Essen. Auch in Corona-Zeiten hat Pact Zollverein in Essen intensiven Austausch mit den Künstlern gepflegt. Die Ergebnisse kommen nun auf die Bühne.

Nähe – das ist ein außergewöhnliches Wort in Zeiten von Hygienemaßnahmen und Abstandsregeln. Doch der Künstlerische Leiter von Pact Zollverein, Stefan Hilterhaus, und seine Kollegin Ann-Charlotte Günzel verwenden es immer wieder. Der Austausch mit den Künstlerinnen und Künstlern sei intensiver gewesen, die Zusammenarbeit im Team eng und solidarisch. Vielleicht ist es ein versöhnender Rückblick auf die harte Zeit der Lockdowns, in der existenzielle Fragen wichtiger wurden, aber sie können den neuen Notwendigkeiten viel Gutes abgewinnen. Der Druck, produktionsorientiert arbeiten zu müssen, fällt weg, wenn keine Kunst auf Bühnen gezeigt werden darf. Das gibt auch Zeit und Raum für neues Denken.

Während der Pandemie wurden digitale Formate ausprobiert

Für geplante Aufführungen bekamen die Ensembles Ausfallhonorare, Pact ermöglichte digitale Formate, in denen Gruppen wie Forced Entertainment neue Arbeiten präsentierten oder Künstlerinnen wie Anne Nguyen ihre Recherchearbeit dokumentierten. Die üblichen Residenzprogramme liefen weiter und Pact beteiligte sich als Produktionshaus am TakeCare-Stipendienprogramm des Bundes, organisierte regelmäßige Zoom-Treffen, in denen Forschungsansätze diskutiert und neue Verbindungen geknüpft wurden. „Es hat mich überrascht, wie viel substanzielles Material in dieser Zeit entstanden ist. Das hat unser Haus durch die Pandemie getragen“, sagt Hilterhaus.

Lange erwartet: Meg Stuarts Stück „Cascade“ feiert in Essen seine Deutschlandpremiere.
Lange erwartet: Meg Stuarts Stück „Cascade“ feiert in Essen seine Deutschlandpremiere. © Martin Argyroglo | Foto: Martin Argyroglo

Mit voller Kraft, im Bewusstsein um die Instabilität unserer Zeit, die andere – sozialere – Fragen ins Zentrum stellt und Kunst neu und anders verpflichtet, startet das Pact-Team in die neue Saison – endlich auch wieder mit öffentlichem Programm. „Eine Feier der physischen Präsenz“, wie Hilterhaus Meg Stuarts Stück gegen die Zeit ankündigt, ist da sicher ein hervorragender Auftakt. „Cascade“ sollte schon 2020 bei der abgesagten Ruhrtriennale uraufgeführt werden, erste Proben fanden damals auf der Pact-Bühne statt, jetzt ist die Arbeit über Themen wie Vereinzelung und andere Formen der kollektiven Organisation vom 10. bis 12. September endlich auch in Essen zu sehen.

Die Sehnsucht nach Bewegung ist auch in der folgenden Arbeit grundlegend: Die beeindruckende dänische Tänzerin und Choreografin Mette Ingvartsen zeigt am 24. und 25. September die Uraufführung ihres Solos „The Dancing Public“, in dem sie der Geschichte der Tanzwut nachgeht.

Das Forschungsfestival „1/2/8“ unter dem Titel „Spot on Economies“ schlägt – so sagt es Hilterhaus selbst – ein neues Kapitel im Pact-Buch auf. Internationale Wissenschaftlerinnen und Aktivisten, Stadtplanerinnen und Designer diskutieren Ökonomien und setzen sich zwei Wochen lang mit Wachstumskritik und kollektiver Teilhabe auseinander (1. bis 16. Oktober). Der Eintritt ist frei, das Programm in englischer Sprache. „Wir wissen, dass wir nur einzelne Punkte beleuchten können. Aber wir müssen damit anfangen“, erklärt Hilterhaus. Neue Formate auszuprobieren, Impulse aus anderen Disziplinen aufzunehmen und weitergeben zu können, genau das versteht er als Auftrag.

Performance bewegt sich zwischen Ballett, Modenschau und Clubbing-Szene

Die Künstlergruppe „Laokoon“, die ihr künstlerisches Datenexperiment „Made to Measure“ in den vergangenen Jahren auf der großen Bühne von Pact Zollverein inszenierte und verfilmte (eine TV-Dokumentation gibt es aktuell in der ARD-Mediathek), präsentiert am 30./31. Oktober eine Lecture-Performance zum Thema Freiheit. Das Symposium und Austausch-Labor „Impact21“ (10.-14. November) lädt den Künstler Arne Vogelgesang, die Medienökologin Birgit Schneider und alle Interessierten ein, über die Wechselwirkungen zwischen Kunst, Journalismus, Wissenschaft und gesellschaftlichen Realitäten zu diskutieren.

Infos zu den Pact-Veranstaltungen

Meg Stuarts „Cascade“, das sie mit Damaged Goods zeigt, ist bereits ausverkauft.

Für Mapa Teatro mit der Uraufführung von „La Luna en el Amazonas“(18. bis 20. September) gibt es noch Tickets und für „The Dancing Public“ von Mette Ingvartsen (24. und 25. September).

Karten zu den Veranstaltungen werden nur online reserviert unter: www.pact-zollverein.de

Die mutig Genregrenzen überschreitende französisch-vietnamesische Choreografin Anne Nguyen zeigt am 26./27. November ihre Performance „À mon bel amour“ zwischen Ballett, Modenschau und Clubbing-Szene, bevor dann im Dezember wieder die jungen Tänzerinnen und Tänzer bei der Jungen Tanzplattform NRW „Dynamo“ die ehemalige Waschkaue kapern.