Essen. Das Hochwasser zieht sich aus dem Essener Süden zurück. Die Solidarität ist herzerwärmend – auch in den oft gescholtenen Sozialen Medien.
Nach dem Hochwasser rollt nun eine Welle der Solidarität durch den Essener Süden. Die Menschen sind dankbar für jede helfende Hand – davon gibt es beispielsweise in Kettwig viele. Anwohner helfen einander, tragen und schleppen, spenden Trost. Stromaggregate wandern von Haus zu Haus, bis die braune Brühe endlich draußen ist.
„Eine tolle Nachbarschaft. Und vor allem hat uns der Lidl-Markt hier vor Ort ganz unkompliziert mit Jutesäcken geholfen, die wir am Donnerstag dann mit Sand befüllt haben“, lobt Melanie Zeidler (43).
Solidarität in Sozialen Netzwerken sichtbar
„Die Solidarität ist unglaublich“, sagt auch Daniel Behmenburg. Der Kettwiger Ratsherr wohnt in der Ruhrstraße, also auf der anderen Seite des Flusses – der an diesem Tag zwar immer noch reißend, aber fast wieder in sein altes Bett zurückgekehrt ist. „In der Ruhrstraße hat es vor allem die unteren Bereiche getroffen, die Gärten und Keller liegen dort sehr tief.“ Wer am Donnerstag nicht den eigenen Keller schützen musste, sei also zum Nachbarn geeilt, habe mitgeholfen Sandsäcke zu packen.
Am stärksten hat es aber Kupferdreh getroffen. Eine große Rolle bei der Organisation der Hilfe spielen dort auch die sonst oft gescholtenen Sozialen Netzwerke. Deutlich wird das in der größten Facebook-Gruppe aus Kupferdreh: „Kupferdreh – Meine Heimat!“ zählt immerhin 4333 Mitglieder.
„Wer kann mir helfen, alles Nasse aus dem Büro nach draußen zu tragen?“, fragt am frühen Donnerstagnachmittag eine Nutzerin, die von einem „Alptraum“ schreibt. Am späten Abend bedankt sie sich „ganz herzlich bei den Engeln, die heute zu Hilfe kamen“. Eine andere Nutzerin bietet Klamotten, Schuhe, Schlafsäcke sowie Spielzeug für Babys und Kleinkinder. Eine Frau fürchtet: „Vielleicht müssen wir darauf zurückkommen.“
Auch Schlafplätze werden in der Gruppe vermittelt, von der es ähnliche in der ganzen Stadt gibt, so auch in Kettwig. Dort werden (Ferien-)Wohnungen kostenlos zur Verfügung gestellt, Kleiderspenden vermittelt und spontane Aufräum-Teams zusammengetrommelt. „Essen ist irre, was Solidarität angeht“, sagt Markus Pajonk von „Essen packt an!“.
Die Bürgerinitiative fungiert in Essen aktuell als Multiplikator, teilt Facebook-Beiträge aus den Stadtteilen, um Reichweite zu schaffen. Eine großangelegte Hilfsaktion ist für Essen – Stand Freitag – nicht geplant. „Essen packt an!“ will sich bei der Hochwasserhilfe im stark betroffenen Altena sowie in Bad Neuenahr engagieren. „Es ist da noch mal ein anderes Kaliber.“
Viele Kettwiger am Wochenende weiter ohne Strom
In Kettwig ist der Strom in dem Bereich um die Straßenzüge Landsberger Straße, Volckmarstraße und Zur alten Fähre weiterhin abgestellt. Sonntag oder sogar erst Montag werde der Netzbetreiber Westnetz ihn wieder anstellen, haben die Anwohner vernommen. Die 43-jährige Melanie Zeidler hat im Garten noch brauchbare Kleidung zum Trocknen aufgehängt, ein Teppich liegt über dem Gartenzaun.
Alles andere karrt sie zu einem großen Haufen am Ende der Straße: Dort stapelt sich auch der Sperrmüll anderer Haushalte. „Waschmaschine und Trockner sind hinüber. Und da das Wasser im Wohnzimmer stand, kann man die Möbel auch wegschmeißen. Das ist ein Totalschaden.“
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