Essen. Nach dem „Bandidos“-Verbot wurden drei Essener Chapter aufgelöst. Die Polizei durchsuchte unter anderem die Stammkneipe der „Steeler Jungs“.
Nach dem Verbot der „Bandidos“ durch das Bundesinnenministerium hat die Polizei am Montagmorgen auch in Essen zugeschlagen: Zwei Rocker-Treffs an der Wüstenhöferstraße in Bochold und an der Westfalenstraße in Steele wurden durchsucht und drei sogenannte Chapter aufgelöst.
Wie ein Sprecher der federführenden Polizei Dortmund berichtete, tauschten Beamte die Schlösser an den Zugängen aus und suchten nach Vermögenswerten, um sie einzuziehen. Es wurden ein Motorrad, Geld und Zigaretten sichergestellt und die Immobilien anschließend versiegelt. Sollten sich Rocker-Kennzeichen oder Vereins-Intarsien gefunden haben, wurden sie entfernt. Damit mussten sich die Einsatzkräfte zumindest in Essen nicht lange aufhalten: Zumindest das „Fat Mexican“-Logo ist seit dem vor Jahren ausgesprochenen „Kutten-Verbot“ von der Fassade des Wohnhauses an der Wüstenhöferstraße verschwunden. Der Treff heißt seitdem gut sichtbar „Red & Gold Corner“.
„Bandidos“ Essen sollen Verbindungen zu Steeler Jungs haben
Die Razzia in Essen richtet sich nach Angaben der Polizei gegen insgesamt drei örtliche Bandidos-Chapter unter dem Dach der Organisation „Federation Central West“. Dabei handele es sich um die alteingesessene „BMC Essen Ruhr City Gang“ und die beiden noch recht jungen Vereinigungen „BMC Essen North“ und „BMC Essen East“. Nach Auskunft der Polizei wurden in den beiden Essener Objekten ein Motorrad, Geld und Zigaretten sichergestellt.
Dass die Staatsmacht nicht nur an dem altbekannten Treff an der Bocholder Straße, sondern auch an der Westfalenstraße 300 vorstellig wurde, deutet einmal mehr auf eine Verbindung zwischen der nach Ansicht des Innenministeriums kriminellen Vereinigung „Bandidos“ und den „Steeler Jungs“ hin, die als rechte Gruppierung unter Beobachtung des Verfassungsschutzes stehen: Bei dem durchsuchten Objekt handelt es sich um die einschlägig bekannte Sportsbar, die als Stammkneipe der selbsternannten Stadtteil-Bürgerwehr gilt.
„Bandidos“-Bar wurde von der Polizei durchsucht
Betrieben wurde das „300“ von Christian W., Kampfsportler und Chef der früheren Bottroper „Bandidos“, aus denen das Essener „East“-Chapter hervorgegangen ist. Der Umzugs-Unternehmer hatte immer betont, dass es abgesehen von seiner Person zwischen den „Steeler Jungs“ und den „Bandidos“ keinerlei Schnittmengen gebe. Inwieweit dies tatsächlich zutrifft, müssen weitere Ermittlungen zeigen.
Das Bündnis „Essen stellt sich quer“ begrüßte das Aus für das Lokal an der Westfalenstraße: „Seit Ewigkeiten ging von dem Laden eine reale Gefahr für Menschen aus, die nicht in das extrem rechte Weltbild der Gäste passten“, hieß es in einer Stellungnahme.
„Bandidos streben einen Machtzuwachs an“
Grund für den Schritt des Innenministeriums ist nach dessen Angaben die Erkenntnis, dass die „Bandidos“-Gruppierung einen „territorialen und finanziellen Machtzuwachs“ anstrebe – und ihre Ziele „auch mit Gewalt“ durchsetze. Als Delikte werden Mord, gefährliche Körperverletzung und Verstöße gegen das Waffengesetz aufgezählt. Es gebe zudem „Bezüge zur organisierten Kriminalität“.
Dabei hat sich die Essener Rockerszene in den vergangenen Jahren vergleichsweise eher unauffällig gegeben, veranstaltete ihre alljährliche Tabledance-Party in Frohnhausen oder den „City Run“ mit dutzenden Motorrädern auf den Straßen. Die Stadt war jedenfalls nie Schauplatz fortgesetzter blutiger Auseinandersetzungen wie in Duisburg. Beim sogenannten „Rocker-Krieg“ rivalisierten dort „Bandidos“ und „Hells Angels“ zwischen 2006 und 2013 um ihren Einfluss im Rotlichtmilieu. Am 8. Oktober 2009 erschoss „Hells Angel“ Timur A. das 32 Jahre alte „Bandidos“-Mitglied „Eschli“.
Essener „Bandidos“ machten selten Schlagzeilen
Die Essener Szene fand sich seltener in den Schlagzeilen wieder, denn die Welle der Gewalt schwappte nicht herüber. Wohl auch, weil die „Bandidos“ in Essen weitgehend Monopolisten auf ihrem Markt waren, während sie in Duisburg oder auch Hagen mit kriminellen Gruppierungen wie „Freeway Riders“, „Hells Angels“ oder „Satudarah“ konkurrierten.
Einzelne Gewaltdelikte, die für Anwohner kaum weniger schockierend waren, gab es unter Rockern dennoch auch in Essen. Vor Jahren wurde auf das Vereinsheim in Bochold geschossen. Es wurde niemand verletzt. Blutiger ging eine Attacke im Milieu im Mai 2016 in Frohnhausen aus: Ein Mitglied der „Osmanen Germany“ wurde auf der Mülheimer Straße durch einen Messerstich schwer verletzt. Den Angreifer vermuteten die Ermittler in den Reihen türkischer „Hells Angels“.
„Bandidos“-Mitglied aus Essen erstach Rivalen der „Freeway Riders“
Im vergangenen Jahr wurde ein „Bandidos“-Mitglied aus Essen wegen einer Körperverletzung mit Todesfolge für mehrere Jahre hinter Gitter geschickt. Ein Richter an der Zweigertstraße sah es als erwiesen an, dass der Rocker zusammen mit drei weiteren „Brüdern“ aus umliegenden Städten im Oktober 2018 einen „Freeway Riders“ auf offener Straße angegriffen hat. Der 63-Jährige, den sie „Reiki“ nannten, starb an Stichverletzungen.
In Essen war die Polizei wegen der „Bandidos“ zuletzt im vergangenen Jahr im Einsatz. Beamte kontrollierten im Januar einmal mehr, wer denn dieses Mal den Weg zur alljährlichen Tabledance-Party der Rocker im „Presence Palace“ am Westendhof finden würde. 350 Gäste kamen, denn es sollte etwas geben: „Guter Sound, Cocktails, was Gutes auf die Gabel und nicht zuletzt ein paar heiße Mädels“ waren angekündigt.
„Bandidos“ sind für Dominanz in der Türsteherszene bekannt
Die Bilanz des Abends: Zwei Haftbefehle wurden vollstreckt, ein Elektroschocker, ein Schlagring und ein Teleskopschlagstock sichergestellt sowie ein paar Drogen konfisziert. Ansonsten blieb es friedlich, hieß es seitens der Essener Polizei, die eins immer betonte: Auch bei den hiesigen „Bandidos“ handelte es sich nicht um ein harmloses Grüppchen von Motorradradschraubern. Mitglieder dieser Rocker-Organisation waren bis zuletzt neben ihrer Dominanz in der Türsteherszene im Waffen- und Drogenhandel sowie im Rotlicht-Milieu aktiv, heißt es in der Behörde.