Essen. Die Essener SPD-Bundestagsabgeordnete Petra Hinz ist keine Juristin, sie hat weder ein Studium absolviert noch Abitur abgelegt. All das hatte die Politikerin seit Jahrzehnten behauptet. Nach ihrer Lebensbeichte vom Dienstagabend will sie ihr Bundestagsmandat niederlegen.
- Essener SPD-Bundestagsabgeordnete Hinz hat wichtige Teile ihres Lebenslaufs erlogen
- Politikerin verzichtet auf ihr Bundestagsmandat
- 54-Jährige war seit dem Jahr 2005 für die SPD Essen im Bundestag
Das Gerücht, das seit Tagen durch das politische Essen wabert, es stimmt: Die SPD-Bundestagsabgeordnete Petra Hinz hat wichtige Teile ihres Lebenslaufs erlogen. Das hat am Dienstagabend ihr Essener Rechtsanwalt in einem Schreiben an die Essener Medien bestätigt, in dem die SPD-Politikerin reinen Tisch macht und ihr Doppelleben offenbart. Ihr plötzlicher Rückzug von der erneuten Kandidatur für den Bundestag am vergangenen Montag, der auch viele SPD-Parteifreunde überrascht hat, stellt sich nun in einem anderen Licht dar.
Am Mittwochnachmittag hat Hinz' Anwalt Henning Blatt mitgeteilt, dass seine Mandantin auf ihr Bundestagsmandat verzichtet. Petra Hinz habe bereits den Bundestagspräsidenten Norbert Lammert informiert und ihn um einen "schnellstmöglichen persönlichen Termin" gebeten. Am Mittwochmorgen hatte Thomas Kutschaty, Vorsitzender Essener SPD und NRW-Justizminister, Petra Hinz zum sofortigen Rückzug aus dem Bundestag und zur Rückgabe ihres Mandats aufgefordert.
Petra Hinz hat kein Abitur und auch kein Studium absolviert
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Seit Tagen war Petra Hinz – auch von dieser Zeitung – mit Fragen konfrontiert worden, ob sie tatsächlich Juristin mit erstem und zweitem Staatsexamen sei und ob sie 1984 ihr Abitur abgelegt hat – und wenn ja an welcher Schule. Die ersten Anfragen zu ihrem Lebenslauf hatte das Essener "Informer Magazin" gestellt. Dass Hinz die Fachhochschulreife erlangt und die Staatsexamen bestanden hat, steht in ihrem offiziellen Lebenslauf, an beiden Angaben gab es wachsende Zweifel. So fand sich in den Mitteilungen der Essener Gymnasien aus dem Jahre 1984 – schon damals wurden die Namen der Abiturienten in den Essener Zeitungen veröffentlicht – nirgendwo der Name von Petra Hinz. Die Abgeordnete verwies aber bis Dienstag bei allen Fragen auf ihren offiziellen Lebenslauf, etwa auf der Webseite des Bundestags, www.bundestag.de.
Am Dienstagabend dann kam per E-Mail das Schreiben ihres Rechtsanwalt Dr. Henning Blatt von der Kanzlei Heinemann & Partner. Dort heißt es wie folgt: „Frau Hinz hat im Jahr 1983 am heutigen Erich-Brost-Berufskolleg für Wirtschaft und Verwaltung der Stadt Essen die Fachhochschulreife erworben. Sie hat jedoch keine allgemeine Hochschulreife erworben. Sie hat darüber hinaus kein Studium der Rechtswissenschaften absolviert und auch keine Juristischen Staatsexamina abgelegt.“
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Und weiter: „In der Rückschau vermag Frau Hinz nicht zu erkennen, welche Gründe sie seinerzeit veranlasst haben, mit der falschen Angabe über ihren Schulabschluss den Grundstein zu legen für weitere unzutreffende Behauptungen über ihre juristische Ausbildung und Tätigkeit.“ Mitte der 1990er Jahre habe sie den Versuch unternommen, auf dem zweiten Bildungsweg das Abitur nachzuholen „und so zumindest einen Teil ihrer biografischen Falschangaben zu heilen“. Aus zeitlichen Gründen habe sie dies aber aufgegeben. Frau Hinz sei auch „zu keinem Zeitpunkt rechtsberatend tätig“ gewesen. Auch dies hatte sie in ihrer offiziellen Biografie behauptet.
Petra Hinz bittet auch Freunde und Familie um Entschuldigung
Das Schreiben des Rechtsanwalts schließt mit folgenden Worten:
„Das politische Engagement von Frau Hinz war und ist von Aufrichtigkeit und Integrität geprägt. Sie ist daher sehr bestürzt, nicht die Courage aufgebracht zu haben, für ihr Fehlverhalten geradezustehen. Sie bittet ihre Wegbegleiter, ihre Mitarbeiter, ihre Freunde und Familie, all die Menschen, die ihr vertraut haben, und auch die allgemeine Öffentlichkeit von ganzem Herzen um Entschuldigung.“
Die 54-Jährige war seit dem Jahr 2005 für die SPD Essen im Bundestag. 2013 hatte sie sich bei der letzten Wahl ihrem CDU-Gegenkandidaten Matthias Hauer nach einem bundesweit beachteten Wahlkrimi knapp geschlagen geben müssen, war dann aber über die Landesliste in den Bundestag eingezogen.
Hinz zu Mobbing-Vorwürfen: „irrsinnige Schikanen“
Ab Montag (18. Juli) hatte sie mitgeteilt, 2017 nicht mehr anzutreten und trat auch vom Amt der stellvertretenden SPD-Vorsitzenden in Essen zurück.
Zuvor hatten sich ehemalige Mitarbeiter ihres Bundestagsbüros in anonymer Form an die Öffentlichkeit gewandt und von einem unerträglichen Arbeitsklima gesprochen. Berichtet wurde von „irrsinnigen Schikanen“ und „persönlichen Erniedrigungen“, die von Hinz ausgegangen seien. Dies habe zu einer enorm hohen Fluktuation mit physischen und psychischen Folgeschäden von Mitarbeitern geführt. „Einige waren völlig am Ende.“
Petra Hinz selbst wies die Vorwürfe in ihrer Erklärung vom Montag erneut zurück: „Es geht allein um die verleumderische Diffamierung einer sozialdemokratischen Bundestagsabgeordneten.“