Essen. Wo die zehn ältesten Bäume in Essen stehen, gibt die Naturdenkmalliste der Stadt preis. Auf Platz eins ist eine 350 Jahre alte Eiche.

Der älteste Baum in Essen steht in einer kleinen Straße in Rellinghausen auf einem Privatgrundstück. Laut Naturdenkmalliste der Stadt ist die Eiche rund 350 Jahre alt und damit rund 100 Jahre älter als die beiden Esskastanien, die am Sommersberg 4 in Kettwig auf dem zweiten Platz landen.

Der Rellinghauser Heimatforscher Johannes Stoll vermutet, dass die sogenannte Lüstner-Eiche nach Otto Lüstner, einem ehemaligen Gartenbaudirektor der Stadt benannt wurde. Die beiden Straßen, auf deren Ecke der Baum steht, wurden hingegen 1936 mit „Alte Eichen“ und „Viereiechenhöhe“ nach dem dortigen Baumbestand benannt.

Historische Aufzeichnungen gibt es nur selten

Wie alt die Lüstner-Eiche genau ist, weiß niemand. Die Jahresringe des Stamms würden das Geheimnis preis geben. Die kann man jedoch naturgemäß erst zählen, wenn der Baum gefällt ist. So können Experten anhand von Berechnungen mithilfe des Stammumfangs - bei der Lüstner-Eiche beträgt der rund 5,5 Meter - und Erfahrungswerten das Alter von Bäumen nur schätzen. Jacqueline Schröder vom Presseamt der Stadt: „Ein weitere Möglichkeit der Altersbestimmung ist dann gegeben, wenn historische Aufzeichnungen über die Pflanzung vorliegen, was aber nur selten der Fall ist.“

Diese Esskastanien am Sommersberg in Essen Kettwig sind mit geschätzten 260 Jahren auf Platz zwei der ältesten Bäume im Stadtgebiet.
Diese Esskastanien am Sommersberg in Essen Kettwig sind mit geschätzten 260 Jahren auf Platz zwei der ältesten Bäume im Stadtgebiet. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Mit seinen rund 350 Jahren - andere Quellen sprechen von 400 oder gar 500 Jahren - zählt der riesige Baum in Rellinghausen jedenfalls noch nicht zu den ältesten seiner Art. Stieleichen können bis zu 1000, in Ausnahmefällen auch bis zu 1400 Jahre alt werden.

Auf Essener Stadtgebiet sind die jedoch nicht zu finden. 200 Jahre alte Esskastanien, Eichen und Eiben stehen hingegen in Überruhr, Burgaltendorf und Heisingen. Aufgrund der Grünstruktur des Essener Stadtgebietes findet man die meisten Naturdenkmale im Süden. Nördlich der Innenstadt sind keine Bäume auf der Liste der zehn ältesten Bäume zu finden.

80-jährige Buche in Essen-Stoppenberg

Essener und Essenerinnen kämpfen jedoch in Zeiten des Klimawandels auch für jüngere Bäume, wie die Baumbesetzung einer rund 80-jährigen Buche in Stoppenberg zuletzt zeigte. Dort, wo sie steht, werden in den nächsten Jahren Häuser errichtet. Die Anwohner argumentierten unter anderem mit der Menge an Kohlendioxid, die so ein alter Baum speichert. Wie viel genau lässt sich nur schwer berechnen - Baumart, Alter, Holzdichte, Klima, Bodenqualität und Wasserversorgung spielen eine Rolle, eine allgemeingültige Aussagen ist daher schwierig. Dass der 80 Jahre alte Baum nun einmal mehr CO2 bindet als kein Baum oder eine junge Ersatzpflanzung ist hingegen unumstritten.

Die Krux ist jedoch, dass dieser Baum laut Gutachter von einem Pilz befallen, somit nicht mehr standsicher ist und seine Tage gezählt sind. Krankheiten und Stürme haben in den vergangenen Jahren auch andere Bäume ihren Platz in der Liste der Naturdenkmäler gekostet.

Einzelschöpfungen der Natur

Dort aufgenommen werden nämlich jene Bäume, die mindestens 80 Jahre alt sind und eine weitere Voraussetzung erfüllen: eine besonders schöne Baumkrone, eine markante Kronenform, eine historische Bedeutung oder, dass sie eine botanische Besonderheit darstellen. Schröder: „Unter einem Naturdenkmal sind Einzelschöpfungen aus der Natur zu verstehen, die aus wissenschaftlichen, naturgeschichtlichen oder landeskundlichen Gründen oder wegen ihrer Seltenheit, Eigenart oder Schönheit geschützt werden sollen.“

Baumbesetzer kämpften im vergangenen Jahr um eine 80-jährige Buche in Essen-Stoppenberg.
Baumbesetzer kämpften im vergangenen Jahr um eine 80-jährige Buche in Essen-Stoppenberg. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

33 Bäume und 13 Findlinge unter Schutz

Der Stadtrat hatte vor kurzem eine neue Verordnung zu den Naturdenkmalen erlassen. Die Vorgänger-Regelung hatte nach 20 Jahren ihre Gültigkeit verloren. Im Zuge des gesamten Verfahrens wurden auch zusätzliche Bäume mit auf die Liste gesetzt. Berücksichtigt hatte die Stadt bei der Auswahl Vorschläge aus der Bevölkerung, von Mitgliedern politischer Gremien, Verbänden und der Stadtverwaltung.

Alle unter Schutz gestellten Naturdenkmale wurden nach Angaben der Stadt bei Ortsbesichtigungen auf ihre Schutzwürdigkeit überprüft und ihre Lage genau erfasst. Neben den 33 Bäumen sind auch 13 Findlinge unter besonderen Schutz gestellt worden.

Sie dürfen demnach nicht beschädigt, verändert oder beseitigt werden. Müssen aus Sicherheitsgründen Äste entfernt werden und sind Pflegearbeiten notwendig, bedarf es dazu einer entsprechenden Anweisung der Unteren Naturschutzbehörde. Zudem gibt es eine Vorgabe, die gerade für etwaige Bautätigkeiten im Umfeld ein wichtiges Maß enthält: 1,50 Meter - vom Rand der Baumkrone gerechnet - müssen frei bleiben. Jacqueline Schröder erklärt, dass durch Stürme wie zum Beispiel Ela im Jahr 2014 einige Bäume so stark in der Krone beschädigt wurden, dass sie aus der Verordnung entlassen werden mussten, da die Schutzkriterien nicht mehr gegeben waren.

Grundsätzlich könnten sich ältere Bäume jedoch viel besser an die Herausforderungen des Klimawandels wie Stürme und Fluten anpassen, da sie oft ein extrem starkes Wurzelwerk ausgebildet haben und bereits viele Jahre an den Standorten stehen und sich somit an die örtlichen Gegebenheiten angepasst haben. Der Mensch kann sie zusätzlich schützen, indem er sie in Ruhe lässt.