Essen. Das gab es im Impfzentrum noch nie: Ab Freitag sind viele Termine frei, jeder kann buchen. Was Essens Impf-Chef zur völlig neuen Situation sagt.

Es gab Zeiten – und die sind noch nicht lange her – da war der Impfstoff knapp. Diese Zeiten sind vorbei. Die Stadt Essen meldet am Dienstagnachmittag: „Viele Impftermine im Impfzentrum Essen frei“. Von mehreren Hundert ist die Rede.

Gebucht werden können diese ab sofort für den Zeitraum ab Freitag, 9. Juli – über die bekannte Homepage www.116117.de sowie unter Tel. 116 117. Essens Impf-Chef, Dr. Stefan Steinmetz klingt auf Nachfrage in Anbetracht dieser Situation deutlich entspannter als in den Monaten zuvor: „Es ist das erste Mal, dass wir anscheinend genügend Impfstoff haben.“ Und es wird sogar noch besser: „Wir können jedem den Impfstoff anbieten, den er möchte." Überwiegend Biontech-Dosen seien geliefert worden.

Diskussionen um Astrazeneca werden wohl aufhören

Für Steinmetz ist das auch ganz persönlich eine gute Nachricht. Denn dadurch entfallen für den ärztlichen Leiter des Impfzentrums viele Diskussionen, die sich in den letzten Monaten vor allem um den Impfstoff von Astrazeneca gedreht haben. Dieser, bei vielen unbeliebte Impfstoff, wird in Zukunft wohl noch seltener den Weg über Spritzen in Oberarme finden.

Dr. Stefan Steinmetz, ärztlicher Leiter des Impfzentrum Essen: „Ich sehe die Grenze bei einer Impfquote von 70 oder 72 Prozent“
Dr. Stefan Steinmetz, ärztlicher Leiter des Impfzentrum Essen: „Ich sehe die Grenze bei einer Impfquote von 70 oder 72 Prozent“ © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Steinmetz begrüßt auch sehr, dass die Abstände zwischen den Erst- und Zweitimpfungen auf Empfehlung der Ständigen Impfkommission des Bundes nun verkürzt werden. Diese kürzere Zeit ist für den Arzt ein Instrument auf das er hofft, dass sich noch mehr Menschen gegen das Virus impfen werden. Denn für eine erfolgreiche oder nicht erfolgreiche Impfkampagne wird es darauf ankommen, möglichst viele Menschen von einer Schutzimpfung zu überzeugen. Aktuell sieht Steinmetz noch nicht, dass Termine nicht besetzt oder Impfdosen nicht verimpft oder weggeschmissen werden müssen.

Steinmetz schätzt Impfverweigerer auf „10 bis 15 Prozent“

Gleichwohl ist auch er sich bewusst, dass man nicht alle Menschen erreichen wird: „Ich sehe die Grenze bei einer Impfquote von 70 oder 72 Prozent.“ Aktuell sieht die Impfquote in Essen laut Kassenärztlicher Vereinigung Nordrhein (KVNO) folgendermaßen aus: Erstimpfungen: 57,1 Prozent. Zweitimpfungen: 40,0 Prozent. Zwar sind dort Impfungen über Betriebsärzte nicht inbegriffen, trotzdem ist noch ein ganzes Stück in der Impfkampagne zu gehen, besonders wenn es um Kinder geht. Nicht erreichen werde man wohl die Gruppe der Impfverweigerer. Steinmetz schätzt deren Anteil in der Bevölkerung auf „10 bis 15 Prozent“.

Zudem hofft Steinmetz, dass sich gerade in migrantischen Milieus noch mehr Menschen für eine Impfung entscheiden. Angesprochen auf das Corona-Infomobil, das aktuell durch die Stadtteile fährt und über die Vorteile eine Impfung informiert, kündigt er eine mögliche Anpassung an. Zwar halte man daran fest, das Mobil nicht zu einem Impfmobil zu machen, trotzdem erhofft er sich Verbesserung. So soll es möglich sein, dass Menschen dort bei einer Beratung direkt einen zeitnahen Termin im Impfzentrum ausmachen können. „Schon am nächsten Tag“, sagt Steinmetz, der aber bei der Meinung bleibt, dass im oder am Mobil selbst nicht geimpft werden soll.

„Wir haben ein guten Impfzentrum in Essen, das für jedermann gut zu erreichen ist“, sagt er. Anders als zum Start des Mobils, sei diese unkomplizierte Art der der Terminvergabe nun möglich, da seit zwei Wochen auch endlich auch wieder Erstimpfungen im Impfzentrum möglich sind. Ein Freund eines echten Impfmobils in Essen war und ist Steinmetz nie gewesen. Er möchte unbedingt den Eindruck verhindern, dass sich Menschen über dieses Mobil quasi an anderen vorbei vordrängeln könnten. Seit dem Fall der Priorisierung spielt das Thema aber ohnehin keine Rolle mehr. Und der vorhandenen Impfstoff im Überfluss verändert die Bedingungen nochmals.

Impfstoffschwemme auch bei niedergelassenen Ärzten

Apropos Impfstoff-Überfluss. Wer denkt, dass sich die Impfstoffschwemme nur auf das Impfzentrum bezieht, der irrt. So ist auch aus Arztpraxen zu hören, dass mittlerweile Impfstoff in so großer Zahl vorhanden ist. Ja, dass vereinzelte sogar dazu übergehen, nicht nur eigene Patienten zu impfen, sondern zu fragen, ob man jemanden kenne, der noch Bedarf hat. Auch dort scheint man mittlerweile an einem Punkt angekommen, an dem die langen Listen abgearbeitet sind.