Essen. Das resolute Vorgehen der Polizei Essen gegen die Raser- und Poser-Szene hat Folgen für die Tuner-Freunde. Warum sie sich kriminalisiert fühlen.

In der internationalen Tuner-Szene ist Klaus Stadler aus Essen-Überruhr eine bekannte Größe. Sie nennt ihn „Mustang Klaus“, seit er vor zehn Jahren den „Mustang Owners Club“ ins Leben gerufen hat: Er ist mit mehr als 600.000 „Followern“ bei Facebook weltweit der größte Zusammenschluss von Freunden des US-Kultautos. Nun erhebt Stadler seine Stimme, um sich scharf von der Poser- und Raser-Szene abzugrenzen. Vehement warnt er insbesondere auch die Politik davor, die Tuner-Szene zu kriminalisieren. „Der Hass auf uns wird immer größer.“

„Sind wir kriminell, bloß weil wir ein getuntes Auto fahren?“

Seitdem die Ordnungskräfte auch in Essen resolut gegen die Poser- und Partyszene in Rüttenscheid vorgingen, sieht „Mustang Klaus“ die Tuner-Szene massiven öffentlichen Anfeindungen ausgesetzt. „Zuletzt bin ich sogar als Benzin-Nazi beschimpft worden“, klagt er. Liebhaber getunter Autos würden mittlerweile systematisch an den Pranger gestellt. Stadler fragt: „Aber sind wir kriminell, bloß weil wir ein getuntes Auto fahren, das tiefer gelegt ist und breitere Reifen hat?“

Für Auto-Laien dürfte es nicht einfach sein, die Raser- und Poser-Szene von der Tuning-Community zu unterscheiden. PS-Experten wie Klaus Stadler hingegen glauben, die Raser einigermaßen präzise kategorisieren zu können. „Die kommen häufig aus dem Essener Norden, fahren bevorzugt AMG C 63 mit serienmäßiger Auspuffklappe und haben die Fensterscheiben unten.“ Und er bestätigt, dass sich die Raser-Szene innerhalb des Ruhrgebiets verlagere: von Dortmund nach Essen.

Die „Schlitten“ der Raser-Szene sind für die Tuner-Freunde Autos ohne Herzblut

In den Augen leidenschaftlicher Auto-Tuner bewegen sich Raser und Poser zwar auch in PS-starken und teuren Schlitten. „Aber es sind Autos von der Stange und ohne Herzblut“, urteilt Stadler. Häufig seien es geleaste oder gemietete Luxuskarossen. Am Steuer säßen Männer, die auf dicke Hose machten. Der Tuner hingegen lege Wert aufs kleinste Detail und Individualität, sein Auto sei super gepflegt, eben ein Augenschmaus auf vier Rädern.

Essen Motor Show vom 26. November bis 5. Dezember 2021

Die Essen Motor Show findet in diesem Jahr vom 26. November (Preview-Tag) bis zum 5. Dezember statt. Im letzten Jahr musste sie coronabedingt ausfallen. Sie ist Leitmesse in den Sektoren Tuning, Classic Cars und Oldtimer.

Zusammen mit der Internationalen Automobilausstellung (IAA) in Frankfurt zählt die Essen Motor Show zu den größten Fahrzeugausstellungen in Deutschland. Bereits in den 1990er Jahren überschritt sie die Marke von 350.000 Besuchern.

Mehr Informationen online unter essen-motorshow.de

Tuner-Leute erzählen gerne, dass sie durch die Gegend „cruisen“ – frei von Aggressionen und Respektlosigkeit. Die Rü rauf und runter zu kacheln, käme daher niemandem in den Sinn. Wenn Stadler sehe und höre, wie Auto-Raser „mit 8000 Umdrehungen durch Rüttenscheid“ brettern, fasse er sich nur noch an den Kopf. Schon vor zwei Jahren hat der Essener vor der wachsenden Raser-Szene im Revier gewarnt. Er unterstützt seit langem die Initiative „Tuning is not racing“.

Die Essener Polizei geht seit Wochen resolut gegen die Autor-Raser- und Poser-Szene vor. Am vorletzten Wochenende beschlagnahmte sie in Rüttenscheid einen schwarzen Lamborghini, dessen Fahrer zu schnell gefahren war. Inzwischen seien die Autoschlüssel dem Fahrer aber wieder ausgehändigt worden, berichtet die Polizei. Auch am letzten Wochenende habe es wieder Kontrollen in Rüttenscheid gegeben. Doch dieses Mal sei es weitgehend ruhig gewesen – womöglich auch wegen des schlechten Wetters.

„Mustang Klaus“ hat umgesattelt: Sein neuer Wagen ist ein getunter „Ranger“

Klaus Stadler will die Tuner-Szene nicht unter Generalverdacht gestellt sehen. „Tuner sind keine Raser“, betont er. Der 53-jährige Essener ist gelernter Kfz-Mechaniker. Zusammen mit Partnern aus der Kfz-Branche tunt er bevorzugt Ford Mustangs, das amerikanische Kult-Auto mit dem springenden Pony auf dem Kühlergrill. Vor zwei Jahren nannte er einen imposanten 800-PS-Mustang sein Eigen. Der „Terlingua Racing Team Mustang“ sei ein „Eyecatcher“ bei der letzten Essen Motor Show 2019 gewesen.

Aufgrund der aktuellen Situation hat sich Stadler von seinem Mustang getrennt und sich einen getunten „Ranger“ zugelegt. „Ich will damit auch zeigen, dass Tuning nicht immer nur tief und laut ist.“ Sein neues Off-Road-Fahrzeug – ein Pick-up – verrät Stadler, werde zu den Attraktionen der diesjährigen Essen Motor Show zählen.