Essen. Die Kommission Islam und Moscheen in Essen warnt nach dem Hanauer Anschlag vor dem Erstarken des Rechtsextremismus und Islamfeindlichkeit.
Nach dem offenbar fremdenfeindlich motivierten Attentat von Hanau hat der Vorsitzende der Kommission Moscheen und Islam in Essen, Muhammet Balaban, vor dem Erstarken des Rechtsextremismus gewarnt. „Deutschland muss aufwachen, das geht so nicht mehr weiter“, sagte der Chef des Islam-Dachverbandes, der seit 20 Jahren auch dem Verband der Immigrantenvereine in Essen vorsteht.
In der vergangenen Woche war die Ulu-Moschee in Essen-Steele zusammen mit drei anderen Ditib-Moscheen in NRW das Ziel anonymer Bombendrohungen. Die von Unbekannten verfasste Droh-Mail, die dieser Redaktion vorliegt, hat einen rechtsextremistischen und ausländerfeindlichen Hintergrund.
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Der Ditib-Islamverband NRW hatte daraufhin die zunehmende Islamfeindlichkeit in Deutschland angeprangert. „Sie hat ihren Höhepunkt erreicht“, heißt es in einer Presseerklärung. Weiter heißt es darin: „In unseren Moscheegemeinden sorgen diese Angriffe auch ständig für Spannung und Angst.“
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Muhammet Balaban: „Wir fühlen uns im Stich gelassen“
Muhammet Balaban, der bekannt für sein eher moderates Auftreten ist, reagierte am Morgen nach dem Hanauer Anschlag nicht nur tief betroffen, sondern auch ungehalten. „Wir sind enttäuscht und erbost darüber, dass wir im Stich gelassen werden.“
Enttäuscht seien Muslime in Essen von der deutschen Mehrheitsgesellschaft. „Keiner sagt was, die Leute ducken sich weg“, sagt Balaban. Bei anderen Anschlägen werde die muslimische Community aufgefordert, Erklärungen abzugeben, es gebe Mahnwachen und Kerzenlichter. „Bei uns passiert hingegen nichts.“
Das Schweigen der Gesellschaft habe fatale Folgen. „Potenzielle Täter aus dem rechtsextremen Milieu werden dadurch ermutigt, neue Anschläge zu begehen.“
Der zunehmende Rechtsextremismus, so Balaban, betreffe nicht nur die Muslime hierzulande, sondern auch die anderen Migrantengruppen. Dem Essener Immigrantenverbund gehörten 80 Migrantengruppen an. „Wir sind ein bunter Verband mit allen Farben und Religionen und alle haben Angst“, sagt Balaban.
Zentrum für Türkeistudien: „Islamfeindliche Parolen sind salonfähig geworden“
In einem am Mittwoch (19. Februar) – also vor dem Hanauer Anschlag – geführten Interview bestätigte Yunus Ulusoy, Programmverantwortlicher beim Zentrum für Türkeistudien in Essen (ZfTI), die zunehmenden Ängste in der türkischstämmigen Community vor der zunehmenden Fremden- und Islamfeindlichkeit. Dinge, die noch vor Jahren tabuisiert gewesen seien, würden heute offen ausgesprochen. „Islamfeindliche Parolen sind salonfähig gemacht worden“, so Ulusoy.
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Die Ängste in den muslimischen Gemeinden seien greifbar. „Viele fragen sich mittlerweile: Wird mich dieses Land in zehn Jahren noch haben wollen?“. Während die erste und zweite Zuwanderer-Generation noch eine stärkere Hinwendung zum Ursprungsland besitze, reagierte die dritte Generation viel sensibler auf Ausgrenzung und Diskriminierung. Ulusoy: „Die dritte Generation nimmt Ausgrenzung viel intensiver wahr, weil sie ja dazu gehören möchte.“
Der Wissenschaftler des in Essen ansässigen Forschungsinstitutes verweist auf die Ergebnisse einer von der Universität Münster in Auftrag gegebenen Emnid-Umfrage von 2016. Diese habe zutage gebracht, dass sich 51 Prozent der türkischstämmigen Menschen in Deutschland als „Bürger zweiter Klasse“ betrachteten. Und sogar 54 Prozent hätten der Aussage zugestimmt: „Egal wie sehr ich mich anstrenge, ich werde nicht als Teil der deutschen Gesellschaft anerkannt.“
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Mit der AfD, so Yunus Ulusoy, gehöre eine „offen islamfeindliche Partei“ dem deutschen Bundestag, Landtagen und Stadträten an. AfD-Plakate würden werben für „Deutsche Leitkultur – islamfreie Schulen“. Von einem AfD-Politiker stamme das verletzende Zitat: „Wir riefen Gastarbeiter, bekamen aber Gesindel.“