Essen. Einer der beiden Bomben-Verdachtsfälle in Rüttenscheid hat sich als Fehlalarm herausgestellt. Der zweite soll im Herbst untersucht werden.

Die Hals-über-Kopf-Entschärfung von gleich zwei Blindgängern in Essen-Rüttenscheid hat vor zwei Wochen Behörden, Helfer und Anwohner über viele Stunden bis in den frühen Morgen in Atem gehalten - jetzt kann der Stadtteil erst einmal Luft holen: Einer der zwei weiteren Bomben-Verdachtspunkte an der Rosastraße hat sich dieser Tage als Fehlalarm herausgestellt. Und der zweite mit der Nummer 11/98 ganz in der Nähe am Helmholtz-Gymnasium soll erst am 18. Oktober genauer untersucht werden.

Dies berichtete Matthias Blackert, als Sicherheitskoordinator der Stadt Essen unter anderem zuständig für die Gefahrenabwehr, am Dienstag auf Anfrage. „Wir haben uns darauf geeinigt, das Erdreich an dem Montag in der zweiten Woche der Herbstferien zu sondieren“, sagte Blackert.

Die Entschärfung möglichst in Ruhe vorbereiten

Sollte sich der Verdacht dann bestätigen, sei man bemüht, die Entschärfung bestmöglich in Ruhe vorzubereiten. Ist wie beim vergangenen Mal allerdings Gefahr im Verzug, weil das Weltkriegs-Relikt von einer Baggerschaufel erschüttert wurde, stehe dem Stadtteil „im Extremfall ein vergleichbares Szenario“ wie am 10. August bevor - inklusive der Evakuierung von zwei Senioreneinrichtungen und Tausenden Wohnungen.

Wie groß der Sicherheitsradius rund um den Fundort gezogen wird, ist noch offen. Das bestimme letztlich ein Sprengstoff-Experte und es hänge nicht zuletzt auch davon ab, ob es sich um ein Fünf- oder Zehn-Zentner-Exemplar handele, das da im Boden liegt.

Der Einsatz würde technisch anspruchsvoller

Einer der beiden Blindgänger wurde am 10. August auf dem Gelände des Helmholtz-Gymnasiums entschärft. Ob sich der dortige zweite Verdachtsfall bestätigt oder nicht, hängt von den Sondierungen am 18. Oktober ab.
Einer der beiden Blindgänger wurde am 10. August auf dem Gelände des Helmholtz-Gymnasiums entschärft. Ob sich der dortige zweite Verdachtsfall bestätigt oder nicht, hängt von den Sondierungen am 18. Oktober ab. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Klar aber ist schon jetzt: Sollte sich der Verdachtsfall bestätigen, wird die Entschärfung zumindest technisch anspruchsvoller als beim letzten Mal. Das noch unbekannte Objekt liegt so tief im Boden, dass der Grundwasserspiegel abgesenkt werden muss. Für diese sogenannte Wasserhaltung rechnen die Essener Behörden mit zusätzlichen Kosten in Höhe von rund 20.000 Euro, für die üblicherweise der jeweilige Bauträger aufkommt, auf dessen Grundstück ein Blindgänger gefunden wurde.

Im Rüttenscheider Fall macht dies allerdings keinen wirklichen Unterschied. Betroffen wäre die GVE Grundstücksverwaltung Stadt Essen GmbH, die als städtische Tochter auf dem Gelände einen Kraftraum für das Helmholtz-Gymnasium errichten will. Am Ende zahlt also die Kommune, so oder so.

Stadtweit gibt es rund 800 Blindgänger-Verdachtspunkte

Üblicherweise kostet eine herkömmliche Sondierung, die ohne zusätzlichen Aufwand über die Bühne geht, eine kleinere fünfstellige Summe, wie Blackert weiß. Für die eigentliche Entschärfung danach inklusive aller Sicherheitsvorkehrungen, des Einsatzes manchmal hunderter Helfer und der Einrichtung von Betreuungsstellen kommt dann die öffentliche Hand auf.

Die Evakuierung am 10. August war eine der größten, die in Essen jemals über die Bühne gegangen ist. In einem der am dichtesten besiedelten Stadtteile mussten fast 10.000 Anwohner ihre vier Wände verlassen, darunter rund 200 Hilfsbedürftige. Gut 500 Kräfte unter anderem aus Nachbarstädten waren im Einsatz, und das teils bis in die Morgenstunden. Es herrschte der absolute Ausnahmezustand im Stadtteil.

Wie viele Bomben aus dem Zweiten Weltkrieg noch tief im Essener Erdreich verborgen sind, kann niemand genau sagen. Doch es gibt grobe Schätzungen, die sich aus einer langjährigen Erfahrung speisen. An rund 800 Punkten im Stadtgebiet könnte sich nach Auswertung von Luftbildern ein Blindgänger befinden, sagt Blackert. Etwa jeder dritte dieser Verdachtsfälle bestätigt sich.