Essen-Bredeney. Corona hat die Arbeit der Ehrenamtlichen im Flüchtlingsheim Essen-Bredeney gestoppt. Nur noch eine über 90-Jährige hilft. So soll es weitergehen.

Die Zeiten, in denen täglich Busse voller Flüchtlinge in Essen ankamen, sind vorbei. Dennoch gibt es weiter sechs Übergangswohnheime in der Stadt, in denen Menschen leben, die Unterstützung bei der Eingliederung im fremden Umfeld benötigen. Das gilt auch für das Heim an der Lerchenstraße in Bredeney. Warum dort dringend aktive Ehrenamtliche gesucht werden.

Im Heim an der Lerchenstraße wohnen ausschließlich Männer zwischen 20 und 45 Jahren. Dort gibt es rund um die Uhr Ansprechpartner, tagsüber kümmern sich Betreuerinnen und Betreuer vom Diakoniewerk, das für die Einrichtung zuständig ist, um die Bewohner. „Was fehlt, sind Menschen, die mit ihnen mal etwas unternehmen, Sport treiben, Ausflüge machen, spielen, werkeln, gärtnern, kochen, Deutsch lernen oder sich einfach mal mit ihnen unterhalten“, sagt Arthur Langner, der die Einrichtung seit April 2020 leitet.

Das Flüchtlingsheim in Essen-Bredeney ist derzeit mit 31 Männern belegt

Das Haus sei für 100 Bewohner gedacht, beherberge aktuell aber nur 31, die in der Corona-Zeit allein oder maximal zu zweit in den Zwei- bzw. Viertbettzimmern lebten. „Gerade bei Bewohnern, die zur Schule gehen, ist in Zeiten von Videokonferenzen natürlich ein Einzelzimmer sinnvoll“, ergänzt der Heimleiter.

Deutschunterricht gehört zum Alltag der Bewohner im Flüchtlingsheim an der Lerchenstraße in Essen-Bredeney dazu. Hier erklärt Sozialberaterin Silke Wehly dem 26-jährigen Gideon Twum aus Ghana die Flaggen.
Deutschunterricht gehört zum Alltag der Bewohner im Flüchtlingsheim an der Lerchenstraße in Essen-Bredeney dazu. Hier erklärt Sozialberaterin Silke Wehly dem 26-jährigen Gideon Twum aus Ghana die Flaggen. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

„Wir haben derzeit noch eine einzige Ehrenamtliche, die sich regelmäßig um die Bewohner kümmert und tolle Arbeit leistet, und die ist über 90. Wir halten sie in Ehren, holen sie ab und bringen sie wieder nach Hause. Auch die Bewohner sind ganz begeistert von ihr, gerade weil sie schon so alt ist und ihnen trotzdem soviel ihrer Zeit widmet“, sagt Sozialberaterin Silke Wehly vom Diakoniewerk. Der Seniorin tue das Ehrenamt aber auch gut, sie bleibe so neugierig und habe eine sinnvolle Aufgabe.

Stadt unterhält noch sechs Flüchtlingsheime

In Essen gibt es derzeit noch sechs städtische Übergangswohnheime für Flüchtlinge.

Drei davon werden vom Diakoniewerk betreut, nämlich die Unterkünfte an der Papestraße in Holsterhausen, der Lerchenstraße in Bredeney und der Hülsenbruchstraße in Altenessen-Süd. Die Unterkünfte an der Grimbergstraße in Leithe, der Karl-Meyer-Straße in Schonnebeck und im Kloster Schuir werden von der CSE (Caritas und Sozialdienst katholischer Frauen) betreut.

Laut Bodo Kolling vom Amt für Soziales und Wohnen leben derzeit in Essen 378 Flüchtlinge, Kapazitäten gebe es für 850. Die Tendenz sei fallend, Essen habe 2020 noch 315 Flüchtlinge zugewiesen bekommen, 2021 bisher 97. Aber man wisse nicht, welche Folgen die Afghanistan-Krise haben werde.

Kontakt zur Einrichtung an der Lerchenstraße: Arthur Langner, 01778028558,

Derzeit gebe es eine junge Praktikantin im Haus. „Da merken wir, wie gut es den Bewohnern tut, Kontakt nach außen zu haben und etwas über das Leben junger Menschen hier zu erfahren.“ Die Bewohner sprächen fast alle genug Deutsch für solche Unterhaltungen und wollten im Gespräch mit den Besuchern ihre Kenntnisse gern weiter verbessern.

