Essen. Keine Chance, das war gestern. Zur Bundestagswahl wittert Sozialdemokrat Gereon Wolters Morgenluft. Serie Essener Kandidaten zur Bundestagswahl.

Drei Jahre, acht Monate und 22 Tage war da nichts – kein Bild, kein Spruch, kein Video, nicht mal der Verweis auf eine interessante Debatte. Stattdessen totale Funkstille auf seiner Facebook-Seite, wen wundert’s: Fast 10.000 Erststimmen hatte Gereon Wolters an jenem 24. September 2017 hinter seinem Kontrahenten von der CDU gelegen, das muss weh getan haben, so weh, dass es danach nicht einmal mehr für ein Dankeschön an die Wählerschar reichte.

Und tschüss.

Aber das Leben ist zurückgekehrt, erst in die bundesdeutsche Sozialdemokratie und dann auf Wolters’ Facebook-Seite, oder vielleicht war es auch umgekehrt, was macht das schon? Der 55-jährige Jura-Professor aus Bochum muss sich in diesen Tagen jedenfalls „selbst manchmal zwicken“, wie der SPD-Kanzlerkandidat in den Umfragen das Rennen anführt und die Menschen die Sozis womöglich wieder lieb und auf dem (Wahl-)Zettel haben. Auch ihn, der nie nur als bloßer Verlegenheitskandidat auf die Plakate geriet.

„Die Partei hat gelernt, dass man sich nicht selbst sein ärgster Gegner sein sollte“

Ob er die Gründe ahnt? „Die SPD ist von innen her stark gewachsen“, glaubt Wolters, „die Partei hat irgendwann gelernt, dass man sich nicht selbst sein ärgster Gegner sein sollte“. Hinzu komme ein Kanzlerkandidat mit großer Erfahrung: „Mit Olaf Scholz wird es keine Überraschungen geben“, sagt Gereon Wolters, „und das meine ich nur positiv“.

Letztlich profitiert davon wohl auch ein „zugereister“ Kandidat aus Bochum wie er: Natürlich habe er angesichts der Niederlage vor vier Jahren „schon überlegt: Bin ich der Richtige? Soll ich mir das noch mal antun?“ Er hat Ja gesagt, weil die hiesigen Genossen Ja zu ihm gesagt haben, und ist zugegebenermaßen etwas erstaunt, dass die Menschen nicht grantig reagieren, so nach dem Motto „Ach, lässt sich die SPD auch mal wieder sehen?“, sondern im Gegenteil „sehr zugeneigt, sehr freundlich“.

Noch einmal eine „GroKo“, noch einmal die CDU am Drücker? – „Abwegig!“

Und weil er ganz und gar kein Aufschneider sein mag, sondern ein betont vorsichtiger Quereinsteiger, formuliert er die Sache mit dem Sieg im Wahlkreis so: „Aus einer ganz ganz geringen Chance ist sowas wie eine Möglichkeit geworden.“ Wahlkampf-Manager würden seufzen: Das klingt fürwahr nicht nach „Rampensau“, aber schärfer bekommt man diesen Jura-Prof nicht, dessen berufliche Expertise im Gegensatz zur Fake-Juristin und Vorgänger-Kandidatin Petra Hinz über alle Zweifel erhaben ist und der nach eigenem Bekunden vergessen hat, auf welchem Platz der SPD-Landesliste er steht (es ist der 53.). Mit dem jüngsten seiner vier Söhne hat er neulich den Wahl-O-Maten gefüttert – und er wünschte sich von den Grünen, dass man sich zu einer Art Stimmen-Splitting verabredet, Motto: „Wenn ihr mehr Grün wollt, müsst ihr Rot-Grün denken“.

Für ihn wäre das die Ideal-Kombination, und da es damit zu einer Mehrheit wohl nicht reicht, müssten halt noch die Liberalen hinzukommen, eine Ampel also, für Wolters nichts, was ihn schüttelt: „Ich bin in einem sozialliberalen Geist groß geworden.“ Ob das die Wählerschar auch goutiert, ist eine andere Frage, nur dass es erneut eine GroKo gibt, dass es die CDU noch mal in die Regierung schafft, sei für ihn abwegig. Und „abwegig“, dies fügt er als Erläuterung hinzu, „das ist für uns Juristen die schwerste Form der Ablehnung“.

Wolters hat spürbar Spaß daran, sich auf seine Gegenüber einzulassen

Ansonsten geht er keiner Diskussion aus dem Weg, hat sichtlich Spaß daran, sich auf seine Gegenüber ein- und manchmal auch überzeugen zu lassen, und man fragt sich schon, ob sein größter Traum eher dem Alesjaure in der schwedischen Tundra gilt, so wie er in seinem WhatsApp-Profil vorschwärmt, oder dem politischen Parkett in der Hauptstadt.

So oder so: Baff über die „mutigen“ Plakate „seiner“ SPD will Wolters bis zum 26. September zeigen, dass es zu seinen Stärken gehört, „auf andere Menschen glaubhaft zuzugehen“. Derweil ist die Partei ihrerseits auf ihn zugegangen: Er soll sich bitte mal den Dienstag nach der Wahl im Kalender notieren, da tagt um 12.30 Uhr die NRW-Landesgruppe der sozialdemokratischen Abgeordneten in Berlin und um 15.00 Uhr die Fraktion. Wolters blickt vom Handy auf: „Den Tag habe ich mir freigehalten.“ (woki)