Essen. Öl und Treibstoffe in den Fluten der vergangenen Woche dürften Flora und Fauna zugesetzt haben. In welchem Ausmaß, ist aber noch nicht klar.

Auch nach über 500 Hochwassereinsätzen der Essener Feuerwehr, zahlreichen Sondertouren der Entsorgungsbetriebe mit dem gewaltigen Sperrmüllaufkommen von stadtweit bislang 55 Tonnen und ersten Bestandsaufnahmen an der Infrastruktur: Das Ausmaß der Schäden durch das Hochwasser der vergangenen Woche ist noch längst nicht absehbar.

Doch nicht nur Straßen, Brücken, Häuser oder Versorgungsleitungen sind im Süden der Stadt arg ramponiert worden. Auch Flora und Fauna dürften die Wassermassen und das, was sie mit sich rissen, arg zugesetzt haben.

Ein Tropfen Öl verunreinigt bis zu 1000 Liter Wasser

Wie massiv die Folgen für Natur und Umwelt insbesondere durch fossile Brennstoffe in den Gewässerntatsächlich sind, können die zuständigen Stellen noch nicht realistisch einschätzen. Es gibt keinen akuten Alarm, aber Sorgen schon, heißt es - nicht zuletzt nach dem schaurig-schönen Schauspiel, das sich insbesondere beim Blick von oben auf den Baldeneysee bot.

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Öl und Treibstoff ließen die gesamte Wasseroberfläche flächendeckend auf über 2,6 Quadratkilometern in allen erdenklichen Regenbogenfarben schimmern. Auch die Ruhr und der zu einem reißenden Strom angeschwollene Deilbach waren und sind von schädlichen Substanzen betroffen. Beunruhigend ist: Ein Tropfen Öl kann bekanntlich bis zu 1000 Liter Wasser verunreinigen. Wie viele tausend Liter aus Tanks ausgelaufen sind, weiß niemand genau.

Die Feuerwehr unterrichtete das städtische Umweltamt

Als die Ölschlieren auf dem See gesichtet wurden, unterrichtete die Feuerwehr nach eigenen Angaben das städtische Umweltamt, das sich derzeit noch ein genaueres Bild von der Lage zu machen versucht. Dem mutmaßlich gefährlichen Treiben der vergangenen Tage musste man jedenfalls weitgehend tatenlos zusehen: Die zu hohe Fließgeschwindigkeit der Fluten machte es unmöglich, die gefährlichen Stoffe einzuschlängeln, um sie anschließend sorgsam von den Gewässern zu trennen, sagt Feuerwehrspreche Christoph Riße.

Die Öl, Schmier- und Treibstoffe stammen aus Autos, die im Wasser trieben und vor allem aus Heizungskellern, in denen die Fluten die Tanks aufschwemmten - wie zum Beispiel an der Hinsbecker Löh in Kupferdreh, das bekanntlich besonders heftig vom Hochwasser getroffen worden ist. Dort war laut Umweltamt einer von vielen Kellern überflutet worden und Heizöl ausgelaufen. Allein in diesem leck geschlagenen Tank befanden sich noch etwa 400 Liter, die sich zumindest teilweise mit den Fluten mischten.

Heizöl aus den Kellern herausgespült

Das Heizöl wurde mit der Hochwasser-Strömung herausgespült und lief direkt in den Keller eines Nachbarhauses. Die Feuerwehr konnte dort einen Großteil vorsichtig herauspumpen, bis eine Spezialfirma den Rest mit der aufschwimmenden Ölphase sicherte und anschließend beide Keller reinigte.

Eine Rasenfläche hinter den Häusern, über die ebenfalls ölbelastetes Wassers geflossen sein könnte, wurde von einem Bodengutachter beprobt. Diese Analysen stehen noch aus. Die betroffene Hauseigentümerin hat glücklicherweise eine Elementarversicherung, die für die möglichen Umweltschäden aufkommt.

Vergleichbare Fälle gab es indes zuhauf und die Gefahr ist längst nicht gebannt: „Alle Wehre sind noch geöffnet und deshalb ist auch mit weiterem Treibgut und Öl aus dem Hagener Bereich zu rechnen“, heißt es aus dem städtischen Umweltamt. Nicht ohne Grund kontrollieren die Stadtwerke Essen ihre Trinkwasseraufbereitung seit Tagen „noch engmaschiger“, sagte eine Sprecherin des Versorgungsunternehmens. Doch es seien bislang „keine besorgniserregenden Konzentrationen festgestellt worden“ und das Vertrauen in die Technik ist groß: „Unsere Aufbereitungsanlage funktioniert zuverlässig“.

Ruhrverband hat noch keine aktuellen Informationen

Der Ruhrverband hat nach Auskunft einer Sprecherin „noch keine aktuellen Informationen über die Auswirkungen auf die Gewässer: Das Labor ist dran.“ Bis belastbare Ergebnisse vorliegen, bauen die zuständigen Stellen nach dem Prinzip Hoffnung nun vor allem auf einen Effekt: Durch die immensen Wassermassen dürften die ausgetretenen gefährlichen Stoffe so stark verdünnt worden sein, dass die Umweltbelastung zumindest punktuell nicht so massiv ausfallen dürfte wie bei gemäßigten Pegelständen.

Unterm Strich, das betont die Feuerwehr, die in der Zeit vom 14. bis zum 19. Juli zeitgleich mit bis zu 320 Kräften in der Spitze im Einsatz war, sei die Stadt Essen „mit einem blauen Auge davongekommen“.