Die Studio-Bühne hat einen Volltreffer gelandet. Warum Sandra Busch mit „Heute Abend: Lola Blau“der Liebling der Saison werden könnte.
Seit der Uraufführung 1971 in Wien hat das bekannte Musical für eine Schauspielerin, „Heute Abend: Lola Blau“, nichts an Aktualität und Brisanz verloren. Antisemitische Bedrohung findet vor unserer Haustür immer noch statt. Der Komponist und Kabarettist Georg Kreisler (1922–2011), der selbst während der NS-Zeit emigrieren musste, vermochte in einem unterhaltsamen wie gesellschaftskritischen Stationendrama, die Situation jüdischer Künstler im Dritten Reich zu veranschaulichen.
Regisseur und Akteure werden stürmisch gefeiert
Zur Saisoneröffnung der Studio-Bühne nach langem Lockdown hat es Stephan Rumphorst mit Witz und Verstand inszeniert und wurde wie seine Akteure stürmisch gefeiert. Der Regisseur („Judas“), der dem freien Theater in Kray seit 20 Jahren verbunden ist, vermag mit einfachen Mitteln zu arbeiten und zu erstaunen. Das Treppenhaus, wo unter Corona-Regeln alle Vorstellungen stattfinden, verwandelt er wahlweise in ein kleines Zimmer, in dem ein Stuhl mit zwei abgesägten Beinen zwischen Hutschachtel, Schminkbox und Koffer Platz findet, oder in eine Showtreppe, die glanzvolle Auftritte auch ohne Glitzer an den Stufen garantiert.
Ob seidiger Morgenmantel, karierter Reise-Zweiteiler oder die glamouröse Abendrobe – die Kostüme von Anke Kortmann sorgen für den Zauber und die Verortung der Titelheldin. Die jüdische Sängerin und Schauspielerin flieht 1938 aus der österreichischen Heimat in die Schweiz, wo sie ausgewiesen wird, dann nach Amerika, wo sie zum frivolen Star aufsteigt und dem Alkohol verfällt, um resigniert in das Land der Ewiggestrigen zurückzukehren.
Diese Paraderolle für eine Schauspielerin verlangt nach einem Multitalent und genau das ist Sandra Busch. Sie kann singen, sie kann sich vorzüglich bewegen und das Publikum auch. Sie könnte glatt zum Liebling der Saison avancieren. Herzerfrischend kommt ihr das bekannte „Im Theater ist was los“ über die Lippen. Kess attackiert sie das Verhältnis von Frauen und Männern mit „Die Wahrheit vertragen sie nicht“. Herrlich bissig zeigt sie sich mit „Ich bin ja nur die Frau Schmidt“.
Und auch ohne den versierten Musiker Heiko Salmon am Piano, der gerne mit Überraschungseffekten punktet, überzeugt Sandra Busch als unpolitische Künstlerin, die immer wieder von der Politik eingeholt wird. Selbst als ihr verschollener Freund Leo von Dachau erzählt, will sie davon nichts wissen. Sie will ja nur spielen.
In der flotten Szenenfolge kitzelt Regisseur Rumphorst die Wandlungsfähigkeit aus Sandra Busch heraus. Sie beherrscht die Klaviatur der Emotionen.
Studio-Bühne bezieht Stellung gegen Antisemitismus
Mal ist sie himmelhoch jauchzend, mal betrübt. Melancholisch, komisch und mit einer Prise Sex-Appeal erzählt sie ihre Geschichte vor dem Hintergrund des Nationalsozialismus. Wie die engagierte Studio-Bühne mit diesem Kreisler-Stück eindrücklich Stellung bezieht gegen Antisemitismus, geht an Zuschauerinnen und Zuschauern nicht vorbei.
Der lange vermisste begeisterte Beifall mündet in trampelnden Füßen. Im Theater an der Korumhöhe ist endlich wieder was los.