Essen. Behörde will Mietverhältnis mit dem Bau- und Liegenschaftsbetrieb des Landes nicht verlängern. Gegen möglichen Auszug regt sich Widerspruch.
Wo in Essen seit einer gefühlten Ewigkeit Polizei draufsteht, könnte schon bald keine Polizei mehr drin sein: Die Tage des altehrwürdigen Präsidiums in Rüttenscheid als Stammsitz der Essener Behörde sind offenbar gezählt. Denn die vor zwei Jahren vage angedeuteten Auszugspläne sind inzwischen merklich konkreter geworden: Wie sonst sollte man es interpretieren, dass die Polizei dem Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW (BLB) als Eigentümer der Immobilie unmissverständlich mitgeteilt hat, dass beabsichtigt sei, das Mietverhältnis für das Gebäude an der Büscherstraße nicht zu verlängern.
Entsprechende Informationen dieser Zeitung hat ein BLB-Sprecher bestätigt: „In den kommenden Jahren sollen die Beamtinnen und Beamten voraussichtlich in eine größere Immobilie umziehen.“
Auf Nachfrage machte Polizeisprecher Pascal Schwarz-Pettinato deutlich, dass die räumlichen Kapazitäten des in den Jahren des Ersten Weltkriegs errichteten Baus ausgeschöpft seien, die Flächen in ihrer jetzigen Form zu wenig Platz böten, nicht nur, aber auch für den notwendigen Aus- und Umbau der Leitstelle.
Es geht am Ende um aufwendige Ertüchtigung oder finale Trennung
Es sei aber keine finale Entscheidung gefallen, die Gespräche mit dem BLB liefen weiter, um gemeinsam auszuloten, was noch möglich sei oder nicht. Klar aber ist: Am Ende wird es um eine aufwendige Ertüchtigung oder eine finale Trennung gehen, wobei das Pendel derzeit deutlich in Richtung Auszug auszuschlagen scheint.
„Wir sind im Präsidium am Ende der Fahnenstange“, sagt Heiko Müller, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP) für Essen und Mülheim, mit Blick auf das Platzangebot. Es müsse aber gewährleistet sein, dass die Polizei alle räumlichen Möglichkeiten bekomme, sich angemessen aufzustellen - was insbesondere für die notwendige Technikausstattung gelte. Müller räumt aber gleichzeitig ein, der Gedanke, dass die Behörde das Justizviertel verlassen könne, „ist durchaus gewöhnungsbedürftig“.
Somit könnte ein Umzug wie für die Polizeiinspektion Süd von der Norbertstraße an die Theodor-Althoff-Straße im Essener Süden tatsächlich unabwendbar werden. Es läuft die Zeit - und der Mietvertrag 2023 aus.
Dass der seit 1986 unter Denkmalschutz stehende klassizistisch-barock geprägte Bau mit preußischen Wurzeln und einen Steinwurf von Staatsanwaltschaft und Essener Gerichtsbarkeit entfernt als Sitz der Polizei trotz seiner langen Geschichte nicht gänzlich unantastbar ist, wurde Beobachtern bereits 2019 beim Richtfest für die neue Werkstatt der Polizei im Süden der Stadt mit einem Schlag klar.
Der mögliche Rückzug aus Rüttenscheid ruft Kritiker auf den Plan
Ein Vertreter des NRW-Innenministeriums überraschte da so manchen der geladenen Gäste mit der Aussicht, dass die Essener Polizei als auch die Landesregierung vor einer entscheidenden Frage stünden, wenn der bis Mai 2023 geltende Mietvertrag zwischen dem Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW (BLB) und der Essener Behörde für die vor 103 Jahren in Betrieb genommene Immobilie in Rüttenscheid auslaufe. Und die lautet: Will man an der Liegenschaft und damit am BLB als Vermieter festhalten oder abermals einen privaten Investor eine Alternative aus dem Hut zaubern lassen?
Inzwischen sieht alles eher nach der letzteren Lösung und einem Rückzug aus Rüttenscheid aus, was die ersten Kritiker auf den Plan ruft. Ein ehemaliger Behördenleiter und ein früherer Pressesprecher, die mit dem Stammsitz viel verbindet, sind da einer Meinung.
Michael Dybowski (80), Polizeipräsident von Essen, bevor er bis zu seiner Pensionierung nach Düsseldorf wechselte, ist überzeugt, dass ein Rückzug der Behörde aus Rüttenscheid einem „Entfernen der Polizei aus der Stadtgesellschaft“ und einem „Abschied von der Polizeigeschichte in Essen“ gleichkomme. Das Präsidium mit seiner beabsichtigten Anbindung an das Justizviertel sei nun einmal „ein historischer Ort“, den man nicht allein aus pragmatischen Überlegungen aufgeben solle. Dybowski glaubt, dass der Innenminister ein solches Vorhaben einfach nicht goutieren kann, zumal Herbert Reul selbst betont habe, dass die Polizei in NRW ihre nicht immer nur rühmliche Geschichte pflegen müsse.
Alle Dienststellen ohne Bürgerkontakt anderweitig unterbringen
Uwe Klein, langjähriger Polizeisprecher unter Michael Dybowski und unter dessen Nachfolger Herbert Schenkelberg, der 21 Jahre lang an dem geschichtsträchtigen Ort an der Büscherstraße gearbeitet hat und das Gebäude für eines der schönsten in Essen hält, die den Krieg überstanden haben, lässt das Argument des Platzmangels allein nicht gelten: „Wenn das Präsidium zu klein geworden ist, würde ich alle Dienststellen ohne Bürgerkontakt anderweitig unterbringen.“
Vielmehr hätte die Polizeiinspektion Süd – zuständig für 13 Stadtteile mit rund 230.000 Einwohnern - mit den Einsatzschwerpunkten Rüttenscheid, Holsterhausen und Frohnhausen den richtigen bürgerfreundlichen Platz im Justizviertel an der Büscherstraße und nicht an der Theodor-Althoff-Straße. Das Gleiche gelte für Kripodienststellen wegen der Nähe zur Staatsanwaltschaft, den Gerichten und Justizvollzugsanstalt. „Eine Abmietung ist für mich unverständlich und nicht nachvollziehbar, auch aus polizeihistorischer Sicht“, betont Klein.
Der Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW müsse alles für einen Verbleib der Essener Polizei am Stammsitz tun. Ebenso das Innenministerium, fordert das Vorstandsmitglied der International Police Association (IPA) in Essen: „Wo Polizeipräsidium in goldenen Lettern drauf steht, muss auch Polizei drin sein – in diesem Fall bleiben.“