vier, fünf Jahrzehnte verändert haben. Der 77-Jährige ist der Seniorchef des gleichnamigen Möbelhauses an der Johanniskirchstraße, das sein Vater 1949 gegründet hat.

„Mein Vater Hubert war Polstermeister und hat nach dem Krieg auf der Karlstraße eine kleine Polsterei gegründet“, erzählt er. Damals lag Essen in Schutt und Asche, mussten Möbel, die aus den Trümmerbergen gerettet werden konnten, mit wenig Aufwand aufgearbeitet werden. Geld für neue Einrichtung war nicht vorhanden, zudem gab es kaum eine entsprechende Fertigungsindustrie.

Das änderte sich, als Hubert Hensel 1959 in den Betrieb eintrat. 21 war er gerade, hatte eine Ausbildung zum Möbelkaufmann erfolgreich abgeschlossen. Er zog mit dem Geschäft in die Johanniskirchstraße und begann, neue Möbel zu verkaufen. Der Bedarf war groß, die Wirtschaft boomte, Deutschland war im Aufbruch. Und für Möbel Hensel begannen die goldenen Zeiten.

Die Kunden kauften damals ihre gesamte Einrichtung bei Möbel Hensel: Wohnzimmer, Schlafzimmer, Küche und Kinderzimmer, Teppiche, Gardinen und das Oberbett wurden geliefert, aufgebaut – aber selten auf einen Schlag bezahlt.

„Viele kauften auf Pump und kamen dann Monat für Monat vorbei, um die Raten in bar vorbeizubringen.“ Eine Couch gab es für unter 300 Mark, der passende Tisch kostete 100 Mark, erinnert sich Hensel. Und daran, dass Wohnzimmerwände aus Massivholz im Barock- oder Chippendalestil im Trend lagen. Die boten viel Stauraum für die guten Gläser und das gute Service. „Tja, früher war das Wohnzimmer die gute Stube, die man mit Sorgfalt einrichtete und nur an besonderen Tagen nutzte.“ Heute sei die Küche das Prestigeobjekt der Deutschen, „da wird schon mal gut und gerne bis zu 30 000 Euro investiert“.

Im Wohnzimmer dagegen müssten sich die Möbel heute dem überdimensionalen Flachbildschirmfernseher anpassen, der den Raum in der Regel dominiere. „So ändern sich der Geschmack und der Stil.“

Auf die modernen Zeiten sind die Hensels allerdings gut vorbereitet: Nicht nur, dass sie im Laufe der Jahrzehnte durch geschickten Zukauf der Nachbargrundstücke ihre Verkaufsfläche auf mittlerweile 4000 Quadratmeter erweitert haben, sie haben auch viel in die Modernisierung des Einrichtungshauses investiert.

Und dann hat Hubert Hensel sein Geschäft in jüngere Hände gelegt: Seit 2004 ist Tochter Nina Hamann-Hensel, eine ausgebildete Juristin, die Chefin im Haus. „Dass sie unser Möbelhaus in der dritten Generation weiterführt ist für mich wie ein Sechser im Lotto“, schwärmt Hubert Hensel. Mit Nina Hamann-Hensel kam frischer Wind ins Unternehmen, wurden die sozialen Medien ins Marketing einbezogen, gibt es jetzt eine eigene Homepage.

Trotzdem setzt das Altenessener Traditionshaus nach wie vor auf den persönlichen Kontakt zu seinen Kunden. „Man muss schon zu uns kommen, um die Möbel zu kaufen. Im Internet kann man sie sich lediglich ansehen.“ Hubert Hensel kann eh nicht verstehen, wie man sich ein Sofa oder ein Bett kaufen kann, das man nicht in Natura gesehen und angefasst habe. Insofern betrachtet er die Konkurenz des Online-Handels eher gelassen: „Bei uns werden die Kunden intensiv beraten“, sagt er. Das sei auch das Pfund, mit dem das familiengeführte Unternehmen gegenüber den XXL-Möbelhäusern der Umgebung wuchern könne. „Wir sind gemütlicher, kennen unsere Klientel.“ Außerdem, so fährt er fort, sei Möbel Hensel längst eine Institution im Stadtteil: „Wir sind eindeutig der Lokalmatador in Altenessen“, bestätigt Tochter Nina.