Wer helfen möchte, kann zum Info-Termin am 28. September nach Essen-Bredeney kommen

Um neue Helfer zu finden, lädt die Einrichtung für Dienstag, 28. September, 17 bis 19 Uhr, zu einer Info-Veranstaltung ein. „Wir freuen uns über alle, die überlegen, sich zu engagieren, wir wollen informieren und bieten die Möglichkeit, Menschen und Einrichtung unverbindlich kennenzulernen“, so Langner. Anwesend seien Mitarbeiter des Diakoniewerks, aber auch Mitglieder des Runden Tisches Bredeney und von „Kettwig hilft“.

Die Bewohner des Bredeneyer Heims kommen aus 16 Nationen, sie gehen selbstständig einkaufen, kochen für sich und reinigen ihre Zimmer selbst. „Sie bleiben ganz unterschiedlich lang im Haus, manche können schnell in eine eigene Wohnung umziehen, andere brauchen länger. Ihnen hilft es, hier Gesellschaft und Ansprechpartner rund um die Uhr zu haben“, so Bodo Kolling vom Amt für Soziales und Wohnen. Die Wohndauer hänge von der Person, aber auch vom Aufenthaltsstatus ab. Kolling schätzt, dass die meisten rund ein Jahr an der Lerchenstraße bleiben.

Der Medienraum im Flüchtlingsheim an der Lerchenstraße. Einen aufgearbeiteten Computer lieferte die Initiative „Hey Alter“, die alte PCs wieder funktionstüchtig macht und Bedürftigen zur Verfügung stellt.
Der Medienraum im Flüchtlingsheim an der Lerchenstraße. Einen aufgearbeiteten Computer lieferte die Initiative „Hey Alter“, die alte PCs wieder funktionstüchtig macht und Bedürftigen zur Verfügung stellt. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

2015/2016 gab es eine große Anzahl Ehrenamtlicher, die sich um die vielen Flüchtlinge kümmerten, die in Essen ankamen. Einige Helfer sind auch heute noch dabei, betreuen die Menschen, die inzwischen oft in eigenen Wohnungen leben, weiterhin“, erklärt Bodo Kolling. Corona habe aber die Arbeit der Ehrenamtlichen, die oft älter seien und damit zur Risikogruppe gehörten, fast komplett zum Erliegen gebracht. Außerdem kümmerten sich viele, die weiterhin helfen wollten, lieber um Familien mit Kindern. „Deshalb hat es die Einrichtung in Bredeney, in der nur alleinreisende Männer leben, besonders schwer.“

Aktuell suchen alle sechs Flüchtlingsheime in Essen nach Ehrenamtlichen

Aktuell würden alle noch bestehenden sechs Essener Übergangsheime Unterstützung suchen. Dabei sei es gleichgültig, wie oft die Helferinnen und Helfer Zeit hätten oder in welchem Bereich ihre Fähigkeiten und Interessen lägen. „Jeder Kontakt hilft“, sagt Langner. Auch Geld- und Sachspenden seien natürlich willkommen. So habe man inzwischen einen Fitnessraum mit Unterstützung des Runden Tisches Bredeney einrichten und einen Medienraum mit Computern der Gruppe „Hey Alter“ bestücken können, die alte Rechner für soziale Zwecke wieder fit macht. „Noch viel wichtiger als Geldspenden sind aber Menschen, die den Bewohnern ihre Zeit schenken“, ist der Heimleiter überzeugt.

Das Übergangswohnheim an der Lerchenstraße mit Blick auf den Baldeneysee wurde 2016 neu errichtet. Zuvor hatten an gleicher Stelle die als Schwedenhäuser bezeichneten Holzbauten gestanden, die im Rahmen der Flüchtlingswelle in den 1990er Jahren an mehreren Stellen der Stadt entstanden waren. Diese hatten irgendwann ausgedient, standen Jahre leer und wurden 2016 durch die massive Unterkunft ersetzt. Baugleiche Häuser gibt es an der Papestraße in Holsterhausen und an der Grimbergstraße in Leithe, so Arthur Langner. Das Haus an der Ruhrtalstraße in Kettwig werde inzwischen als Kita genutzt.