Essen. Nach einer Pandemie-Pause ist die selbst ernannte Bürgerwehr wieder aufmarschiert. Der uniformierte Auftritt blieb nicht ohne Zwischenfälle.

Monatelang waren die „Steeler Jungs“ von der Bildfläche verschwunden. Pandemiebedingt. Doch kaum lässt die Corona-Lage „Spaziergänge“ der rechten Truppe durch den Stadtteil wieder zu, gibt es Ärger. Der erste größere Auftritt der selbst ernannten Bürgerwehr in diesem Jahr am 15. Juli hat gleich für strafrechtliche Ermittlungen wegen Nötigung und deutliche Kritik an dem Verhalten der Polizei gesorgt. Eine gemeinsame Kundgebung der Bündnisse „Mut machen - Steele bleibt bunt“ sowie „Essen stellt sich quer“ am Donnerstag (22. Juli) ab 17.30 Uhr auf dem Grendplatz ist eine weitere Konsequenz.

„Es reicht“, heißt es in einer Erklärung: „Steele darf kein Nazi-Kiez werden.“ Das sollen rund 100 Protestler einmal mehr deutlich machen.

Ob die „Steeler Jungs“ während der Versammlung ebenfalls auflaufen werden, konnte die Polizei am Mittwoch nicht sagen. Zumindest liegt keine Anmeldung vor, hieß es in der Behörde. Die gab es am 15. Juli allerdings auch nicht, als nach Darstellung von Augenzeugen zum ersten Mal seit Monaten „etwa 30 Steeler Jungs, ganz überwiegend Männer, zu einem großen Teil uniform mit schwarzen T-Shirts mit der Aufschrift ,First Class Crew Steeler Jungs’ bekleidet, erneut den Stadtteil unsicher machten“.

Polizei sah „keinen versammlungsrechtlichen Charakter“

Aufgrund des einheitlichen Outfits, das durchaus als politische Botschaft gewertet werden kann, hätte die Polizei das Treffen als nicht angemeldete Versammlung und somit rechtlichen Verstoß werten und auflösen können. Hat sie aber nicht.

„Das ist ein Skandal“, heißt es bei „Essen stellt sich quer“, dass „eine immerhin vom Verfassungsschutz beobachtete Gruppe gleichartig wie zuvor wieder durch Steele marschieren kann“, ohne, dass sie ihre Versammlung anmelde oder von der Polizei begleitet werde. „In der Gruppe tummeln sich Verfassungsfeinde, Rechtsradikale, waschechte Nazis und gewaltbereite Rocker von den Bandidos, die erst letzte Woche verboten wurden“, kritisiert das Bündnis.

Auf Nachfrage dieser Zeitung heißt es bei der Polizei, man habe am Donnerstag zwar ein Auge auf eine Gruppe der „Steeler Jungs“ geworfen, die sich an der Westfalenstraße augenscheinlich zum Biertrinken trafen. Jedoch habe die dortige Zusammenkunft nach Meinung der Beamten „keinen versammlungsrechtlichen Charakter“ gehabt, sagte Polizeisprecher Pascal Schwarz-Pettinato. Deshalb gebe es nun auch keine Ermittlungen wegen Verstoßes gegen das Versammlungsrecht. Allerdings wegen Nötigung.

Vierergruppe wird von 30 Männern umzingelt

Denn der Polizei liegt eine Strafanzeige nach einem Zwischenfall auf dem Kaiser-Otto-Platz vor, über den Irene Wollenberg, die Sprecherin des Steeler Bündnisses sagt: „Ich habe das als Bedrohung empfunden.“ Gezielt seien „Steeler Jungs“ auf sie, ein ebenfalls anwesendes Mitglied des Essener Stadtrates, eine Mitarbeiterin des Kulturzentrums „Grend“ und eine weitere Frau zugelaufen.

„Etwa 30 Männer umzingelten drei Frauen und einen Mann“, beschreibt Wollenberg die Situation. Man sei verbal angegangen worden nach dem Motto, „was uns denn einfiele, die Steeler Jungs in einem Atemzug mit den Bandidos zu nennen“, wie es in einer Erklärung von „Essen stellt sich quer“ zu dem Verbot von Rocker-Chaptern auch in Essen dargestellt wurde. Nach „zwei bis drei Minuten“, so Wollenberg, habe sich die Truppe dann wieder getrollt.

Die Bündnissprecherin ist überzeugt: Dieses bedrohliche Auftreten diente „der Einschüchterung zur Durchsetzung des territorialen Gebietsanspruchs der Steeler Jungs im Stadtteil“.

Gruppe auf einer Bank aus nächster Nähe bedroht

Doch damit nicht genug: Wenig später, so berichten Augenzeugen, ging ein Mitglied der „Steeler Jungs“, die grölend weiterzogen, Vertreter des Bündnisses „Essen stellt sich quer“ an. Er sei auf die Gruppe, die auf einer Bank an der Bochumer Straße saß, zugegangen und habe die Anwesenden aus nächster Nähe „bedroht, unflätig beschimpft und sexistisch beleidigt“. Dieser angebliche Vorfall, so die Polizei Essen, ist bislang allerdings nicht angezeigt worden.