Essen. Salzfabrik der Essener Kokerei Zollverein wird zum begehbaren Museumslager. Besucher sehen 25.000 Objekte vom Mammutschädel bis zur Grubenlampe.

Bühne frei für die Vergangenheit: Auf dem Welterbe Zeche Zollverein öffnet am 27. Juni das wohl spektakulärste Schaudepot der Republik. Eindrucksvoll ist nicht nur die Zahl der etwa 25.000 ausgestellten Exponate vom Mammutschädel bis zur Ritterrüstung, vom römischen Sarkophag bis zur Grubenlampe. Außergewöhnlich präsentiert sich auch die spektakuläre Innenarchitektur der von außen recht nüchternen ehemaligen Salzfabrik, die nun als begehbares Museumslager dient und künftig von Besuchergruppen besichtigt werden kann.

Von außen nüchtern und funktional, innen eine Wunderkammer: Das neue Schaudepots des Ruhr Museums ist in der ehemaligen Salzfabrik der Kokerei Zollverein untergebracht.
Von außen nüchtern und funktional, innen eine Wunderkammer: Das neue Schaudepots des Ruhr Museums ist in der ehemaligen Salzfabrik der Kokerei Zollverein untergebracht. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Rund 30 Jahre hat das Industriegebäude auf dem Areal der Kokerei Zollverein auf seine Wiedererweckung gewartet. Möglich wurde die Neunutzung durch das Programm „Nationale Projekte des Städtebaus“. Das Schaudepot war 2016 eines von bundesweit 17 ausgewählten Bauvorhaben mit Modellcharakter, vier Millionen Euro wurden für den Umbau bewilligt, auch die Stadt Essen beteiligte sich mit einem zehnprozentigen Anteil von 400.000 Euro. Kultur-Dezernent Muchtar Al Ghusain nennt das Schaudepot denn auch „einen Glücksfall in der an Meilensteinen nicht armen Zollverein-Geschichte“.

Ein Meilenstein, der nach Angaben von Theodor Grütter, Direktor des Ruhr Museums, seit Jahren dringend auf seine Realisierung gewartet hat. Denn die Zeugnisse der Vergangenheit drängen immer stärker ins Museum. Zuletzt war der Sammlungsbestand des Ruhr Museums an sage und schreibe sechs Standorten in Essen und umliegenden Städten verstreut. Mit der Eröffnung des neuen Schaudepots könnte man damit nun fünf dieser Lager schließen und durch wegfallende Mieten das neue Gebäude finanzieren. „Wir sparen sogar Geld“, betont Grütter.

Neben praktischen und finanziellen Vorteilen ist es aber vor allem der enorme Schauwert des Gebäudes, der das Depot zu einem weiteren Anziehungspunkt auf dem Welterbe machen soll. „Die ästhetische Qualität des Gebäudes ist großartig, so etwas kann man nicht neu bauen“, schwärmt Grütter über die einzigartige Aura des Depots, das Sammlungsstücke der Geologie und Archäologie ebenso beherbergt wie aus dem Bereich der Industrie- und Zeitgeschichte der letzten 200 Jahre.

Die Studiensammlung von Schädelrepliken aus der Millionen Jahre alten Menschheitsgeschichte empfangen die Besucher auf der 2. Ebene des Depots.
Die Studiensammlung von Schädelrepliken aus der Millionen Jahre alten Menschheitsgeschichte empfangen die Besucher auf der 2. Ebene des Depots. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Allein die Masse der Exponate ist für den Betrachter überwältigend. Da präsentieren sich mehr als hundert Schädelrepliken aus der Millionen Jahre alten Menschheitsgeschichte vom Neandertaler-Schädel bis zum Unterkiefer des Homo Heidelbergensis in den Regalen, sind die Glassammlung mit etwa 650 Objekten, die rund 250 Schränke, Truhen und Tische der Möbelsammlung, die kostbaren Heiligenskulpturen aus dem Kloster Haus Schuir oder eine schier unendliche Zahl von Mineralien, Gesteinen und Fossilien zu sehen.

Gläserner Aufzug führt ins Obergeschoss

Ein gläserner Aufzug sorgt für den Transport ins Obergeschoss, wo der Rundgang startet, aber auch für einzigartige Einblicke in alle Etagen des Gebäudes. Eine besondere Durch-, Weit und Übersicht prägt überhaupt das Konzept des neuen, von Hannes Bierkämper und dem Stuttgarter Büro Südstudio gestalteten Depots.

Die Sammlung bekommt im Museum wieder eine besondere Bedeutung

Mit dem gläsernen Aufzug geht es ins oberste Geschoss, von dort aus kann sich der Besucher Ebene für Ebene durch die verschiedenen Bereiche Natur, Kultur und Geschichte arbeiten.
Mit dem gläsernen Aufzug geht es ins oberste Geschoss, von dort aus kann sich der Besucher Ebene für Ebene durch die verschiedenen Bereiche Natur, Kultur und Geschichte arbeiten. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Die Innenarchitektur des markanten Stahlbeton-Skelettbaus mit seinen Verbindungsbrücken wurde dabei komplett in seinen Ursprungszustand versetzt, Spuren der Industrieproduktion nicht überstrichen, sondern die Patina bewusst belassen. Verschiebbare Regalwände sorgen für den problemlosen Zugang zu allen Ausstellungsstücken und für eine maximale Raumausnutzung, denn die Flut an Exponaten dürfte auch in den kommenden Jahren nicht nachlassen. Noch aber gebe es Freiraum. „In den nächsten fünf bis zehn Jahren dürften wir keine Probleme haben“, schätzt Theodor Grütter.

Auch Ergebnisse von Grabungen des Landschaftsverbands Rheinland gehen regelmäßig ans Ruhr Museum, erklärt Milena Karabaic, Kulturdezernentin beim LVR, einer der finanziellen Förderer des Ruhr Museums. Wie Grütter betont auch Karabaic, dass das Sammeln als eine der drei Kernaufgaben von Museen, in den vergangenen Jahren wieder eine stärkere Bedeutung bekommen hat. „Die Ausstellung ist das Spielbein, die Sammlung ist das Standbein des Museums.“

Mit dieser Sammlung will man nun neues Publikum aufs Zollverein-Areal locken, besucht werden kann das Depot allerdings nur gruppenweise (max. 20 Personen).

Zum Angebot gehören öffentliche Führungen (Samstag, Sonntag und an Feiertagen 11 u. 15 Uhr, Kosten 10/erm. 8 €), spezielle Führungen für Schulkassen, Senioren und Familien oder individuelle Gruppenführungen (130 €). Tickets unter www.tickets-ruhrmuseum.de