Essen. Nach antisemitischen Vorfällen in Gelsenkirchen und anderswo hat die Polizei die Sicherheitsmaßnahmen für die Essener Synagogen erhöht.

Die antisemitischen Angriffe in Gelsenkirchen, Münster und Bonn haben die Jüdische Gemeinde Essen alarmiert. „Wir sind besorgt darüber, dass die Situation hierzulande derart eskaliert“, sagt der Vorsitzende Schalwa Chemsuraschwili – und fügt hinzu: „Antisemitismus darf in Deutschland keinen Platz haben.“

Wie Polizeisprecher Christoph Wickhorst bestätigt, hat die Essener Polizei die Sicherheitsmaßnahmen für die Alte Synagoge und die Synagoge an der Sedanstraße in den letzten Tagen verschärft.

Essener Ordnungsdezernent zu den jüngsten Angriffen: „Das ist purer Antisemitismus“

Ordnungsdezernent Christian Kromberg findet es „absolut inakzeptabel und empörend, dass die jüdische Bevölkerung in unserem Land für einen Konflikt verantwortlich gemacht wird, der nach Israel hineingetragen worden ist“. Die Vorfälle in Gelsenkirchen und anderswo nennt Kromberg „puren Antisemitismus“. Essen stehe fest an der Seite der Menschen jüdischen Glaubens. „Das lassen wir uns nicht kaputt machen“, so der Dezernent. Polizei und Stadtverwaltung arbeiteten eng zusammen, um die Sicherheit der jüdischen Bevölkerung zu gewährleisten.

Essener OB schreibt Bürgermeister von Tel Aviv

OB Thomas Kufen hat dem Bürgermeister von Tel Aviv, Essens Partnerstadt in Israel, einen Brief geschrieben. Darin heißt es: „Es ist sehr besorgniserregend, dass wir in den letzten Wochen zunehmende Spannungen beobachten müssen. Insbesondere in Städten, in denen Palästinenser und Israelis gleichermaßen leben, wie in Lod und weiteren Orten. Gewalt ist in keiner Weise eine Lösung für die offenen politischen Probleme.“Zugleich bedauert Kufen die Angriffe auf Synagogen in Münster und Bonn.Anlässlich des 30-jährigen Jubiläums der Städtepartnerschaft am 14. Juni 2021 bietet die Alte Synagoge in Essen digitale Veranstaltungen an.

Auch der Vorsitzende der Jüdischen Kultusgemeinde lobt ausdrücklich die von der Polizei getroffenen Sicherheitsmaßnahmen. „Die Polizei unternimmt alles, um das zu verhindern, was anderswo passiert ist.“ Die Kräfte seien rund um die Uhr im Einsatz.

Trotzdem spricht Schalwa Chemsuraschwili nicht erst seit der Eskalation des arabisch-israelischen Konflikts von einem latenten Unsicherheitsgefühl in der Gemeinde. Dem Rabbiner der Gemeinde etwa habe er dringend davon abgeraten, die Kippa in der Öffentlichkeit zu tragen, um sich nicht zur Zielscheibe von Beleidigungen oder Angriffen zu machen. „Ich habe ihn gebeten, über der Kippa einen Hut zu tragen.“

Der Schock nach den Steinwürfen auf die neue Synagoge sitzt immer noch tief

Für die Gemeinde sei es ein Schock gewesen, als ein Mann im vergangenen November Betonsteine gegen das Fenster der neuen Synagoge geschleudert habe. Der Täter, ein gebürtiger Iraner, muss sich für diese Tat vor Gericht verantworten. Die Staatsanwaltschaft hat beantragt, den 38-Jährigen in die geschlossene Psychiatrie einzuweisen.

Der Rabbiner erlitt durch den lauten Knall, den die Steinwürfe am 20. November verursachten, einen Schock. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft leide er seitdem unter Angst- und Schlafstörungen. Der Sachschaden habe rund 25.000 Euro betragen.

Schalwa Chemsuraschwili stammt aus Georgien und lebt seit 2002 in Deutschland. Die antisemitischen Vorfälle erfüllten ihn mit großer Sorge. „Ich hätte nicht gedacht, dass es in Deutschland so etwas geben könnte, aber unsere Leute müssen wohl damit leben.“

Neben dem rechtsextremistisch und neonazistisch motivierten Antisemitismus schlage Juden hierzulande immer wieder Hass aus der arabischstämmigen Bevölkerung entgegen. „Dabei sind wir mit muslimischen Gemeinden in Essen gut befreundet, wir haben gute Beziehungen zur muslimischen Community“, betont Chemsuraschwili. Dass Juden in Essen für Konflikte in Israel zur Rechenschaft gezogen würden, findet er völlig unangemessen. „Wir sind nicht die israelische Botschaft.“