Essen. Ein Preiskampf gegen einen Mitbewerber sorgt bei den Entsorgungsbetrieben Essen für Unruhe. Welche Rolle spielt EBE-Mitgesellschafter Remondis?
Es ist schon eine Weile her, da gaben sich Juristen bei den Entsorgungsbetrieben Essen (EBE) die Klinke in die Hand – auf der Suche nach belastendem Material gegen den damaligen städtischen Geschäftsführer Klaus Kunze, in Marsch gesetzt vom privaten Mitgesellschafter Remondis.
Seit einigen Wochen beschäftigen sich abermals Anwälte mit Interna der EBE. Mitarbeiter des hauseigenen Containerdienstes haben den Stein ins Rollen gebracht. Sie hatten sich an den Betriebsrat gewandt, weil ihnen so manches spanisch vorkam.
Intern firmieren die Vorgänge unter dem Begriff „Harmuth-Offensive“. Harmuth, das ist das private Entsorgungsunternehmen mit Sitz auf dem Econova-Gelände in Bergeborbeck, ebenfalls im Containergeschäft tätig und dort ein Konkurrent der EBE.
Mitarbeitern des Vertriebes kam die „Offensive“ spanisch vor
Die EBE-Vertriebsmitarbeiter sollen von ihrem Abteilungsleiter mit Nachdruck aufgefordert worden sein, bei der Kundenakquise Preise der Firma Harmuth konsequent zu unterbieten. Auch dann, wenn die EBE mit solchen „Dumpingpreisen“ kein Geld verdienen würde. So schilderten es nach Informationen der Redaktion mehrere Mitarbeiter gegenüber dem Betriebsrat. Da war die besagte „Harmuth-Offensive“ bereits seit dem Spätherbst vergangenen Jahres in vollem Gange.
Nun, Billigangebote kennt der Verbraucher vom Discounter an der nächsten Ecke. Auch in der Entsorgungsbranche sollen Lockangebote durchaus üblich sein. Die Wucht aber, mit der ein Konkurrent gezielt unter Feuer genommen werden sollte, machte Mitarbeiter stutzig.
Welches Interesse hätte die EBE an der Übernahme eines Konkurrenten?
Vollends weckte ihr Misstrauen, wie ihr Abteilungsleiter die aggressive Preispolitik begründet haben soll: Remondis wolle Harmuth übernehmen. Remondis selbst habe eine entsprechende Offensive gestartet. Sollte diese durch die EBE orchestriert werden?
Preise, Daten und Gegenangebote, so heißt es, sollten die Vertriebsmitarbeiter regelmäßig weiterleiten – direkt an Remondis, was den ein oder anderen, der bei der EBE damit befasst war, dann doch verblüffte.
Versucht Remondis sich einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen, in dem sich der Entsorger interner Informationen eines Beteiligungsunternehmens bedient? Ja, nutzt der private Entsorger seine Minderheits-beteiligung, um eigene wirtschaftliche Interessen durchzusetzen, in diesem Fall, um einen Konkurrenten aufzukaufen?
Dürfen Mitarbeiter interne Informationen an Remondis weitergeben?
Die Rethmann-Gruppe, zu welcher der Branchenriese Remondis gehört, steht im Ruf, nicht zimperlich zu sein, wenn es ums Geschäft geht. Aber was hätte die EBE davon, sollte Remondis die Firma Harmuth übernehmen? Die Geschäftsführung wollte sich auf Anfrage der Redaktion auch dazu nicht äußern. Ist den Entsorgungsbetrieben womöglich sogar ein wirtschaftlicher Schaden entstanden, indem sie Leistungen im Containergeschäft unterhalb marktüblicher Preise anbot?
EBE-Gesellschafter
Mit 51 Prozent der Anteile ist die Stadt Essen Mehrheitsgesellschafter der Entsorgungsbetriebe Essen (EBE). Das private Entsorgungsunternehmen Remondis hält 49 Prozent der Anteile. Das Vertragsverhältnis zwischen den beiden Partnern läuft bis Ende 2023. Der Vertrag verlängert sich, sofern er nicht bis Ende dieses Jahres gekündigt wird und die Stadt Essen die Abfallentsorgung wieder in eigene Hände übernimmt.
Nach Informationen der Redaktion hat sich auch mit dieser Frage inzwischen im Auftrag der Geschäftsführung eine Anwaltskanzlei befasst. Die Herren Anwälte sollen jedoch keinen Schaden zu Lasten der EBE erkennen können. Die beauftragte Kanzlei berät Remondis seit Jahren in Rechtsfragen. Wohl auch deshalb soll der EBE-Aufsichtsrat darauf gedrängt haben, eine zweite juristische Meinung einzuholen. Zumal fraglich scheint, ob die Mitarbeiter des Vertriebes, wie ihnen geheißen worden sein soll, Firmen-Interna an Remondis hätten weitergeben dürfen; und wenn ja, für welchen Zweck?
Der Abteilungsleiter des Containerdienstes soll jedenfalls auf Anweisung „von oben“ gehandelt haben. Ihn selbst werden die Anwälte dazu nicht mehr befragen können. Der Mann hat die EBE verlassen, sein Arbeitsvertrag wurde aufgelöst – wie es heißt, in gegenseitigem Einvernehmen. Auf mögliche Ansprüche soll die EBE dabei verzichtet haben.