Essen-Heisingen. Es war das erste große Fest seit Beginn der Pandemie, das Dorffest in Heisingen. Wie die Reaktionen von Besuchern und Schaustellern ausfielen.

Es war wohl das erste große Stadtteilfest in Essen seit Beginn der Pandemie, das Dorffest in Heisingen. Trotz mancher Schauer und bedecktem Himmel lockte es zwei Tage lang Besucherscharen an, was unter den Gästen allerdings auch gemischte Gefühle auslöste. „Zu voll“, empfanden es die einen, die anderen waren froh über ein Stück wieder gewonnene Normalität, darunter auch manche Schausteller.

Kirmescharakter und oftmals drangvolle Enge beim Dorffest in Heisingen

Die Musik des Autoscooters dröhnt wie bei einer Kirmes üblich über den Platz, alle Wagen sind in Bewegung und die Schlange der Wartenden lässt erahnen, dass das auch noch länger so bleiben wird. Ähnlich ist das Bild am Kinderkarussell, der Achterbahn und an den Getränkeständen.

„Hätte ich nicht gedacht, dass es so voll wird“, heißt es im Kreis von einigen jungen Leuten. „Das macht mir sogar, ehrlich gesagt, ein bisschen Angst“, meint einer, ein anderer sieht es eher gelassen: „Ich bin zwei Mal geimpft und habe mich auch noch testen lassen“. Die Fülle schreckt ihn nicht, irgendwann müsse es doch auch mal wieder so sein wie früher. Die Infektionszahlen schnellen aber doch wieder in die Höhe, gibt ein Dritter zu bedenken. Doch dann bricht sich die Feierlaune in der Gruppe Bahn: „Leute, lasst uns ein Bier trinken, heute haben wir die Gelegenheit“.

Wenige Meter weiter steht eine Frau mit einem Weinglas in der Hand. „Ich bin jetzt zum zweiten Mal geimpft“. Da mache ein solches Fest erst recht Laune. Sie hat sich mit Freunden und Bekannten auf den Weg gemacht, darunter Bozena Barzczyk (40), die den Trubel als ganz angenehm empfindet. Es habe schließlich lange genug gedauert, bis solch ein Fest wieder möglich sei, gibt sie zu verstehen.

Hinweisschilder erinnerten die Besucher an die Corona-Regeln.
Hinweisschilder erinnerten die Besucher an die Corona-Regeln. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Dass aber noch längst nicht wieder alles beim Alten ist, davon zeugen die großen Tafeln mit dem Willkommensgruß „Liebe Gäste“. Was danach folgt, dürfte inzwischen wohl jeder kennen und wer im Zweifel sein sollte, dem wird dringend nahe gelegt, sich an das Corona-Regelwerk zu halten: Mundschutz, Abstand, Handhygiene, Niesen in die Armbeuge, das übliche Programm.

Der Blick auf den Platz lässt aber gewisse Zweifel aufkommen, ob das mit dem Abstand auch immer so passt. Nun ja, meint eine junge Frau, man befinde sich doch unter freiem Himmel. Claudia Fidel (44) gehört wiederum zu denen, die Mundschutz tragen und auch mit gutem Beispiel vorangehen möchte. „Ich denke vor allem an die Kinder, die noch nicht geimpft werden können“. Ihre beiden sind sechs und acht Jahre alt. Das Dorffest zu besuchen, macht allen Laune, am stärksten sei der Wunsch bei der Großmutter gewesen.

Aussteller hoffen: Heisingen soll keine Eintagsfliege bleiben

Der Autoscooter war stark gefragt, beim Kartenverkauf bildeten sich immer wieder Schlangen.
Der Autoscooter war stark gefragt, beim Kartenverkauf bildeten sich immer wieder Schlangen. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Sie steht mit ihren Enkeln an der Spielbude mit Entenangeln. Betreiber Steven Müller ist voll des Lobes über des Dorffest. Das erste Mal seit 16 Monaten, dass man wieder eine solche Freiheit genießen könne. Natürlich will er den Kirmes-Park am RWE-Stadion im Juli nicht außer Acht lassen, aber „der große Unterschied: Hier ist nichts eingezäunt, so wie man es bis Corona gewohnt war“. Der 33-Jährige hofft inständig, dass Heisingen keine Eintagsfliege bleibt und allmählich Feste wie dieses wieder ganz regulär dazugehören.

Polizeieinsatz irritiert Festbesucher

Auf den Namen Wottelfest hatte die Werbegemeinschaft ganz bewusst verzichtet, da das nach Ansicht des Vorsitzenden Jens Kürvers falsche Erwartungen geweckt hätte.Als nach dem Konzert am Samstag ein Mannschaftswagen der Polizei auftauchte und mehrere Einsatzkräfte vor Ort waren, sorgte das für Irritationen unter den Besuchern. Nach Angaben eines Polizeisprechers hatten die Beamten vor Ort Verstärkung gefordert, nachdem sich eine größere Gruppe von Jugendlichen in einem Park versammelt hatte und es wohl auch einige Rangeleien gab. Das Eintreffen der Polizisten zeigte aber offensichtlich Wirkung. Plötzlich waren die jungen Leute in alle Winde verstreut.Der Auftritt der Musikgruppe Julie Tomekpe & Jesse Lee Davis am Samstagabend gehörte zu den Höhepunkten im Programm des Dorffests. Vor der Bühne kam eine große Menschenschar zusammen und ließ sich von Rhythmus und Sound begeistern.

Renates Rendschmidts Imbiss-Stand ist nur wenige Schritte entfernt. „Endlich“, sagt sie. Die Zeit sei sehr lang gewesen, zu lang. Der Betrieb bestehe inzwischen in siebter Generation und sei ihre wirtschaftliche Existenz. Gut zu tun hat sie beim Dorffest, „die Leute haben Hunger“, sagt die 60-Jährige mit einem Schmunzeln. Und wenn Klaus Tyroff, der lange Zeit in Heisingen lebte und seiner alten Heimat einen Besuch abstattete, zuhört, dann bekommt das Wort Hunger noch eine andere Wendung: „Sicherlich sind hier viele Leute, aber die Menschen möchten doch solche Veranstaltungen auch mal wieder erleben“.

Nach Fahrten mit der Herzchenbahn hatten sich offensichtlich viele Besucher gesehnt. Das Fahrgeschäft war gut ausgelastet.
Nach Fahrten mit der Herzchenbahn hatten sich offensichtlich viele Besucher gesehnt. Das Fahrgeschäft war gut ausgelastet. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Genau das war auch für Jens Kürvers, Vorsitzender der Heisinger Werbegemeinschaft, der entscheidende Impuls, sich für dieses Format stark zu machen. Kritiker konnte er schließlich überzeugen, auch die Stadt gab schließlich grünes Licht. Am Samstagmorgen noch gab es eine eingehende Lagebesprechung.

Dass das Fest eine Nummer kleiner ausfiel als das traditionelle Wottelfest, diese Entscheidung sei nur folgerichtig gewesen, meint Kürvers. Im Zweifelsfall hätte man in letzter Minute noch das Gelände absperren müssen, so der Organisator. „Angesichts der Straßenzüge, die sonst dazugehörten, wäre das schlichtweg nicht machbar gewesen“. Eine Reihe von Gästen meinte nämlich, dass mehr Fläche auch ermöglicht hätte, die Abstandsregeln besser einzuhalten. Andere wiederum widersprachen: Dann wäre es womöglich noch voller geworden.

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