Essen-Kray. Die Pandemie belastet den Ausbildungsmarkt. Bewerber finden keine Stelle, Firmen keine Interessenten. Jetzt wurde nach Auswegen gesucht.

Rund 1250 Jugendliche in Essen suchen derzeit noch einen Ausbildungsplatz, dabei sind etwa genau so viele Stellen noch frei. Ursachenforschung, aber auch Tipps, wie beide Seiten zusammenfinden können, standen im Mittelpunkt der Ausbildungstour, zu der die Industrie- und Handelskammer federführend eingeladen hatte und bei der Medion AG in Kray Station machte.

Mitarbeiter im Homeoffice: Betriebspraktika mussten ausfallen

Das Unternehmen hat in den vergangenen Jahren eine Strategie entwickelt, um junge Menschen „auf unsere Berufsangebote aufmerksam zu machen“, sagt Ausbildungsleiterin Kira Marx. Dazu zählen unter anderem Betriebspraktika, pro Jahr nutzen fast ein Dutzend Schüler die Chance, um den Betrieb kennenzulernen. Doch durch das Homeoffice in Corona-Zeiten „konnten wir diese Möglichkeit nicht mehr aufrechterhalten“.

Vielen anderen Unternehmen ergehe es ähnlich, berichtet Franz Roggemann, bei der IHK für Aus- und Weiterbildung zuständig. Auch ihnen sei keine andere Wahl geblieben, als Praktika aus dem Programm zu nehmen. Doch ein mehrwöchiger Aufenthalt in einem Betrieb sei für beide Seiten von großem Wert: Schülerinnen und Schüler bekommen erste Eindrücke vom Berufsleben und eine Firma einen Eindruck von den jungen Leuten.

Darüber hinaus habe man durch Corona bedingt viele andere Formate der Berufsorientierung nur rein digital organisieren können, berichtete Stephanie Herrmann, Chefin operativ bei der Agentur für Arbeit. Vielfach konnten die Berufsberater Klassen nicht in der Schule besuchen. Als Ausweichmöglichkeit blieb zwar die Online-Variante, aber ein gleichwertiger Ersatz sei das nun mal nicht.

Zudem herrsche auch eine andere Atmosphäre, wenn sich eine Klasse gemeinsam mit dem Berater über Chancen, Risiken und Perspektiven unterhalte. Auch Ausbildungsbörsen, die für Firmen mit geringerem Bekanntheitsgrad einen großen Stellenwert haben, rein digital anzubieten, stoße auch an Grenzen, ergänzte Roggemann. Kontakt könne man sicherlich auf diesem Weg aufbauen, aber ein persönliches Gespräch vor Ort sei gerade bei einem Thema wie Berufsfindung doch deutlich vorteilhafter.

Einige Branchen melden sehr verspätet ihre Angebote

Ein weiteres Handicap für den Ausbildungsmarkt ergibt sich durch die Belastung, die die Pandemie für einzelne Wirtschaftszweige mit sich gebracht hat. Eine Reihe von Firmen aus dem Hotel- und Gaststättengewerbe oder dem Handel haben entgegen sonstiger Gepflogenheiten erst sehr spät Stellen gemeldet, berichtete Herrmann. Es dauere dann erfahrungsgemäß seine Zeit, bis diese Stellen besetzt seien. Falls Firmen derzeit noch überlegen, ob sie noch Plätze schaffen wollen, sollten sie berücksichtigen, dass der Ausbildungsstart nicht zwingend zum 1. August erfolgen müsse, ergänzte die Agenturchefin. Auch spätere Termine seien durchaus möglich.

Da immer noch freie Ausbildungsplätze gemeldet werden, richtete sie gemeinsam mit Franz Roggemann den Appell an die Jugendlichen, sich immer wieder über das Stellenportal der Agentur auf den neuesten Stand der Angebote zu bringen. Momentan gebe es sehr viel Bewegung.

Zugleich richteten sowohl die Agentur-Chefin als auch der IHK-Vertreter die Bitte an die jungen Menschen, bei den eigenen Berufswünschen sich durchaus flexibel zu zeigen. Klare Vorstellungen zu haben, welchen Ausbildungsgang man absolvieren wolle, sei einerseits richtig und wichtig, andererseits sollten junge Leute auch nicht zu starr an einer Berufsrichtung festhalten. Oftmals gebe es auch ähnliche Tätigkeiten, beispielsweise im Kfz-Bereich. Mitunter finde ein Bewerber dann auch eine freie Stelle.

Konzepte für die Ausbildung notwendig

Zur Gesprächsrunde gehörte Cansel Girgin (30). Als sie sich bei dem Elektronikhändler Medion bewarb, gab es „dafür viele gute Gründe“. Zu denen zählte das gute Betriebsklima, von dem die Essenerin gehört hatte, aber auch die umfangreichen Weiterbildungsangebote, die ein Beschäftigter nutzen könne, erklärte die Essenerin.

Nun hat sie das erste von insgesamt drei Ausbildungsjahren als Fachinformatikerin Systemintegration abgeschlossen und ist sehr zufrieden. Ihre Erwartungen haben sich erfüllt, zumal der Betrieb ihr auch die Chance gebe, viele Ideen auszuprobieren, so Cansel Girgin. Sie ist eine von derzeit 19 Azubis im Unternehmen Medion, weitere acht kommen am 1. August hinzu. Einige Plätze sind aber noch unbesetzt.

Darüber hinaus bietet der Technikspezialist rund 40 Plätze für ein duales Studium an. Ausbildungsleiterin Kira Marx betonte, dass Firmen in heutiger Zeit besonderen Wert darauf legen müssen, junge Leute zu fördern und sie zu unterstützen. Um Auszubildende zu gewinnen, brauche es Strategien. Nur einfach ein Schild an die Tür zu hängen – „Lehrling gesucht“ – reiche nicht mehr aus.

In sozialen Netzwerken präsent sein

Auch wenn sich, durch die Pandemie hervorgerufen, manche Konzepte nur bedingt aufrecht erhalten lassen, müsse eine Firma dennoch daran festhalten, ergänzt Franz Roggemann von der IHK.

Medion gehört zu den Betrieben, die beispielsweise auch soziale Netzwerke nutzen und das Engagement ausweiten wollen. Dort präsent zu sein, sei sehr zu empfehlen, betont der Kammer-Vertreter.

Ferner unterstützt das Essener Unternehmen die Initiative Joblinge, bei der Jugendliche Hilfe bei Bewerbungsverfahren bekommen oder die sich am Projekt Energie Scouts beteiligen.

Im Schulterschluss mit der Kammer lernen Azubis in diesem Zusatzprogramm, wo und wie man Energie einsparen kann, um daraus Projekte für den Ausbildungsbetrieb zu entwickeln.